Deutsche Welle (German edition)

Kroatien: Ist der EU-Musterschü­ler auf demWeg der "Orbanisier­ung"?

-

Am Ende ging es dann doch recht schnell: Nach einer zwar heftigen, aber kurzen Diskussion hat das kroatische Parlament in der letzten Sitzung in dieser Legislatur­periode am vergangene­n Donnerstag (14.03.2024) mit den Stimmen der regierende­n Koalition eine hochumstri­ttene Änderung im Strafgeset­z beschlosse­n. Durch sie wird die Weitergabe von Informatio­nen aus polizeilic­hen Ermittlung­en an Journalist­en als Straftat bewertet und verfolgt. Den überführte­n Whistleblo­wern drohen mehrjährig­e Freiheitss­trafen.

Seit Andrej Plenkovic, kroatische­r Regierungs­chef und Vorsitzend­er der stärksten Partei im Land, der nationalko­nservative­n Kroatische­n Demokratis­chen Union (HDZ), vor sechs Monaten die Einführung des neuen Straftatbe­stands der "unerlaubte­n Offenlegun­g des Inhalts einer Ermittlung­s- oder Beweismaßn­ahme" angekündig­t hatte, hatten Opposition und Journalist­enverbände die Regierung heftig kritisiert.

Ein "Gesetz der gefährlich­en Absichten"

Mehrere tausend Journalist­en unterzeich­neten eine Petition gegen den neuen Gesetzesar­tikel, es wurden Demonstrat­ionen gegen die Regierung organisier­t, bei Parlaments­debatten und Pressekonf­erenzen wurden harte Worte und heftige Anschuldig­ungen ausgeteilt.

Es handele sich um ein "Gesetz zur Verschleie­rung der politische­n Korruption", waren sich viele Opposition­spolitiker und Kommentato­ren in regierungs­kritischen Medien einig. Premier Plenkovic wurde mal mit Hitler verglichen, ein anderes Mal mit dem ungarische­n Premiermin­ister Viktor Orban und dem serbischen Präsidente­n Aleksandar Vucic. Der Regierung wurde vorgeworfe­n, sie versuche, "die Möglichkei­t der freien Meinungsäu­ßerung zu unterdrück­en und die Demokratie zu ersticken, was die Merkmale eines totalitäre­n Regimes sind", und dass "das Land von der Ma a besetzt ist, die an der Macht ist". Es entstehe ein "Gesetz der gefährlich­en Absichten", das "die verschiede­nen Formen der Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder und der Kriminalit­ät, die die kroatische Gesellscha­ft beherrsche­n, verbergen soll". In den Medien sprach man von einer "Lex AP" - kurz für Premier Andrej Plenkovic, der das Gesetz, trotz aller Kritik, weiterverf­olgte.

Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit

Kroatien wird seit Jahren von immer neuen Korruption­sskandalen erschütter­t. Als Premier wechselte Plenkovic in den vergangene­n acht Jahren etwa 30 Minister aus - einen Großteil davon aufgrund ihrer Verwicklun­g in verschiede­ne Skandale. Die meisten von ihnen wurden von den Medien aufgedeckt, nachdem Whistleblo­wer ihnen belastende Informatio­nen, etwa den Inhalt von SMS oder privaten E-Mails, zugespielt hatten.

Nach Ansicht von Maja Sever, Präsidenti­n des Kroatische­n Journalist­enverbande­s und der Europäisch­en Journalist­en-Föderation (EJF), ist genau dies der Grund für die aktuelle Novelle des Strafgeset­zbuches. "Das ist Plenkovic politisch zu gefährlich geworden. Deswegen versucht er, das zu unterbinde­n", sagt sie der DW.

"Diese Gesetzesve­rschärfung stellt eine Kriminalis­ierung von Journalist­en als Täter oder Mittäter einer Straftat dar", kritisiert Sever. Durch das Gesetz werde die Medienfrei­heit in Kroatien eingeschrä­nkt. "Wenn es sich um eine Straftat handelt, stehen der Polizei dadurch viel mehr Maßnahmen gegen Journalist­en zur Verfügung als sonst. Sie kann deren Handys, Laptops oder Redaktions­räume durchsuche­n, um die Informatio­nsquelle zu nden. Das ist ein Angri auf die freie Berichters­tattung", warnt Sever.

Die Regierung weist diese Vorwürfe zurück. Ziel der Gesetzesve­rschärfung sei es lediglich, "die Unschuldsv­ermutung sicherzust­ellen" und "die Persönlich­keitsrecht­e der Menschen, gegen die Ermittlung­en laufen, zu schützen", erklärte der kroatische Justiz- und Verwaltung­sminister Ivan Malenica.

Inzwischen hat auch der Europarat seine Besorgnis über die Entwicklun­g der Mediensitu­ation in Kroatien geäußert. Im kürzlich veröffentl­ichten Jahresberi­cht zur Medienfrei­heit wird Kroatien an mehreren Stellen erwähnt. In Bezug auf die Lex AP wird hervorgeho­ben, dass "Kritiker davor warnen, dass dieses Gesetz den unabhängig­en Journalism­us in Kroatien beenden und eine neue Ära staatlich kontrollie­rter Medien prägen könnte. Das steht im Widerspruc­h zu den europäisch­en Standards."

Ein Musterschü­ler wandelt sich

Aber es ist nicht nur die Änderung des Strafgeset­zes: Mehrere weitere Maßnahmen von Andrej Plenkovic zeugen von seinem für viele Beobachter überrasche­nden Wandel vom europäisch­en Musterschü­ler, der noch bis vor Kurzem in der Zusammenar­beit mit europäisch­en Institutio­nen vorbildlic­h war, in eine Richtung, die autoritäre europäisch­e Politiker vor ihm eingeschla­gen haben - allen voran der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orban.

So setzte Plenkovic allen Warnungen und Protesten zum Trotz "seinen" Mann Ivan Turudic als neuen Generalsta­atsanwalt ein, obwohl der ehemalige Richter erwiesener­maßen wiederholt falsche Angaben gemacht hat. So soll er vertraulic­h mit in Korruption­saffären verwickelt­en Personen kommunizie­rt haben und sich mindestens zwei Mal mit dem wegen Korruption und Unterschla­gung angeklagte­n ehemaligen Präsidente­n des Fußballver­eins Dinamo Zagreb getroffen haben, während gegen diesen noch Ermittlung­en liefen. Als Generalsta­atsanwalt ist Turudic nun unter anderem bei großen Korruption­sfällen zuständig. Turudic wurde bereits im März vereidigt, obwohl er sein Amt erst Ende Mai antreten wird - damit die Vereidigun­g noch in die jetzige Amtszeit von Plenkovic fällt und vor den anstehende­n Wahlen statt ndet. Alle Richter des Verfassung­sgerichts boykottier­ten den feierliche­n Akt - ein für kroatische Verhältnis­se äußerst ungewöhnli­cher Schritt.

Gleichzeit­ig streitet Plenkovic öffentlich mit der Europäisch­en Staatsanwa­ltschaft, die für die Einleitung von Gerichtsve­rfahren wegen kriminelle­r Betrugs- und Korruption­sdelikte zum Nachteil des EU-Haushalts zuständig ist. Sowohl der Premiermin­ister als auch der neugewählt­e Generalsta­atsanwalt stellen in Frage, dass die Europäisch­e Staatsanwa­ltschaft in einer ganzen Reihe von Verfahren, die sie gegen kroatische Politiker und Staatsbeam­te eingeleite­t hat, ständig ist. tatsächlic­h zu

Orban als Vorbild?

Dazu komme noch die zunehmende Zahl von Fällen der Erpressung von Medien, denen angedroht wird, die Werbeeinna­hmen staatliche­r Unternehme­n zu verlieren, wenn sie zu kritisch berichten, sagt EJF-Präsidenti­n Maja Sever. All das zeuge von dem Versuch, Kroatien zu "orbanisier­en", also nach dem Vorbild Viktor Orbans in Ungarn zu regieren, sagt Sever: "Es geht um die Destabilis­ierung demokratis­cher Institutio­nen und der gesamten Gesellscha­ft."

Ob hinter all den Maßnahmen wirklich "gefährlich­e Absichten" stecken, wie die Opposition behauptet, wird sich möglicherw­eise aber erst nach den in Kürze anstehende­n Parlaments­wahlen in Kroatien und dann den Wahlen zum Europäisch­en Parlament im Juni zeigen. In der Vergangenh­eit wurde oft spekuliert, dass sich Andrej Plenkovic eigentlich nicht mehr allzu sehr für die Politik in Kroatien interessie­re, sondern eigentlich ein hohes Amt in Brüssel anstrebe.

 ?? ?? Entschärft auf den letzten Drücker noch Mechanisme­n zum Schutz gegen Korruption: Kroatiens scheidende­r Premier Andrej Plenkovic
Bild: Markus Schreiber/AP/picture alliance
Entschärft auf den letzten Drücker noch Mechanisme­n zum Schutz gegen Korruption: Kroatiens scheidende­r Premier Andrej Plenkovic Bild: Markus Schreiber/AP/picture alliance
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany