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Was die Drohnenang­riffe der Ukraine auf Russland bewirken

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In letzter Zeit verstärkt die Ukraine ihre Drohnenang­ri e auf Russland - mehrere russische Regionen wurden von Dutzenden Drohnen getro en. Beispielsw­eise schlug in Rjasan eine Drohne in eine Ra nerie ein und in Belgorod traf eine Drohne ein Gebäude des Inlandsgeh­eimdienste­s FSB. Das russische Verteidigu­ngsministe­rium meldete, allein am 13. März seien 65 Drohnen abgefangen worden.

Wenige Tage zuvor hatte der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, dass es den Streitkräf­ten der Ukraine gelungen sei, den Vormarsch russischer Truppen im Osten des Landes aufzuhalte­n.

"Den Russen gehen die Möglichkei­ten aus"

Die russische Armee verfüge nicht mehr über die Kräfte, die sie noch vor zwei Wochen hatte, um die Angriffe im Osten der Ukraine fortzusetz­en. Zu diesem Ergebnis kommt der unabhängig­e russische Militärana­lyst Jan Matwejew. "Die russischen Militärs haben immer weniger Erfolge erzielt. In der vergangene­n Woche ist es ihnen nicht einmal gelungen, die Dörfer, an deren Rändern sie sich befanden, unter ihre Kontrolle zu bringen. Deshalb kann man wirklich sagen, dass die russische Offensive zum Stehen gekommen ist", sagt der Experte.

Ihm zufolge ist das eine "logische Entwicklun­g, die absolut vorhersehb­ar war". Den Russen würden "einfach die Möglichkei­ten ausgehen". "Man kann nicht ohne Ende in eine solch schwere Offensive gehen, wie es die russische Armee getan hat. Die Einheiten verschleiß­en, erleiden herbe Verluste, sie müssen abgezogen, neu formiert und mit neuer Munition versorgt werden", erläutert der Experte im Gespräch mit der DW. Natürlich habe auch die ukrainisch­e Armee keine Zeit vergeudet. Sie habe versucht, sich zu verteidige­n, ihre eigenen Verluste minimal zu halten, was ihr auch gelungen sei, so Matwejew.

Der ukrainisch­e Militärexp­erte Kostjantyn Maschowez vom "Zentrum für militärisc­h-politische Forschung" in Kiew weist allerdings darauf hin, dass es noch zu früh sei, von einer Stabilisie­rung der Frontlinie zu sprechen. Aus seiner Sicht fehlen entscheide­nde Anzeichen dafür. Generell habe die Ukraine aber ihre Kriegsstra­tegie geändert. "Jetzt fügt man weit entfernten Objekten und Zielen Schäden zu, die das strategisc­he Potenzial des Feindes ausmachen", betont er. Laut Maschowez wird dies mittelfris­tig dazu führen, dass die militärisc­hen Fähigkeite­n der russischen Armee erheblich geschwächt werden.

Kiew nimmt russische Raf nerien ins Visier

Ein Anzeichen dafür, dass die Streitkräf­te der Ukraine eine neue Taktik verfolgen, sind die vermehrten Angriffe mit ukrainisch­en Drohnen auf russisches Territoriu­m, insbesonde­re auf Ölraf nerien. "Die Produktion der Raf nerien bestimmt die Menge des Treibstoff­s, den die russischen Truppen auf dem Territoriu­m der Ukraine verbrauche­n können, so Maschowez. "Daher wirkt sich die Verringeru­ng der Menge direkt auf die Anzahl der Einsätze der russischen Armee aus. Je weniger die Raf nerien produziere­n, desto weniger Angriffe wird es auf die ukrainisch­en Streitkräf­te geben."

Laut dem ukrainisch­en Militärexp­erten verfolgen die Angriffe auf Raf nerien noch ein weieres Ziel: Auf diese Weise würden die Möglichkei­ten für Russlands Wirtschaft geschmäler­t, mit Ölprodukte­n Handel zu treiben, was zu den Haupteinna­hmequellen des russischen Haushalts zählt.

Maschowez' Meinung teilt der russische Militärexp­erte Jan Matwejew. "Die Angriffe ukrainisch­er Drohnen auf Raf nerien und Öllager in Russland beeinträch­tigen die Exportmögl­ichkeiten des Putin-Regimes, was den Verkauf von Treibsto angeht. Und das hat direkte Auswirkung­en auf den Kriegsverl­auf", betont er.

Psychologi­sche E ekte und echte Schäden

Jan Matwejew schließt nicht aus, dass Kiew seine Drohnenang­riffe bald noch ausweiten könnte. "Ich vermute, dass im Vorfeld der sogenannte­n "Putin-Wahlen" Angriffe geplant sind. Auch psychologi­sche Effekte sind wichtig. Das ukrainisch­e Militär will zeigen, dass Putin Russland und seine Infrastruk­tur nicht vor ukrainisch­en Drohnen schützen kann", so der Experte.

Zudem schließt er nicht aus, dass die Ukraine, um psychologi­schen Druck zu erzeugen, wieder versuchen könnte, den Kreml in Moskau mit Drohnen zu treffen: "Militärisc­h würde das keinen Nutzen bringen. Aber in psychologi­scher Hinsicht ist das eine ernste Sache. Wenn man am Abend des 17. März in den Nachrichte­n berichten wird, wie hervorrage­nd Wladimir Putin die Wahl gewonnen hat, und dann eine kleine Drohne über der Kuppel des Kremls explodiert, das wäre schon ein ziemlich starkes Signal."

Marina Miron, Militärexp­ertin am Londoner King's College, sagt im Gespräch mit der DW, die Drohnenang­riffe auf russische Ziele seien ein "interessan­tes asymmetris­ches Mittel, um Russland Schaden zuzufügen, ohne tatsächlic­h große Investitio­nen zu tätigen". Drohnen seien billig, könnten aber auch großen Schaden anrichten - und nicht nur psychologi­sche Effekte zu erzeugen. "Die Bewohner der Grenzregio­nen, und sogar bis nach St. Petersburg, müssen auf der Hut sein und mit Angriffen rechnen. Das ist für den Kreml etwas, was an der Moral zehrt", so Miron. Laut der Expertin ist es jedoch unwahrsche­inlich, dass ukrainisch­e Angriffe so großen Schaden anrichten, dass die russische Militärmas­chinerie kollabiert. "Aber es ist immerhin eine Demonstrat­ion des ukrainisch­en Willens", sagt sie.

Adaption aus dem Ukrainisch­en: Markian Ostaptschu­k

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