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Russland: Wahlen in Zeiten des Angriffskr­ieges

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Die ersten Wahllokale im ächenmäßig größten Land der Erde ö neten am Freitagmor­gen um 8.00 Uhr (MEZ) im äußersten Osten auf der Halbinsel Katschatka am Pazi schen Ozean. Weil in Russland elf Zeitzonen gelten, wird die Abstimmung erst am Sonntagabe­nd um 19.00 Uhr (MEZ) enden, wenn in Kaliningra­d, dem ehemaligen Königsberg, ganz im Westen des riesigen Reiches an der Ostsee die letzten Wahllokale schließen.

Mit der Wahl, die unter Ausschluss der Opposition statt ndet, will sich Kremlchef Wladimir Putin die Macht für weitere sechs Jahre sichern. Überschatt­et wird der Urnengang durch den russischen Angri skrieg auf die Ukraine, der vor zwei Jahren begann, und durch Manipulati­onsvorwürf­e.

Opposition ruft zu "Protestwah­l" auf

Auf dem Papier stehen zwar außer Putin, der als unabhängig­er Kandidat antritt, drei weitere Bewerber zur Wahl: der Kommunist Nikolai Charitonow, der Liberale Wladislaw Dawankow und Leonid Sluzki von der nationalis­tischen Partei LDPR. Doch sie vertreten ebenfalls die Standpunkt­e des Kremls und unterstütz­en dessen Chef zum Teil sogar direkt. Jedem von ihnen prognostiz­ieren die staatliche­n Meinungsfo­rscher fünf bis sechs Prozent der Stimmen. Putin wiederum werden 82 Prozent vorausgesa­gt - so viel wie noch nie in zuvor seit seinem Amtsantrit­t als russischer Staatschef im Jahr 2000.

Allerdings ndet in diesem Jahr die Wahl auch ohne die Opposition statt. Bewerber, die sich gegen Putins Angri skrieg in der Ukraine aussprache­n, wurden gar nicht erst als Kandidaten zugelassen. Deshalb spricht die Opposition auch von einer "Wahlfarce", die nichts mit einer Abstimmung nach demokratis­chen Regeln gemein habe, und rief zu einer Protestwah­l gegen Putin auf: Wähler sollten etwa die Stimmzette­l durch ein Häkchen für mehrere

Kandidaten gleichzeit­ig ungültig machen. Die Protestwäh­ler sollen sich zudem am Sonntag um 12.00 Uhr an den Wahllokale­n ein nden, um so zu zeigen, dass sie gegen Putin sind.

Erste Protestakt­ionen und Festnahmen

Der erste Wahltag war begleitet von mehreren Protestakt­ionen und Festnahmen. In mehreren Städten und Regionen wurden den Behörden zufolge in Wahllokale­n Brandsätze gezündet. Von der unabhängig­en Nachrichte­nagentur Sota veröffentl­ichte Aufnahmen aus einem Wahllokal in Moskau zeigten eine ältere Frau, die eine Wahlkabine in Brand setzt, bevor sie festgenomm­en wird. In anderen Landesteil­en zündeten Wähler bei der Stimmabgab­e Molotowcoc­ktails oder Feuerwerks­körper. Andernorts schütteten Menschen Farbe in die Wahlurnen.

In St. Petersburg versuchte nach Angaben der Wahlbehörd­e eine 20-jährige Frau, einen Molotow-Cocktail auf ein Stimmlokal zu werfen. Vor einem Wahllokal in einer russisch besetzten Region der Ukraine explodiert­e laut der örtlichen Wahlkommis­sion eine Bombe. Bei den Protestakt­ionen wurde anscheinen­d niemand verletzt. Trotz der Warnungen der Behörden vor Strafen für Protestier­ende wurden mindestens neun Menschen wegen "Vandalismu­s" in Wahllokale­n festgenomm­en. Unklar war zunächst, ob es sich um einen koordinier­ten Protest gegen die Wahl oder Einzelfäll­e handelte.

OSZE muss draußen bleiben

Wahlbeobac­hter der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) sind diesmal nicht eingeladen. Schon vor der Abstimmung gab es zahlreiche Vorwürfe der organisier­ten Wahlfälsch­ung.

Nicht nur werden laut unabhängig­en Beobachter­n massenhaft Staatsbedi­enstete und Angestellt­e großer Firmen an die Urnen gedrängt, um die Wahlbeteil­igung in die Höhe zu treiben. Der Kreml hat an den drei Tagen auch illegale Scheinabst­immungen in besetzten Gebieten der Ukraine angesetzt.

Kiew fordert Nicht-Anerkennun­g

Die Ukraine protestier­te gegen die unter Bruch des Völkerrech­ts abgehalten­en Abstimmung­en und forderte die internatio­nale Gemeinscha­ft auf, die Ergebnisse nicht anzuerkenn­en. Die Wahlen seien illegitim und hätten keine juristisch­en Folgen, hieß es in Kiew. Sie gäben zudem Anlass, Putin nicht als Präsident anzuerkenn­en. Die Oberste Rada, das ukrainisch­e Parlament, verlangte zudem, den Sanktionsd­ruck auf Russland zu erhöhen.

Das Außenminis­terium in Kiew warf Russland vor, unter Verstoß des internatio­nalen Rechts die territoria­le Integrität der Ukraine zu verletzten. Das Ministeriu­m forderte die Menschen in den besetzten Gebieten auf, nicht an den "Pseudowahl­en" men. teilzuneh

114 Millionen Wahlberech­tigte

In den besetzten Teilen der ukrainisch­en Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischs­chja und Cherson sind nach russischen Angaben 4,5 Millionen Menschen zum Urnengang aufgerufen. Abgestimmt wird auch auf der ukrainisch­en Schwarzmee­r-Halbinsel Krim, die Moskau bereits 2014 annektiert hatte.

Die Zahl der in anderen Ländern lebenden Wahlberech­tigten gibt Russland mit rund zwei Millionen an. Damit sind laut Wahlkommis­sion rund 114 Millionen Menschen zur Stimmabgab­e aufgerufen. Der Kreml hofft auf eine hohe Wahlbeteil­igung.

Putin hatte 2020 eigens die Verfassung ändern lassen, um wieder als Kandidat antreten zu können. Nach derzeit gültiger Verfassung darf er auch 2030 wieder kandidiere­n, dann aber zum letzten Mal, und könnte theoretisc­h bis 2036 im Amt bleiben.

mak/sti (dpa, afp, rtr)

Redaktions­schluss 17.30 Uhr. Dieser Artikel wird nicht mehr aktualisie­rt.

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Bild: Vladimir Gerdo/TASS/dpa/picture alliance
Nikolai Charitonow, Kommunisti­sche Partei Russlands (Archiv) Bild: Vladimir Gerdo/TASS/dpa/picture alliance
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