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EU einigt sich auf Lieferkettengesetz
Wie die belgische Ratspräsidentschaft in Brüssel mitteilte, hat bei der Abstimmung über das Gesetz zum Schutz der Menschenrechte eine ausreichende Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedstaaten dafür gestimmt, die für mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen.
Damit wurde Deutschland überstimmt, das sich im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten enthielt. Eine Enthaltung in dem Gremium wirkt wie eine Nein-Stimme.
In der Bundesregierung war es wegen Unstimmigkeiten zwischen der FDP, die das Gesetz ablehnt, auf der einen Seite und den Befürwortern SPD und Grünen auf der anderen zu keiner einheitlichen Position gekommen. Die Liberalen befürchten etwa, dass sich Betriebe aus Angst vor Bürokratie und rechtlichen Risiken aus Europa zurückziehen. Die Unstimmigkeiten hatten zu einem offenen Schlagabtausch in der Ampel-Koalition geführt.
Gegen Kinderarbeit und Klimawandel
Im Kern geht es darum, dass große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU pro tieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind.
Abgeschwächte Form verabschiedet
Grundsätzlich hatten sich Unterhändler der Mitgliedsstaaten bereits im Dezember auf das Lieferkettengesetz geeinigt. Weil aber damals noch nicht die erforderliche Mehrheit erreicht wurde, wurde der Entwurf noch einmal abgeschwächt: Das Gesetz soll nun - nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren - erst für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und einem Umsatz von mindestens 450 Millionen Euro gelten. Ursprünglich wären schon Firmen mit 500 Angestellten und einem Umsatz von mindestens 150 Millionen Euro darunter gefallen.
Lob und Kritik aus Deutschland
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, der das Gesetz federführend für die Bundesregierung mit verhandelt hat, begrüßte das Votum, das ohne deutsches Ja zustande kam. Es sei endlich gelungen, eine gemeinsame europäische Lösung für faire Lieferketten zu nden, sagte der SPD-Politiker. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze, ebenfalls SPD, sprach von einem "Meilenstein" und erklärte, mit einem EU-Lieferkettengesetz gebe es künftig gleiche Wettbewerbsbedingungen.
Enttäuscht zeigte sich dagegen Bundesjustizminister Marco Buschmann. Er habe sich ein anderes Ergebnis gewünscht, sagte der FDP-Politiker. Gleichwohl sei der Einsatz "keinesfalls umsonst" gewesen. So sei der Anwendungsbereich reduziert worden und die Baubranche sei kein Risikosektor mehr.
Deutliche Kritik kam aus der Wirtschaft. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach von einem "weiteren Rückschlag für Europas Wettbewerbsfähigkeit". BDI-Präsident Siegfried Russwurm erklärte, die Richtlinie bürde Unternehmen "uneinlösbare P ichten auf, die einen enormen bürokratischen Aufwand verursachen".
Lob und Kritik von Hilfsorganisationen
Nach Einschätzung des Chefs der UN-Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO), Gerd Müller, sorgt das neue Lieferkettengesetz für eine gerechtere Globalisierung. "Ausbeutung und Kinderarbeit in Entwicklungsländern dürfen nicht länger ein Wettbewerbsvorteil sein", betonte der CSU-Politiker und ehemalige Entwicklungsminister.
Weniger euphorisch äußerten sich Nichtregierungsorganisationen: Oxfam kritisierte das abgeschwächte Gesetz als "Meilenstein mit Abstrichen". Auch viele andere Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen wie der BUND, die Deutsche Umwelthilfe und Germanwatch reagierten zwar erleichtert auf die Mehrheit für das Gesetz - kritisierten aber auch das deutsche Abstimmungsverhalten und die Veränderungen in letzter Minute.
Nach Einschätzung der Organisation "Initiative Lieferkettengesetz" gilt das Gesetz nun nur noch für ein Drittel der Unternehmen im Vergleich zur ursprünglich vorgesehenen Zahl, in Summe für rund 5500 Unternehmen. "Wir sind enttäuscht, dass das Vorhaben so ausgehöhlt wurde", sagte Johanna Kusch von der Organisation. Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow, betonte, es sei bitter, dass sich Deutschland enthalten habe, nachdem es "zuvor für massive Verschlechterungen im Gesetzestext gesorgt" habe.
Eine weitere Hürde muss das Gesetz noch nehmen, da das EU
Parlament dem Vorhaben zustimmen muss. Hier gilt eine Mehrheit als wahrscheinlich. Die abschließende Abstimmung dort soll nach Angaben der EU-Abgeordneten Anna Cavazzini im April erfolgen. mak/kle (afp, dpa, rtr, kna)
und vor allem Solarenergie hat wieder Schwung aufgenommen und Kohlestrom verdrängt. Dabei half allerdings auch der um fast vier Prozent geringere Stromverbrauch. Zudem importierte Deutschland im vergangenen Jahr seit langem erstmals mehr Strom aus dem Ausland als es exportierte, was günstig für die Klimabilanz ist. Ein Grund dafür war, dass die französischen Atomkraftwerke 2023 wieder mehr produzierten als 2022, als zahlreiche Meiler wegen Reparaturen vom Netz genommen wurden. Zudem legten europäische Nachbarstaaten beim Ausbau der Erneuerbaren kräftig zu. Damit stieg das Angebot von günstigem Strom in Europa.
Neben dem geringeren Ausstoß im Energiesektor machte sich vor allem die schwache Wirtschaft bemerkbar: Die Industrie stieß 7,7 Prozent weniger Kohlendioxid aus. Die nach wie vor hohen Preise für fossile Energien machten es für die Industrie besonders schwer. Eine Verlagerung von Industrien ins Ausland helfe dem Klima nicht, konstatierte Umweltamtschef Messner.
Bau und Verkehr machen weiter Sorgen
Auch die Sektoren Bau und Verkehr konnten ihre Emissionen reduzieren. Im Gebäudesektor sanken sie um über sieben Prozent, was zum einen auf den vergleichsweise milden Winter zurückzuführen ist. Zum anderen haben die höheren Gas- und Ölpreise die Menschen zum Sparen gebracht. Messner verwies auf den Austausch von Heizungen, wobei allerdings auch viele Erdgas-Heizungen noch neu eingebaut würden. Dies helfe zwar zunächst, könne aber langfristig ein Problem sein, da sie nicht frei von Kohlendioxid seien.
Größtes Sorgenkind bleibt laut Messner der Verkehr. Zwar produzierte auch er etwa weniger CO2, verstieß jedoch wie der Gebäudesektor gegen die im Klimaschutzgesetz verankerten Vorgaben. Es gebe unter anderem zu wenig Elektro-Autos. Der leichte Rückgang in diesem Sektor könne nur durch andere Bereiche "überkompensiert" werden.
Wegen des Verstoßes gegen das Klimaschutzgesetz bei Verkehr und Bau ist Deutschland bereits vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verurteilt worden. Die Regierung ist in Revision gegangen und verweist auf die geplante Reform des Gesetzes. Dieses soll eine leichtere Verrechnung zwischen den Sektoren möglich machen. Derzeit hat jeder Sektor für jedes Jahr eine klare CO2-Obergrenze. Das Bundeskabinett hat das neue Gesetz zwar schon beschlossen, der Bundestag ringt allerdings noch darum.
kle/sti (rtr, afp, epd, dpa)