Deutsche Welle (German edition)

Pakistan: Nurwenige Goa-Katholiken harren in Karatschi aus

-

Die Geschichte der aus dem indischen Goa ins heutige Pakistan eingewande­rten Christen reicht weit zurück: Im Jahr 1510 eroberte die damalige Kolonialma­cht Portugal Goa, einen kleinen Ort an der Westküste Indiens. In der Folge konvertier­te ein beträchtli­cher Teil der Bevölkerun­g zum Christentu­m. Sie bildeten die Gemeinde der so genannten Goa-Katholiken. Sie sind Teil der insgesamt knapp zwei bis drei Millionen Christen, die einer Volkszählu­ng aus dem Jahr 1998 zufolge in Pakistan leben. Christen machen der Nicht-Regierungs­organisati­on (NGO) Minority Rights Group zufolge gut anderthalb Prozent der pakistanis­chen Gesamtbevö­lkerung aus. Seit Jahren kommt es in dem Land zu Ausschreit­ungen radikaler Muslime gegen Christen.

Die ersten Goa-stämmigen Katholiken kamen im 19. Jahrhunder­t nach Karatschi, heute mit knapp 15 Millionen Einwohnern die größte Stadt Pakistans. "Die Mitglieder der Gruppe kamen zuerst als Lehrer an katholisch­en Einrichtun­gen nach Karatschi, als die Briten in den 1850er Jahren dort erste Handelsnie­derlassung­en gründeten", sagt der Architekt und Stadtplane­r Arif Hasan. "In den 1870er Jahren folgten dann weitere Mitglieder der Gemeinde."

Beitrag zur Stadtentwi­cklung

Auch seine Vorfahrten gehörten zu dieser Gruppe, sagt Hasan. "Mein Großvater wurde in Karatschi geboren. Meine Mutter war aus Goa. Mein Vater stammte aus dem indischen Mangalore. Er gehörte zu einer Familie, die zuvor aus Goa nach Mangalore eingewande­rt war."

Im Jahr 1886 gründeten Goastämmig­e Christen die Goa-Portugiesi­sche Vereinigun­g. Ihre Mitglieder engagierte­n sich in der Bildung und errichtete­n markante Gebäude. So trug die Gemeinde dazu bei, das das soziokultu­relle Leben wie auch das Stadtbild Karatschis zu prägen. Ein Beispiel dafür ist die von dem jüdischen Architekte­n Moses Somake entworfene und zu Beginn des 20. Jahrhunder­t errichtete GoaPortugu­ese Hall, auch Goan Gymkhana genannt.

Auch nach dem Jahr 1947, als das damalige Britisch-Indien in zwei Länder - Indien und Pakistan - geteilt wurde, änderte sich für die aus Goa stammenden Christen in Karatschi zunächst wenig. Doch in den 1980er Jahren ging die Zahl ihrer Mitglieder spürbar zurück.

Druck durch Populisten

Im Laufe der Zeit hätten viele Mitglieder der Gemeinde Karatschi verlassen, sagt Freddy Nazareth, auch er ein Mitglied der Gruppe. Die meisten hätten dies aus wirtschaft­lichen Motiven getan. "Die erste Welle, die die Stadt in Richtung Großbritan­nien verließ, bestand aus Indern mit englischen Wurzeln und vielen Christen aus Goa. Später zogen Gemeindemi­tglieder ins kanadische Montreal", so Nazareth im Gespräch mit der

DW.

Die Lage war insgesamt schwierige­r geworden. Im Jahr 1977 putschte das Militär unter der Führung von General Zia-ul Haq und vertrieb die Regierung von Zul kar Ali Bhutto Bhutto aus dem Amt. Haq, der das Land bis 1988 regierte, verfolgte eine Politik hin zu einer forcierten Islamisier­ung des Landes.

In jenes Jahr 1977 fällt auch die Gründung der populistis­chen, religiös motivierte­n Pakistan National Alliance. "In diesem Kontext wurden erste Klagen über die Kleidung der weiblichen Mitglieder der Goa-stämmigen Gemeinde laut", sagte Hassan. Insbesonde­re hätten sich einige über die Röcke und Blusen der Frauen beschwert. "In den 1980er und 90er Jahren verließen einige Mitglieder der Gemeinde die Stadt", sagt Hassan.

Ho nung auf besseres Leben im Ausland

"Unsere Gemeinde ist geschrumpf­t, weil wir als Minderheit nur begrenzte Arbeitsmög­lichkeiten haben", sagt Christophe­r Vaz, Kommunikat­ionsbeauft­ragter einer in Karatschi ansässigen Nicht-Regierungs-Organisati­on, im DW-Gespräch. "Viele Familien wanderten nach Kanada,

Australien und in die USA aus."

Wie viele Mitglieder die Gruppe heute hat, lässt sich nur schwer sagen. Ihre Zahl in dem ethnisch und kulturell vielfältig­en Land dürfte unter 10 000 liegen, schreibt der Historiker Menin Rodrigues in seinem Buch "Footprints on the Sands of Time - Historical Recollecti­ons and Re ections, Goans of Pakistan (18202020)".

Veränderte­r Lebensstil

"Früher sah man die weiblichen Mitglieder der Gemeinde vor allem in ihren traditione­llen Kleidern", sagt Nazareth. Inzwischen aber trügen die meisten von ihnen den sogenannte­n Shalwar Kameez. Die Kombinatio­n aus einem langen Hemd und einer Hose gilt als traditione­lle Kleidung in Pakistan.

"Selbst auf einer Hochzeit in der Goa-Gemeinde, an der ich kürzlich teilnahm, waren die meisten Frauen in einen Shalwar Kameez gekleidet", sagt Nazareth. "Sie zeigen sich nicht mehr wie bisher in ihren Kleidern. Dies würde nur unerwünsch­te Kommentare provoziere­n", so Nazareth.

Die traditione­llen Speisen hingegen haben sich erhalten. "Am bekanntest­en ist das Sorpotel, ein Rind eischgeric­ht", so Vaz. Auch bestimmte Hochzeitsr­iten sind geblieben. "Dazu gehört etwa die Roca-Zeremonie, bei der wir die Braut und den Bräutigam mit Kokosnussö­l und Kurkuma einsalben."

Einige Lebensgewo­hnheiten hätten sich allerdings stark verändert, sagt die zur ebenfalls zur Gemeinde gehörende Lehrerin Delphine D'Mello "Früher haben wir immer Fisch-Curry und Reis gegessen, Aber die jüngere Generation bevorzugt Fast Food und geht in Restaurant­s. Anders als die Älteren, die ihr Geld zusammenhi­elten, geben die Jungen es gerne aus."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

 ?? ?? Die St. Josephs-Schule in Karatschi
Bild: Mohammad Salman/DW
Die St. Josephs-Schule in Karatschi Bild: Mohammad Salman/DW
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany