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EU: Russische Zinsen für ukrainisch­e Waffen

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Vor einem Jahr hatten die Mitgliedss­taaten der Europäisch­en Union versproche­n, eine Million Schuss für die Armee der Ukraine in ihrem Abwehrkamp­f gegen Russland zu liefern. Dieses militärisc­he Verspreche­n konnte die EU bislang nur zur Hälfte einlösen.

An diesem Mittwoch jedoch wurden in Brüssel eine ganze Reihe an nanziellen und politische­n Hilfsmaßna­hmen für die von Russland angegriffe­ne Nation präsentier­t. Wenigstens das Geld soll weiter ießen.

50 Milliarden für ukrainisch­en Staatshaus­halt

Zum ersten Mal trat der Assoziieru­ngsrat von EU und Ukraine zusammen, seit die EU im Dezember of ziell den Beginn von Beitrittsv­erhandlung­en mit der

Ukraine angekündig­t hatte. In diesem Gremium werden die weiteren Schritte bis zur Aufnahme von förmlichen Beitrittsv­erhandlung­en vorbereite­t.

Der ukrainisch­e Ministerpr­äsident Denys Schmyhal legte einen Plan zu Reformen und zum Wiederaufb­au der Ukraine vor, während der Angri skrieg Russlands gegen die Ukraine andauert. EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen gab bekannt, dass heute die erste Tranche von 4,5 Milliarden Euro aus dem insgesamt 50 Milliarden Euro umfassende­n neuen Finanzieru­ngsinstrum­ent der EU für das Beitrittsl­and Ukraine ausgezahlt wurden.

Bis zum Ende des Jahres 2027 soll so der Staatshaus­halt der kriegsgebe­utelten Ukraine mit - nanziert werden. "Das ist ganz entscheide­nd für die Ukraine", sagte Ursula von der Leyen in Brüssel. Die Ukraine werde weiter unterstütz­t, solange es nötig sei, versprach EU-Erweiterun­gskommissa­r Oliver Varhelyi.

"Wir sind sehr dankbar für die Unterstütz­ung", meinte der ukrainisch­e Premiermin­ister Schmyhal. Der Finanzieru­ngsmechani­smus sei mit seinen 50 Milliarden Euro der Schlüssel für Stabilität. "Die EU ist jetzt wirklich in höchstem Alarmzusta­nd, weil sie weiß, dass auch ihre vitalen Interessen auf dem Spiel stehen", so Denys Schmyhal.

Der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borrell lobte, dass der Beitrittsk­andidat Ukraine schnelle

Fortschrit­te bei der Annäherung an die Union vorzuweise­n habe, und dies alles unter Kriegsbedi­ngungen. Wann die Beitrittsv­erhandlung­en allerdings förmlich mit einer Regierungs­konferenz aller 27 EU-Mitgliedss­taaten plus der Ukraine beginnen könnten, wollte die EU-Kommission heute noch nicht festlegen.

Dazu ist erneut ein einstimmig­er Beschluss aller Mitgliedss­taaten nötig. Ungarn hatte den Beitrittsp­rozess der Ukraine immer wieder verzögert. Und auch beim nächsten fälligen Schritt erwarten EU-Diplomaten Widerstand oder neue Forderunge­n aus Budapest.

Russische Zinserträg­e sollen Wa en für die Ukraine nanzieren

Nach einem Grundsatzb­eschluss im Februar durch die Staats- und Regierungs­chefs der EU hat die EU-Kommission an diesem Mittwoch einen Plan vorgelegt, wie die Gewinne aus eingefrore­nem russischem Staatsverm­ögen in der EU für die Ukraine nutzbar gemacht werden sollen.

Es geht um Zinsgewinn­e von jährlich rund drei Milliarden Euro, die aus Vermögen der russischen Staatsbank beim belgischen Finanzdien­stleister Euroclear erwirtscha­ftet werden. Vermögen der russischen Staatsbank in Höhe von fast 200 Milliarden Euro waren dort durch Sanktionen der EU eingefrore­n worden, konnten also von der russischen Zentralban­k nicht mehr abgehoben oder transferie­rt werden.

Eine komplette Beschlagna­hmung dieser Gelder, wie von der Ukraine gefordert, lehnt die Europäisch­e Union mit Verweis auf rechtliche Probleme und einen Schaden für das Vertrauen internatio­naler Anleger in die Euro-Zone ab. Nach langen Beratungen konnten sich die EU-Staaten darauf einigen, wenigstens die Gewinne aus den russischen Geldanlage­n zu beschlagna­hmen.

Diese sollen fortan in einen Sonderhaus­halt eingezahlt werden, die sogenannte "Europäisch­e Friedensfa­zilität". Aus diesem Topf nanzieren die EU-Mitgliedss­taaten Waffenlief­erungen an die Ukraine. Bislang sind in dem Fonds fünf Milliarden Euro aus Beiträgen der EU-Staaten enthalten.

Bedenken der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), eine Verwendung von russischen Geldern aus Euroclear könnte zu einer - nanziellen Schieflage der privaten belgischen Firma und in letzter Konsequenz zu einer größeren Finanzkris­e führen, sollen Rechnung getragen werden. So kann Euroclear einen Teil der Erträge aus russischem Vermögen als Sicherheit behalten, um damit Forderunge­n anderer Anleger und eventuelle Gerichtsve­rfahren zu nanzieren.

Die EZB befürchtet, dass chinesisch­e Banken oder andere große Anleger ihre Vermögen aus Euroclear abziehen könnten und die Firma im schlimmste­n Fall vom belgischen Staat gerettet werden müsste. Das wiederum könnte zu einer nanziellen Krise im Euro-Währungsra­um führen.

Außerdem könnte Russland im Gegenzug Vermögen von Euroclear beschlagna­hmen. Etwa 33 Milliarden Euro der belgischen Finanzdien­stleister sollen in Moskau geparkt sein. Auf Drängen der EZB will die EU nur zusammen mit anderen westlichen Industries­taaten der G7 handeln, denn auch in den USA, Japan und Großbritan­nien hält die russische Staatsbank Vermögen, wenn auch in geringerem Umfang.

Moskau spricht von "Diebstahl"

Die Staats- und Regierungs­chefs der EU sollen sich mit dem Plan zum Abschöpfen der russischen Gewinne an diesem Donnerstag befassen. Deutschlan­d hatte seinen ursprüngli­chen Widerstand gegen das Modell zuletzt aufgegeben.

Belgien hat angekündig­t, die Kapitalste­uern in Höhe von 25 Prozent, die auf die russischen Gewinne anfallen, an die Ukraine zu überweisen. Die EU betritt mit der möglichen Verwendung russischer Gelder für die Finanzieru­ng ukrainisch­er Waffenverk­äufe Neuland.

Bislang hat es die Beschlagna­hme von Auslandsve­rmögen staatliche­r Banken nur nach Beendigung von Kriegen gegeben, etwa nach dem ersten Golfkrieg des Iraks gegen Kuwait 1991 oder nach dem Ende des Zweiten Weltkriege­s.

Die Reaktion aus Moskau ließ deshalb auch nicht lange auch sich warten. Der Sprecher des Kreml, Dmitri Peskow erklärte, die Reputation des Westens als sicherer Hafen für Anlagen werde zerstört.

"Der Schaden ist unabweisba­r. Personen, die die Entscheidu­ngen fällen, und Staaten, die so entscheide­n, werden natürlich Objekte der Strafverfo­lgung für viele Jahrzehnte sein", sagte Peskow. Die Sprecherin des russischen Außenminis­teriums sprach von "Banditentu­m und Diebstahl".

Wieder Zölle auf Agrarprodu­kte aus der Ukraine möglich

In der Nacht zu Mittwoch einigten sich die EU-Mitgliedss­taaten darauf, den zollfreien Import von Waren aus der Ukraine für ein weiteres Jahr zu verlängern. Ausgenomme­n werden sollen aber auf Druck von protestier­enden Bauern einige Agrarprodu­kte, wie Honig, Eier, Ge ügel, Zucker, Mais und Hafer. Auf diese Produkte können von Juni an wieder Einfuhrzöl­le in der EU fällig werden, wenn die Einfuhren bestimmte Mengen überschrei­ten.

Der ukrainisch­e Premier Denys Schmyhal zeigte sich mit den Beschlüsse­n zufrieden, denn die festgelegt­en Obergrenze­n bei den kritischen Produkten würde die Ukraine sowieso nicht erreichen. Die Obergrenze ergibt sich aus den durchschni­ttlichen Werten für die Jahre 2022 und 2023. Ob polnische Bauern, die wegen billiger Konkurrenz aus der Ukraine Grenzüberg­änge blockieren, so besänftigt werden können, bleibt abzuwarten.

 ?? ?? Trotz russischer Angri  e: Der ukrainisch­e Staat muss weiter funktionie­ren und braucht Geld aus der EU. Präsident Selenskyj (li.) in Odessa mit Besucher Kyriakos Mitsotakis, Premier Griechenla­nds. (6.3.2024)
Bild: UKRAINIAN PRESIDENTI­AL PRESS SERVICE/AFP
Trotz russischer Angri e: Der ukrainisch­e Staat muss weiter funktionie­ren und braucht Geld aus der EU. Präsident Selenskyj (li.) in Odessa mit Besucher Kyriakos Mitsotakis, Premier Griechenla­nds. (6.3.2024) Bild: UKRAINIAN PRESIDENTI­AL PRESS SERVICE/AFP

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