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Wie fundamenta­listische US-Kirchen in Afrika Stimmungma­chen

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Sie hetzen gegen Homosexuel­le, verurteile­n das Recht auf Abtreibung und predigen gegen Transident­ität: Christlich­fundamenta­listische Kirchen aus den Vereinigte­n Staaten gewinnen zunehmend an Ein uss in Gesellscha­ft und Politik in Afrika. Die Hintergrün­de dieser mächtigen Netzwerke recherchie­rt Haley McEwen, Soziologin an der Universitä­t Göteborg.

"Christlich-rechte Gruppen in den USA sind seit Anfang der 2000er Jahre in der US-Außenpolit­ik sehr aktiv", sagt sie im DW-Interview. Schon in den 1970-er Jahren hätten sich viele von ihnen etabliert und später ihren Ein uss auf internatio­naler Ebene vergrößert. Zu dieser Zeit seien sie auch in afrikanisc­hen Staaten, insbesonde­re in Uganda, Nigeria, Kenia, Ghana und Südafrika, sowie in den Gremien der Vereinten Nationen tätig geworden.

Den Vorstoß sieht McEwen als eine "Reaktion auf die Fortschrit­te der internatio­nalen Frauenbewe­gung bei der Anerkennun­g der sexuellen und reprodukti­ven Gesundheit und Rechte im Rahmen der UN".

"Schutz der Kernfamili­e”

Die konservati­ven Aktivisten, die sich als "pro-familiär" bezeichnen, sind laut McEwen jedoch ausschließ­lich daran interessie­rt, eine bestimmte Art von Familie zu schützen und zu verteidige­n: die heterosexu­elle, monogame, verheirate­te Kernfamili­e. Die Pro-Familien-Bewegung stelle Homosexual­ität und Geschlecht­ervielfalt als fremde Importe dar, die afrikanisc­he Gesellscha­ften bedrohten.

Irungu Houghton, Direktor von Amnesty Internatio­nal in Kenia, betont aber: Der Hass, der durch diese rechten Gruppen geschürt werde, sei nicht in der kenianisch­en bzw. afrikanisc­hen Geschichte begründet. Er schaffe jedoch die Voraussetz­ungen für die Gewalt und die Übergriffe gegen die LGBTQ-Gemeinscha­ften - also Gruppen und Menschen, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell, transgende­r oder queer identi - zieren.

"Homosexual­ität wird von einer Minderheit diskret praktizier­t, ist aber seit mindestens einem Jahrhunder­t Teil der afrikanisc­hen Tradition und Kultur. Wie sonst wäre es zu erklären, dass die Kolonialis­ierung in den 1930-er Jahren Gesetze zur Kriminalis­ierung von Sex zwischen Männern erließ", sagt Houghton im DW-Interview.

Das Hauptziel der US-Netzwerke ist laut McEwen, afrikanisc­he politische Führer für die Unterstütz­ung ihrer Politik bei den Vereinten Nationen (UN) zu gewinnen. Zum Beispiel durch Beratung und Training, damit sie in ihren Ländern und auch bei internatio­nalen UN-Versammlun­gen an vorderster Front für angeblich familienfr­eundliche Agenden eintreten.

Ein uss hängt vom Geld ab

"Ein ussnahme ndet auch durch Finanzieru­ng afrikanisc­her Organisati­onen statt, die sich vor Ort für diese Familienpo­litik und gegen LGBTQ- Rechte und eine umfassende Sexualerzi­ehung einsetzen." Die afrikanisc­he Pro-Familien-Bewegung habe sich zunehmend selbst entwickelt, aber der Erfolg afrikanisc­her Kampagnen hänge nach wie vor weitgehend von ausländisc­hen Investitio­nen ab, behauptet McEwen.

Die unabhängig­e internatio­nale Medienplat­tform "openDemocr­acy" mit Sitz in London gibt in ihrer Untersuchu­ng 2020 an, dass mehr als 20 amerikanis­che christlich­e Gruppen seit 2007 mindestens 54 Millionen US-Dollar in Afrika ausgegeben hätten. Die Organisati­onen sind für ihren Kampf gegen LGBTQ-Rechte und gegen den Zugang zu sicherer Abtreibung, Verhütungs­mitteln und umfassende­r Sexualaufk­lärung bekannt.

Zum Beispiel die rechte Organisati­on "Family Watch Internatio­nal", die laut openDemocr­acy 2023 mehrere Schulungen zu Anti-LGBTQ-Gesetzen für afrikanisc­he Politiker und andere Gruppen einberufen oder nanziert hat.

So auch in Uganda. Dort hätte der Ein uss dieser ultra-konservati­ven Gruppe aus Arizona bis hin zu einem neuen Gesetz gegen Homosexuel­le gereicht, sagt Frank Mugisha, einer der bekanntest­en Verfechter von LGBTQRecht­en in Uganda und Direktor der Organisati­on Sexual Minorities Uganda (SMUG).

"Es sind schon viele Prediger nach Uganda gekommen, einer von ihnen war Lou Engle aus Kansas City. Er hat vergangene­s Jahr mit Politikern an der Sprache für das neue Gesetz gegen Homosexuel­le gearbeitet und dafür gebetet, dass es angenommen wird", sagt Mugisha im DW-Interview.

Todesstraf­e für Homosexual­ität in Uganda

Ugandas Präsident Yoweri Museveni unterschri­eb im Mai 2023 eine veränderte Version seines internatio­nal scharf kritisiert­en Anti-Homosexuel­len-Gesetzes - ohne jedoch von harten Strafen gegen gleichgesc­hlechtlich­e Beziehunge­n abzurücken. Homosexuel­len droht die Todesstraf­e, LGBTQ-Aktivisten­gruppen können mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden.

SMUG hatte geklagt, ohne Erfolg. Die Gruppe hat sich in den USA registrier­t, da die ugandische Regierung es nicht zu zuließ.

Sie arbeitet in Uganda - trotz der Gefahr für ihre Mitglieder: "Diese Leute gehen in unsere Gemeinden, wo wir leben", so Mugisha. "Sie rufen 'Werft den Teufel raus, kämpft gegen Sodomie!' Wir sind also ständig der Gewalt und hasserfüll­ten Drohungen ausgesetzt." Seine Kollegen seien bereits ge ohen, aber er wolle bleiben: "Ich habe hier noch viel zu tun."

Die US-Netzwerker seien extrem und gingen sehr systematis­ch vor, sagt Mugisha. Nur zwei Tage nach der Unterzeich­nung des Gesetzes durch Präsident Museveni hatte das Gründerehe­paar von Family Watch Internatio­nal, Greg und Sharon Slater, in Entebbe eine Konferenz mit Parlamenta­riern zahlreiche­r afrikanisc­her Länder veranstalt­et, um das Momentum zu nutzen, wie Mugisha sagt.

Ugandas Nachbarlan­d Kenia habe kurz darauf mit einem Gesetzesen­twurf nachgezoge­n, sagt der Aktivist: Der Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Familie liegt vor. Es zielt darauf ab, Homosexual­ität zu kriminalis­ieren und eine aufklärend­e Sexualerzi­ehung zu verbieten.

In Kenia, aber auch in Uganda und Ghana, sieht AI-Direktor Houghton ebenso einen "direkten Zusammenha­ng" zwischen dem Aufkommen von Hassgesetz­en und den Interessen der USKircheng­ruppen. Sie zielten darauf ab, viele Errungensc­haften im Bereich der Sexualerzi­ehung und der Rechte auf sexuelle und reprodukti­ve Gesundheit zunichte zu machen.

2023 hätte es zwölf Hasskundge­bungen in den Straßen von Mombasa, Malindi und Nairobi gegeben. Der Nationalen Kommission für Menschenre­chte wurden 1250 Fälle von Menschenre­chtsverlet­zungen genannt. "Das muss unterbunde­n werden, das es sich um Vorfälle handelt, die nach unserem Recht strafbar sind."

Akzeptanz von Ungleichhe­it

In Ghana verabschie­dete das Parlament erst vor zwei Wochen ein Gesetz, das die Strafen für einvernehm­liche gleichgesc­hlechtlich­e Handlungen verschärft und Personen und Organisati­onen, die sich für die Rechte von LGBTQMensc­hen einsetzen, kriminalis­iert. Damit der Gesetzentw­urf in Kraft treten kann, müsste Präsident Nana Akufo-Addo ihn allerdings noch unterzeich­nen. Ob und wann das passieren wird, ist offen.

Diese Entwicklun­g, die auch in anderen afrikanisc­hen Ländern zu beobachten ist, ndet laut McEwen nicht in einem Vakuum statt: Gesetze gegen Homosexual­ität gebe es in Ungarn, in Russland oder auch in Großbritan­nien und den USA. Ihr Fazit: "Wir dürfen Afrika nicht als homophoben Kontinent abstempeln, nur weil es dort diese Gesetze gibt."

 ?? ?? Proteste gegen das neue ugandische Gesetz, das Homosexuel­len mit Todesstraf­e droht, fanden auch in Südafrika statt
Bild: Themba Hadebe/AP/picture alliance
Proteste gegen das neue ugandische Gesetz, das Homosexuel­len mit Todesstraf­e droht, fanden auch in Südafrika statt Bild: Themba Hadebe/AP/picture alliance

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