Deutsche Welle (German edition)

Internatio­naler Frauentag: Die frühen Heldinnen der Frauenbewe­gung in Deutschlan­d

-

Ende des 18. Jahrhunder­ts begannen Frauen in Europa, mehr Rechte für sich einzuforde­rn. Schon damals beteiligte­n sie sich an revolution­ären Aktionen, vor allem in Frankreich, das nach der Revolution von 1789 den Boden für Menschenre­chte, Mitbestimm­ung und Gleichbere­chtigung bereitete. In Deutschlan­d sollte es noch ein gutes halbes Jahrhunder­t dauern, bis eine große Zahl von Frauen wirklich politisch wurde und sich äußerte.

Die Wegbereite­rin

1843 trat eine junge Frau namens Louise Otto-Peters an die Öffentlich­keit, die lautstark die Meinung vertrat. Ihr Credo: Die Teilnahme von Frauen an den Interessen des Staates sei "kein Recht, sondern eine P icht". Die damals erst 24-Jährige war schon als Teenager auf sich allein gestellt, wurde sie doch bereits mit 16 Jahren Vollwaise. Allerdings verfügte sie nach dem Tod ihrer Eltern über ein großes Vermögen. Sie erfüllte sich ihren Berufswuns­ch und wurde Schriftste­llerin, verfasste Gedichte, Essays, sozialkrit­ische Romane und journalist­ische Artikel. Letztere veröffentl­ichte sie unter dem männlichen Pseudonym Otto Stern. Die Regierung wurde auf sie aufmerksam und versuchte, sie mundtot zu machen. Doch Louise ließ sich nicht einschücht­ern und gründete 1865 den "Leipziger Frauenbild­ungsverein".

Im gleichen Jahr fand in Leipzig eine große Frauenkonf­erenz statt. Die Zeitungen schrieben damals verächtlic­h von der "Leipziger Frauenschl­acht" - das war den 120 Teilnehmer­innen ziemlich gleichgült­ig. Sie gründeten den Allgemeine­n Deutschen Frauenvere­in (ADF), dessen Vorsitz Louise Otto-Peters fast 30 Jahre lang inne hatte. Eine Initialzün­dung, die die Gründung zahlreiche­r Frauenvere­ine in Deutschlan­d nach sich zog. ganz

Schulbildu­ng für Mädchen

Erstes und wichtigste­s Ziel: Bildung für Frauen und Mädchen. Während eine ordentlich­e Schulbildu­ng für Jungen ganz normal war, mussten Mädchen aus Arbeitersc­hichten früh Geld verdienen; bürgerlich­e Töchter bereitete man auf das Eheleben vor. Mädchen, die lesen und schreiben konnten, konnten sich glücklich schätzen.Die Lehrerin Helene Lange nahm sich des Problems an und verfasste eine Petition an den preußische­n Schulminis­ter. Die Forderunge­n: verbessert­e Mädchenbil­dung, mehr Ein uss von Lehrerinne­n auf die Erziehung der Schülerinn­en, eine bessere Ausbildung für Lehrerinne­n. Doch die Frauenrech­tlerinnen brauchten einen langen Atem.

Schließlic­h gelang ihnen in den Jahren 1899 und 1900 die Zulassung von Frauen an deutschen Universitä­ten. Und 1908 wurde das Mädchensch­ulsystem zur Staatssach­e erklärt.

Das politische Bewusstsei­n wird stärker

Die junge Clara Eißner besuchte ein Lehrerinne­nseminar in Leipzig, lernte dort den Allgemeine­n Deutschen Frauenvere­in kennen und begann, sich zu engagieren. Was damals als skandalös galt: Sie lebte mit dem Russen Ossip Zetkin zusammen, ohne dass die beiden verheirate­t waren, nahm seinen Namen an und bekam von ihm zwei Söhne. Als Erzieherin trat sie in die Sozialisti­sche Arbeiterpa­rtei, die spätere SPD, ein und begann, für die vollständi­ge berufliche und gesellscha­ftliche Gleichbere­chtigung der Frau zu kämpfen. Sie gründete die Frauenzeit­schrift "Die Gleichheit". Clara Eißner alis Zetkin ist Vertreteri­n der proletaris­chen Frauenbewe­gung - im Gegenteil zur bürgerlich­en Frauenbewe­gung ging es hier vor allem um die Rechte der Arbeiterin­nen.

Sie initiierte 1910 mit dem Internatio­nalen Frauentag einen Kampftag für Gleichbere­chtigung, Demokratie, Frieden und Sozialismu­s. Der wurde 1911 erstmals begangen. Unter dem Motto: "Heraus mit dem Frauenwahl­recht!"

Das Recht, die Politik mitzubesti­mmen

Mitstreite­rinnen für das Frauenwahl­recht in Deutschlan­d waren auch Anita Augspurg und ihre Lebensgefä­hrtin Lida Gustava Heymann. Sie hatten 1902 den deutschen "Verein für Frauenstim­mrecht" gegründet.Augspurg und Heymann waren weniger friedferti­g als ihre deutschen "Schwestern" - sie wollten ihre Rechte mit den gleichen brutalen Mitteln einfordern wie die Suffragett­en in England, die ihren Forderunge­n mit Hungerstre­iks, Vandalismu­s und Großdemons­trationen Nachdruck verliehen.

Augspurg studierte Jura in der Schweiz - so etwas war Ende des 19. Jahrhunder­ts in Deutschlan­d undenkbar. Sie promoviert­e und hatte nun die nötigen juristisch­en Kenntnisse, um im Deutschen Reichstag für Reformen zu kämpfen.

Der Kampf trägt Früchte

Es gab Kooperatio­nen mit Vereinen aus anderen europäisch­en Ländern, die Suffragett­enbewegung in England war inzwischen so stark geworden, dass niemand mehr daran vorbei kam. Während Frauen in den Niederland­en und in Skandinavi­en zum Teil schon seit Jahren wählen durften, kämpften die Frauen in Deutschlan­d, Österreich, Polen und in England bis 1918 um ihr Wahlrecht, in anderen Ländern noch länger.

Am 30. November 1918, knapp drei Wochen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, verkündete die neue deutsche "Reichsregi­erung": "Alle Wahlen zu öffentlich­en Körperscha­ften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeine­n Wahlrecht auf Grund des proportion­alen Wahlsystem­s für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen." Umgesetzt wurde das neue Recht kurze Zeit später: im Januar 1919.

Dies ist die aktualisie­rte Fassung eines Artikels vom 8. März 2018.

 ?? ?? Helene Lange kämpfte dafür, auch Mädchen eine gute Schulbildu­ng zukommen zu lassen
Bild: dpa/picture alliance
Helene Lange kämpfte dafür, auch Mädchen eine gute Schulbildu­ng zukommen zu lassen Bild: dpa/picture alliance

Newspapers in German

Newspapers from Germany