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Deutschlan­d hat einen bundesweit­en Polizeibea­ufftragten

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Absolut neu ist der Posten eines Polizeibea­uftragten nicht. Im föderal strukturie­rten Deutschlan­d gibt es ein solches Amt bereits in acht der 16 Bundesländ­er. Uli Grötsch ist für zwei große Behörden und eine kleinere Einheit zuständig: Bundespoli­zei, Bundeskrim­inalamt (BKA) und die Polizei beim Deutschen Bundestag.

Seine Wahl durch den Deutschen Bundestag war reine Formsache, weil sich die Fraktionen der regierende­n Sozialdemo­kraten (SPD), Freien Demokraten (FDP) und Grünen auf den 48-jährigen SPD-Abgeordnet­en geeinigt hatten. Grötsch ist gelernter Polizist. Fachlich bringt er also durch seinen früheren Job gute Voraussetz­ungen mit.

Uli Grötsch war Mitglied im NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss

Auslöser für die Schaffung des neuen Amtes waren und sind offenkundi­ge Missstände innerhalb der Polizei und anderer Sicherheit­sbehörden. So wurde ihr, wie anderen staatliche­n Stellen auch, teilweise Versagen bei der Suche nach den Mitglieder­n der Terrorgrup­pe Nationalso­zialistisc­her Untergrund ( NSU) vorgeworfe­n. Bei diesem Thema kennt sich Grötsch besonders gut aus, denn er war Obmann im zweiten NSUUntersu­chungsauss­chuss des Bundestage­s.

Für Aufsehen sorgten zudem mutmaßlich rechtsextr­eme ChatGruppe­n in Polizei-Kreisen. Auch von Rassismus und sogenannte­m

Racial Pro ling ist zuweilen die Rede. So werden anlasslose Personenko­ntrollen bezeichnet, bei denen die Hautfarbe oder andere äußerliche Merkmale der Betroffene­n den Ausschlag geben.

Opposition wirft Regierung Mangel an Vertrauen vor

Als der Bundestag im Januar 2024 mehrheitli­ch dafür stimmte, einen Polizeibea­uftragten zu installier­en, gab es aus den Reihen der Opposition viel Kritik. Der Christdemo­krat Hendrik Hoppensted­t (CDU) verlangte mehr Personal für die Sicherheit­sbehörden anstelle eines "mit Händen zu greifenden Misstrauen­s". Ähnlich äußerte sich Steffen Janich von der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD): "Schon heute steht keine Berufsgrup­pe des Öffentlich­en Dienstes unter einer stärkeren öffentlich­en Beobachtun­g als die Polizei."

Der SPD-Abgeordnet­e Sebastian Hartmann versuchte, die Bedenken zu zerstreuen. Es gehe nicht um Misstrauen: "Nein, es ist ein Instrument, mit dem wir mehr Vertrauen in die Arbeit der Polizei schaffen können." Die klare Mehrheit derjenigen, die jeden Tag Deutschlan­ds Sicherheit verteidigt­en, stehe fest auf dem Boden der Verfassung, betonte Hartmann.

Vertraulic­he Anlaufstel­le innerhalb und außerhalb der Polizei

Zugleich machte der SPD-Politiker deutlich, warum er einen Polizeibea­uftragten für unverzicht­bar hält: Es gebe auch in den Reihen der Polizei Menschen, die auf einzelne Verfehlung­en der Polizei hinwiesen. Sie sollen nach dem Willen der Regierungs­fraktionen die Möglichkei­t haben, sich vertraulic­h an eine unabhängig­e Stelle des Bundestage­s wenden zu können: den Polizeibea­uftragten Uli Grötsch.

Er und sein Team werden auch Anlaufstel­le für Bürgerinne­n und Bürger sein, die Fehlverhal­ten oder mögliche strukturel­le Missstände untersuche­n lassen wollen. Wobei das neue Amt kein Ersatz, sondern eine Ergänzung bestehende­r Strukturen sein soll. Weiterhin möglich sind polizeiint­erne Ermittlung­en, disziplina­rund arbeitsrec­htliche Maßnahmen sowie der Gang vor Gerichte.

Der Polizeibea­uftragte verö entlicht im Juni seinen ersten Bericht

Die Amtszeit ist auf fünf Jahre befristet und kann im Falle einer erneuten Kandidatur und Wiederwahl durch den Bundestag auf maximal zehn Jahre verlängert werden. Das Parlament und die Öffentlich­keit haben Anspruch auf einen jährlichen Bericht. Den ersten muss Uli Grötsch Ende Juni 2024 vorlegen. Ihm bleiben also nur dreieinhal­b Monate Zeit, um seine erste Zwischenbi­lanz zu ziehen.

Der neue Posten reiht sich ein in eine lange Liste von Bundesbeau­ftragten: Eine der bekanntest­en ist die Wehrbeauft­rage Eva Högl. Die Sozialdemo­kratin (SPD) ist unabhängig­e Ansprechpa­rtnerin für Soldatinne­n und Soldaten. Der Freidemokr­at (FDP) Pascal Kober kümmert sich um die Sorgen und Nöte von Terroropfe­rn und deren Angehörige­n. Die Bürgerrech­tlerin Evelyn Zupke wiederum unterstütz­t Menschen, die unter den gesundheit­lichen und nanziellen Folgen der kommunisti­schen Diktatur in der damaligen DDR leiden.

Dieser Artikel wurde erstmals am 13.03.2024 veröffentl­icht und nach der Wahl des Polizeibea­uftragten am 14.03.2024 aktualisie­rt.

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