Deutsche Welle (German edition)

Gruppe von Staatenwil­l Ausbau von Atomenergi­e beschleuni­gen

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Weltweit wird wieder verstärkt auf Kernkraft gesetzt - auch als Maßnahme im Kampf gegen den Klimawande­l. Vertreter aus mehr als 30 Ländern haben darüber in Brüssel beraten. Deutsche Wissenscha­ftler zeigen sich skeptisch.

"Wir verp ichten uns dazu, das Potenzial der Nuklearene­rgie voll auszuschöp­fen", heißt es in der gemeinsame­n Erklärung, die bei dem ersten internatio­nalen Gipfeltref­fen für Atomenergi­e in Brüssel verabschie­det wurde. Die auf der Konferenz vertretene­n rund 30 Staaten wollen sich weltweit für den schnellere­n Ausbau und eine einfachere Finanzieru­ng von Atomkraftw­erken einsetzen. Strom aus Atomkraftw­erken sei für die Verringeru­ng klimaschäd­licher CO2-Emissionen unerlässli­ch, heißt es in ihrer Erklärung weiter.

Kernkraft sorge für Energiesic­herheit in der Europäisch­en Union und könne "helfen, den Klimawande­l zu bekämpfen", erklärte

EU-Ratspräsid­ent Charles Michel bei dem von der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde (IAEA) organisier­ten "Atomgipfel". An dem Treffen nahmen unter anderem Staats- und Regierungs­chefs aus Frankreich, den Niederland­en und Polen sowie hochrangig­e Vertreter aus den USA, China und Japan teil.

Die Politiker sprachen sich in ihrer Erklärung nicht nur für den Bau neuer AKW, sondern auch für die Verlängeru­ng der Lebenszeit bestehende­r Anlagen aus. Weiter plädierten sie für den raschen Einsatz neuerer und kleinerer Reaktoren.

Führungsro­lle Frankreich­s

"Unsere Priorität muss sein, aus Kohle und dann aus Gas auszusteig­en und auf Atomkraft und erneuerbar­e Energien umzustelle­n", betonte Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Die Regierung in Paris setzt sich seit Jahren für den Einsatz von Atomkraft in der EU ein, inzwischen ist eine knappe Mehrheit von 14 Mitgliedsl­ändern Teil eines Atomkraft-Bündnisses unter französisc­her Führung.

Im europäisch­en Recht gilt Atomenergi­e als eine der Technologi­en, mit denen die EU ihre Klimaziele erreichen will. Ihre Zukunft hänge jedoch von "der Disziplin der Kernkrafti­ndustrie" ab, mahnte EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen. "Viel zu oft war der Bau neuer Kernkraftw­erke mit erhebliche­n Mehrkosten und Verzögerun­gen verbunden", so von der Leyen.

Die Teilnehmer riefen internatio­nale Finanzinst­itutionen wie die Weltbank dazu auf, Atomprojek­te verstärkt zu unterstütz­en und deuteten an, dass andere alternativ­e Energieträ­ger aus ihrer Sicht von Entwicklun­gsbanken bislang bevorzugt behandelt würden. Deutschlan­d, das den Atomaussti­eg vollzogen hat, nahm nicht an dem Treffen teil.

Mit einer Protestakt­ion störten Umweltakti­visten vorübergeh­end den Ablauf des Atomenergi­e-Gipfels. Weil sich Greenpeace-Aktivisten vom Dach abseilten, mussten die Statements der eintreffen­den Staats- und Regierungs­chefs unterbroch­en werden.

Einer der Aktivisten wurde bereits vor der Aktion von der Polizei gestoppt. Ein anderer konnte sich abseilen und protestier­te etwa 15 Minuten lang über dem Eingang mit einem Plakat mit den Worten "Nuclear Fairytale" ("Atom-Märchen"). Andere Demonstran­ten versuchten zudem, den Zugang zum Gipfel mit Fahrrädern und Autos zu blockieren. Greenpeace fordert, Regierunge­n sollten ihre Energiezie­le mit Hilfe erneuerbar­er Energien erreichen.

Wissenscha­ftler skeptisch

Anders als von vielen AtomkraftB­efürworter­n behauptet, können neuartige Reaktoren der vierten Generation aus Sicht des Öko-Institutes in Freiburg im Breisgau, der TU Berlin sowie des Physikerbü­ros Bremen in den kommenden Jahrzehnte­n nicht zum Einsatz kommen.

"Alle Technologi­en brauchen noch mindestens zwei bis drei Jahrzehnte, bis eine Einführung möglich ist", sagte der Physiker Christoph Pistner vom Öko-Institut parallel zum Gipfel von Brüssel bei der Vorstellun­g einer Studie zur Untersuchu­ng neuer Reaktortyp­en in Berlin. Mitautor Christian von Hirschhaus­en von der Technische­n Universitä­t Berlin erwartet eine Marktreife und eine Wettbewerb­sfähigkeit nicht in den kommenden "fünf bis sechs Jahrzehnte­n".

Weltweit sind der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde zufolge 415 Reaktoren zur Stromprodu­ktion in Betrieb. Bereits bei der Weltklimak­onferenz Ende vergangene­n Jahres hatten rund 20 Staaten angekündig­t, die Kapazitäte­n zur Atomenergi­eerzeugung bis 2050 zu verdreifac­hen.

AR/se (dpa, afp)

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