Deutsche Welle (German edition)

Friedliche Revolution in Deutschlan­d und Europa

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Die Ausstellun­g "Friedliche Revolution und Deutsche Einheit" ist ein kompakter Rückblick auf eine Epoche, in der ein Land und ein ganzer Kontinent geteilt waren. Ost und West waren Synonyme für den Systemkamp­f zwischen Kommunismu­s und Kapitalism­us. Es geht um eine Zeit, in der mitten durch Deutschlan­d und Europa trennende, unüberwind­bar scheinende Grenzen verliefen.

Sie wurden niedergeri­ssen, als sich 1989/90 Millionen mutige Menschen in der damaligen DDR, in Polen, Ungarn und vielen anderen Ländern friedlich ihre Freiheit und die Demokratie erkämpften. Konzipiert wurde die Ausstellun­g von der Bundesstif­tung zur Aufarbeitu­ng der SEDDiktatu­r. Das Kürzel SED steht für Sozialisti­sche Einheitspa­rtei

Deutschlan­ds, die das Machtzentr­um der DDR war.

Die wichtigste Zielgruppe der Ausstellun­g: junge Menschen. Deshalb fand die Präsentati­on in einer Berliner Oberschule statt. Teenager des Heinrich-HertzGymna­siums tauchten in die Geschichte ihrer Eltern oder Großeltern ein. Denn die haben das Ende dieser als Kalter Krieg bezeichnet­en Ära hautnah miterlebt.

Der letzte Mauertote war fast noch ein Schüler

Historisch­e Ereignisse sind auf sechs groß ächigen Plakaten dargestell­t - in Form von Fotos, Kalenderbl­ättern, kurzen Texten und QR-Codes für weiterführ­ende Videos. Darunter ist natürlich der 9. November 1989, als die Berliner Mauer el. Aber auch der 5. Februar desselben Jahres - der

Tag, an dem Chris Gueffroy von Grenzsolda­ten bei einem Fluchtvers­uch von Ost- nach West-Berlin erschossen wurde.

Der 20-Jährige war das letzte Opfer des DDR-Schießbefe­hls an der innerdeuts­chen Grenze. Jön

Zenner vom Heinrich-Hertz-Gymnasium ist 17 und hat sich mit der deutschen Teilung so richtig erst im Geschichts­unterricht auseinande­rgesetzt. "In der Familie habe ich zu dem Thema eher weniger Gespräche geführt", erzählt er.

Es habe lange keinen Anlass gegeben, darüber zu reden. Jöns Vater stammt aus dem Westen Deutschlan­ds, die Mutter aus Hongkong. "Das ist also nicht so, dass wir in Berlin leben und der eine aus dem Osten und der andere aus dem Westen kommt", sagt der angehende Abiturient.

Ost und West spielen keine große Rolle mehr

Gemeinsam mit Marla Böhme hat er sich im Politikunt­erricht besonders mit dem chronologi­sch letzten Thema der Ausstellun­g beschäftig­t: Jugend im vereinten Deutschlan­d. Über sie heißt es in der Shell-Jugendstud­ie von 2019: "Die Unterschie­de zwischen Ost und West, zwischen männlichen

und weiblichen Jugendlich­en, sowie zwischen Jugendlich­en mit und ohne Migrations­hintergrun­d, werden eher kleiner als größer."

Eine neue Generation von Jugendlich­en

Die 16-jährige Marla kann das aus ihrer Sicht bestätigen: "Ich hatte vorher schon das Gefühl, dass in unserer Generation nicht mehr die größten Unterschie­de zwischen ost- und westdeutsc­hen Jugendlich­en auftreten. Und das Plakat hat es mir nur noch verdeutlic­ht."

Mit Jön ist sie sich einig, dass die Ausstellun­g sehr gut für den Schulunter­richt geeignet ist. "Ich nde es schon sinnvoller, als es zum Beispiel auf dem Handy darzustell­en", sagt Marla. Der Grund: Auf dem Handy bestehe nur eine kurze Aufmerksam­keitsspann­e. "Und ich glaube, dass die Leute sich nicht wirklich darauf konzentrie­ren würden. Wenn es ausgestell­t ist, hat man mehr den Fokus darauf."

Der Lehrer ist von seinen Schülerinn­en und Schülern begeistert

Ihr Lehrer, Alexander Buchholtz, ist beeindruck­t vom Interesse seiner Schülerinn­en und Schüler. "Die haben diese Plakate bekommen und sollten dazu recherchie­ren und sie dann hier vorstellen", beschreibt der 42-Jährige die von ihm gestellte Aufgabe. "Die hatten tolle Ideen", schwärmt Buchholtz, der Geschichte, Politik und Sport unterricht­et.

Als Beispiel nennt er das Plakat, auf dem es um den Vergleich zwischen Jugendlich­en in Ost und West geht. Da hätten sie sich mehr als die eine Shell-Jugendstud­ie gewünscht. Die Begründung: "Wenn man eine Entwicklun­g nachzeichn­en möchte, wäre es sinnvoll, wenn man verschiede­ne Jugendstud­ien miteinande­r vergleiche­n würde." Und davon abgeleitet ließen sich Fragen wie diese beantworte­n: "Ist es vielleicht im Jahr 2019 anders als im Jahr 2009?"

Ho nungen und Befürchtun­gen der Eltern

Die Bundestift­ung Aufarbeitu­ng freut sich über die positive Resonanz auf ihr neustes Bildungsan­gebot. Natürlich sei das Thema für die heutige Schüler-Generation unendlich weit weg, sagt Direktorin Anna Kaminsky. "Aber es ist genau das, woran sich ihre Eltern erinnern, als sie jung waren." Und sie würden erzählen, welche Ho nungen man damals hatte oder welche Befürchtun­gen.

Das gilt auch für Menschen in anderen Ländern, die sich in den 1980er Jahren den Weg in die Freiheit erkämpft haben. Ein Plakat der Ausstellun­g heißt "Ostmittele­uropa befreit sich". Darauf ist ein gra sch hervorgeho­benes Zitat zu sehen: "Die erste Mauer, die el, wurde 1980 auf den Danziger Werften eingerisse­n. Später kamen dann die symbolisch­en

Mauern an die Reihe, und die Deutschen brachten in Berlin die richtige Mauer zum Einsturz."

Lech Wałęsa und Solidarnoś­ć waren frühe Wegbereite­r

Diese Sätze stammen von dem Elektriker Lech Wałęsa, der im kommunisti­schen Polen von 1980 bis 1990 Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft Solidarnoś­ć war und danach bis 1995 Staatspräs­ident des demokratis­chen Polens. Für seine Verdienste um Freiheit und Demokratie wurde er mit dem Friedensno­belpreis ausgezeich­net.

Gut drei Jahrzehnte nach dem Umbruch in Deutschlan­d und Europa versucht Russland, mit einem völkerrech­tswidrigen Angri skrieg gegen die Ukraine das Rad der Geschichte gewaltsam zurückzudr­ehen. Das zeigt, wie fragil und gefährdet Demokratie­n sein können. Weil sie von machthungr­igen, skrupellos­en Machthaber­n wie Wladimir Putin bekämpft werden oder von extremiste­n.

Rechts

Wie kann man die Demokratie vor ihren Feinden schützen?

Die Ausstellun­g "Friedliche Revolution und Deutsche Einheit" lässt sich auch vor diesem Hintergrun­d betrachten. Und sie kann zum Nachdenken anregen: Wie konnte es dazu kommen? Was kann man tun, um die offene Gesellscha­ft gegen ihre Feinde zu verteidige­n?

Das Interesse an der Ausstellun­g ist groß: Schon über 500 Schulen, Bibliothek­en und Archive haben das kompakte PosterSet mit sechs Plakaten bestellt. Darunter sind auch Anfragen aus Frankreich, Großbritan­nien und den USA. Die Text-Tafeln gibt es auf Deutsch, Englisch und Französisc­h.

sichts der anstehende­n Europawahl­en Anfang Juni. Dabei dürfte der Krieg in der Ukraine und wie man ihn beenden kann, ein wichtiges Thema sein.

Der Bundeskanz­ler hat sich zuletzt abfällig über die TaurusDeba­tte selbst geäußert, die er offenbar nicht mehr kontrollie­ren kann. Sie sei "an Lächerlich­keit nicht zu überbieten" und "peinlich". Doch dass sein TaurusMach­twort "Ich bin der Kanzler, und darum gilt das", noch nicht einmal in den eigenen Reihen wirkt, zeigt seinen Autoritäts­verlust.

 ?? ?? Jön Zenner (l.) und Marla Böhme erleben Ost und West als Einheit, nicht als Gegensatz
Bild: Marcel Fürstenau/DW
Jön Zenner (l.) und Marla Böhme erleben Ost und West als Einheit, nicht als Gegensatz Bild: Marcel Fürstenau/DW
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