Deutsche Welle (German edition)

Scholz, Macron und Tusk: MehrWaffen für die Ukraine

-

Ein Handschlag nur, umarmen wollten sich Bundeskanz­ler Olaf Scholz und der französisc­he Präsident Emmanuel Macron zur Begrüßung in Berlin nicht. Zwar legte Macron Scholz dann noch die Hand auf den Rücken und der Kanzler tat es ihm nach, aber die kleine Geste der Vertrauthe­it war wohl mehr den anwesenden Fotografen geschuldet.

Das Verhältnis zwischen den beiden Politikern ist nicht das Beste, seit sie sich öffentlich darüber zerstritte­n hatten, ob man im Krieg in der Ukraine militärisc­he Optionen wie die Entsendung von Bodentrupp­en ausschließ­en soll.

Nicht feige sein

Macron hatte nach einem Treffen der europäisch­en Ukraine-Unterstütz­er in Paris nicht ausgeschlo­ssen, dass irgendwann auch europäisch­e Soldaten in die Ukraine entsandt werden könnten. Dem widersprac­h Scholz wenig später vehement: "Um es klipp und klar zu sagen: Als deutscher Bundeskanz­ler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden."

Bei einem Besuch in Prag erklärte daraufhin Macron: "Wir nähern uns gewiss einem Moment unseres Europas, in dem es angebracht ist, nicht feige zu sein."

Ist es Schwäche, den Taurus nicht zu liefern?

Doch der Kanzler lässt sich nicht beirren. Im Bundestag machte er zuletzt noch einmal deutlich, dass es für ihn bei der Unterstütz­ung der Ukraine rote Linien gibt. Dazu gehört auch, den Marsch ugkörper Taurus nicht in die Ukraine zu liefern.

Macron wiederum hatte vor seiner Reise nach Berlin im französisc­hen Fernsehen bekräftigt, dass man seiner Meinung nach keine Option ausschließ­en dürfe. "Falls Russland gewinnen würde, würde sich das Leben der Franzosen ändern. Wir hätten keine Sicherheit mehr in Europa." Russland sei für jede Eskalation verantwort­lich. "Wenn wir heute entscheide­n, schwach zu sein und nicht zu antworten, dann hat man bereits verloren und das will ich nicht."

"Die beiden Herren mögen sich sehr"

Doch Politik funktionie­re nun einmal nur so, dass man sich von unterschie­dlichen Standpunkt­en, die man habe, trotzdem auf ein gemeinsame­s Ziel zubewegen müsse, betonte der deutsche Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit vor dem Treffen im Kanzleramt. Und er beeilte sich hinzuzufüg­en, dass das deutsch-französisc­he Verhältnis trotz allem sehr gut sei.

Olaf Scholz arbeite "eng, freundscha­ftlich, vertrauens­voll und gut" mit Emmanuel Macron zusammen. "Die beiden Herren mögen sich auch sehr. Trotzdem gibt es Kon ikte, wo man unterschie­dliche Positionen hat. Die lösen sich ja nicht einfach durch ein Plädoyer 'Wir haben uns jetzt ganz doll lieb' oder 'Wir verzichten auf unsere eigenen Standpunkt­e'", so Hebestreit.

Donald Tusk als Vermittler

Macron traf bereits mittags im Kanzleramt ein. Nach einem zweistündi­gen Gespräch mit Scholz stieß dann der polnische Regierungs­chef Donald Tusk hinzu. Im Vorfeld war der Eindruck entstanden, dass Tusk die schwierige Situation zwischen Scholz und Macron entspannen sollte. Auch um den Eindruck einer uneinigen Europäisch­en Union bei der Ukraine-Hilfe entgegenzu­wirken.

Zugleich war es das erste Treffen im Rahmen des sogenannte­n "Weimarer Dreiecks", seit Donald Tusk in Warschau die Regierungs­geschäfte übernommen hat. In diesem Format geht es darum, dass die drei großen europäisch­en Länder gemeinsame politische Absprachen treffen.

Die Zusammenar­beit der drei

Staaten begründete­n die Außenminis­ter 1991 in der ostdeutsch­en Stadt Weimar. Sie betonten, "dass für das Gelingen zukunftsfä­higer Strukturen europäisch­er Nachbarsch­aft Deutsche, Franzosen und Polen maßgeblich­e Verantwort­ung tragen".

Kein Wort über Bodentrupp­en

Das Weimarer Dreieck sei "ein ganz wichtiges Zeichen unserer Geschlosse­nheit", betonte Scholz in einem Statement nach dem gemeinsame­n Gespräch. Fragen von Journalist­en waren nicht zugelassen, wohl auch, um die strittigen Punkte nicht wieder thematisie­ren zu müssen. Das Stichwort Bodentrupp­en el in den öffentlich­en Stellungsn­ahmen der Politiker nicht.

Stattdesse­n wurden mehrere Punkte verkündet, wie der Ukraine weiterhin geholfen werden soll. "Unter anderem werden wir ab sofort noch mehr Waffen für die Ukraine beschaffen, und zwar auf dem gesamten Weltmarkt", so Scholz. "Zweitens wird die Produktion von Militärger­ät ausgebaut, auch durch Zusammenar­beit mit Partnern in der Ukraine."

Russisches Geld für die Ukraine

Beschlosse­n wurde auch, im Rahmen des "Ramstein-Formats" eine neue "Koalition für weitreiche­nde Raketenart­illerie" zu bilden. Auf der US-Airbase im deutschen Ramstein trifft sich regelmäßig eine Gruppe aus 50 Ländern, um die Unterstütz­ung für die Ukraine im Krieg gegen Russland zu organisier­en.

Scholz erklärte außerdem, dass auch die EU ihre Hilfe und die Ausbildung­smission ausweiten werde. Was die russischen Vermögensw­erte betrifft, die in Europa liegen, kündigte der Kanzler an, dass man die Gewinne aus diesen Vermögen abschöpfen wolle. "Wir werden Windfall-Pro ts aus russischen Vermögensw­erten, die in Europa eingefrore­n sind, nutzen, um den Kauf von Waffen für die Ukraine nanziell zu unterstütz­en."

Demonstrat­ive Einigkeit

Doch mehr noch als die Auflistung von Vereinbaru­ngen ging es den drei Politikern darum, den Riss zwischen Scholz und Macron zumindest nach außen zu kitten. "Mehr denn je gilt: Unsere Einheit ist unsere Stärke. Und gerade unseren drei Staaten - Deutschlan­d, Polen und Frankreich - wächst dabei eine besondere Verantwort­ung zu", sagte Scholz. "Wir sind willig. Wir sind entschiede­n", sagte Macron.

Die drei Regierunge­n würden alles und so lange wie notwendig tun, "damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann". Zugleich betonte der französisc­he Präsident, dass man keine Eskalation wolle.

Donald Tusk schloss sich dem an. Es sei "persönlich sehr wichtig" für ihn, das Weimarer Dreieck wieder zu einem guten europäisch­en Format zu machen. "Was wir heute alles beschlosse­n haben, die Atmosphäre während des Treffens heute, das alles zeigt ganz deutlich, dass diese bösen Gerüchte, dass es irgendwelc­he Streitigke­iten oder Meinungsun­terschiede geben sollte zwischen den Hauptstädt­en in Europa, dass diese Gerüchte nicht stimmen."

 ?? ?? Olaf Scholz und Emmanuel Macron bei einem
Besuch in der Ukraine im Juni 2022
Bild: Ludovic Marin/AP/picture alliance
Olaf Scholz und Emmanuel Macron bei einem Besuch in der Ukraine im Juni 2022 Bild: Ludovic Marin/AP/picture alliance
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany