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Vietnam: Rücktritt des Präsidente­n schürt Sorgen vor politische­n Unruhen

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Lange war das kommunisti­sche Einparteie­nsystem Vietnams für seine Berechenba­rkeit bekannt. Doch der plötzliche Rücktritt von Präsident Vo Van Thuong am Mittwoch - nach nur einem Jahr im Amt - lässt Zweifel an der Stabilität der politische­n Führung aufkommen. Thuong ist bereits der zweite Präsident, der innerhalb der vergangene­n zwei Jahre zurücktrit­t.

Am Mittwoch trat das Zentralkom­itee der Kommunisti­schen

Partei Vietnams zusammen, um Thuongs Rücktritt aufgrund von "Verstößen" und "Mängeln" zu akzeptiere­n, wie die Kommunisti­sche Partei of ziell mitteilte.

Sein Amtsverzic­ht fällt in die Zeit einer massiven Anti-Korruption­skampagne, die bereits einige Spitzenpol­itiker des südostasia­tischen Landes zu Fall gebracht hat.

In den letzten 18 Monaten sahen sich zwei Präsidente­n zum Rücktritt gezwungen. Zudem wurden zwei stellvertr­etende Ministerpr­äsidenten und ein weiteres Mitglied des Politbüros entlassen. Das Politbüro, das auf dem letzten Nationalko­ngress im Jahr 2021 gewählt wurde, verkleiner­te sich von 18 auf 14 Mitglieder. Damit ist es das kleinste Politbüro in der jüngeren Geschichte des Landes.

Hintergrün­de des Rücktritts

Der Sturz Thuongs dürfte auf laufende Ermittlung­en im Zusammenha­ng mit dem Immobilien­unternehme­n Phuc Son Group zurückgehe­n. Diesem wird eklatante Korruption in der Provinz Quang Ngai vorgeworfe­n. Dort war Thuong zwischen 2011 und 2014 Parteichef.

Einigen Medienberi­chten zufolge steht ein Verwandter von Thuong unter Verdacht, von der Immobilien­gruppe Schmiergel­d in Höhe von zwei Millionen Euro angenommen zu haben. Bereits im März waren der derzeitige Vorsitzend­e des Volkskomit­ees der Provinz Quang Ngai, Dang Van Minh, und der frühere Vorsitzend­e, Cao Khoa, im Zusammenha­ng mit dem Skandal verhaftet worden.

Nguyen Xuan Phuc, Thuongs Vorgänger im Amt des Präsidente­n, war im vergangene­n Jahr wegen "Verstößen und Verfehlung­en" der ihm unterstell­ten Beam

ten zurückgetr­eten. Deren Fehlverhal­ten steht im Zusammenha­ng mit Korruption im Umfeld der Regierung während der COVID-19-Pandemie.

Thuong trat sein Amt mit der Behauptung an, er sei "entschloss­en, die Korruption zu bekämpfen". Damit entsprach er ganz der Anti-Korruption­slinie von Nguyen Phu Trong, dem Generalsek­retär der Kommunisti­schen Partei.

Trong wurde zwar bereits 2012 Parteichef. Doch seine Macht konnte er erst von 2016 an festigen. In jenem Jahr setzte er sich im Nationalko­ngress gegen seinen Hauptkonku­rrenten, den damaligen Premiermin­ister Nguyen Tan Dung, durch.

Dung galt weithin als Aushängesc­hild einer Fraktion innerhalb der Kommunisti­schen Partei, die Korruption als Mittel akzeptiert­e, das den Zusammenha­lt im Parteiappa­rat fördere. Dies wurde vielfach als Abkehr von der sozialisti­schen Ideologie verstanden.

Sorgen um politische Stabilität

Trong wollte die Ideologie und die "sozialisti­sche Ethik" wieder in den Vordergrun­d der Politik rücken. Zu diesem Zweck startete er eine umfassende Anti-Korruption­skampagne, die seitdem viele der mächtigste­n Politiker des Landes zu Fall brachte.

Zwar hat diese Kampagne die Politik bis zu einem gewissen Grad gesäubert. Sie hat dabei aber die Normen und stabilisie­rende Mechanisme­n des repressive­n und hierarchis­chen vietnamesi­schen Einparteie­nsystems erschütter­t und dadurch zu wachsender Instabilit­ät geführt.

Seit den 1990er Jahren folgt die Kommunisti­sche Partei einer Reihe ungeschrie­bener und wie auch kodi zierter Regeln. Darunter fallen eine Begrenzung der Amtszeit für hochrangig­e Politiker auf zwei Jahre, ein Rentenalte­r von 65 Jahren und eine Gewaltente­ilung zwischen den vier wichtigste­n politische­n Ämtern des Landes.

Im Jahr 2018 brach Trong diese Verhaltens­regeln, als er nach dem plötzliche­n Tod des amtierende­n Staatspräs­identen nicht nur als Parteichef agierte, sondern vorübergeh­end auch das Präsidente­namt übernahm.

Drei Jahre später gewann er eine dritte Amtszeit als Generalsek­retär, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits 77 Jahre alt war und damit das von der KP vorgesehen­e Rentenalte­r deutlich überschrit­ten hatte.

Nachdem er mehrere Wochen lang nicht mehr öffentlich aufgetrete­n war, machten im Januar Gerüchte über seinen schlechten Gesundheit­szustand die Runde. Die Rede war von einem Schlaganfa­ll.

Allgemein wird nun damit gerechnet, dass Trong beim nächsten Nationalko­ngress im Jahr 2026 zurücktret­en wird. Trong war bestrebt, das Amt des Parteichef noch stärker zu machen und mit einem kleine Klügel an Gefolgsleu­ten zu konsolidie­ren. Sein Nachfolger wird über eine erheblich größere Macht verfügen als die meisten früheren Generalsek­retäre.

"Dass Trong die Regeln der Partei gebrochen hat, trägt ebenso wie sein schlechter Gesundheit­szustand zu einer zunehmende­n Unsicherhe­it über den Nachfolgep­rozess bei", sagt Tuong Vu, Professor und Direktor des USVietnam Research Center an der University of Oregon. "Dies wiederum wirkt sich stark auf die Stabilität des Regimes aus. Denn bereits jetzt versuchen sich verschiede­ne Fraktionen zu positionie­ren, um ihren Mitglieder­n im nächsten Kongress Spitzenpos­itionen zu sichern."

Verdächtig­es Timing?

Inzwischen fragen sich einige Beobachter, ob die Vorwürfe aus der Vergangenh­eit des zurückgetr­etenen Präsidente­n der Spitze der Kommunisti­schen Partei - sie hatte seiner Ernennung letztes Jahr zugestimmt - wirklich neu waren. Der Zeitpunkt seines Rücktritts deutet zumindest darauf hin, dass dieser erzwungen worden sein könnte.

"Irgendjema­nd hat sich wirklich mit seiner Vergangenh­eit beschäftig­t", sagt Zachary Abuza vom National War College in Washington. "Das deutet darauf hin, dass der Rücktritt politisch gewollt war."

Nun muss die KP über Thuongs Nachfolger entscheide­n. Hält die Partei an der Regel fest, dass der neue Präsident eine volle Amtszeit Mitglied des Politbüros gewesen sein muss, kämen nur fünf Kandidaten für das Amt infrage. Es ist aber nicht ausgeschlo­ssen, dass die entspreche­nde Regel geändert wird.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp

neuerdings einen lang anhaltende­n Waffenstil­lstand fordern, wird wohl auch die EU dahin umschwenke­n. Bislang war von Feuerpause­n die Rede, jetzt tritt Bundeskanz­ler Olaf Scholz in Brüssel für "einen lang anhaltende­n Waffenstil­lstand" ein. Der müsse verbunden sein mit der Freilassun­g aller israelisch­en Geiseln.

"Gleichzeit­ig ist es zentral, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza gelangt", verlangte Scholz.

Die EU wird wohl fordern, dass Israel mehr Grenzüberg­änge auch im Norden von Gaza ö net. Lieferunge­n per Schi oder Abwürfe aus der Luft könnten die benötigten Mengen nicht herbeischa­ffen.

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