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Senegal: Wahlenmit Vuvuzelas

- Bild: SEYLLOU/AFP/Getty Images Zu diesem Artikel hat Robert Ade in Dakar beigetrage­n. Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

An diesem Sonntag wurde im Senegal gewählt. Der Wahlkampf war voller Schwung, mit Kundgebung­en, Autokorsos und Politikern, die von Tür zu Tür gingen, um die Wähler für sich zu gewinnen.

Weil die ursprüngli­ch für Februar angesetzte­n Wahlen verschoben wurden, verkürzte sich die Zeit für die of zielle Wahlkampag­ne. So blieben den 19 Kandidaten, die sich um das Präsidente­namt in dem westafrika­nischen Land bewerben, nur zwei Wochen, die mehr als sieben Millionen registrier­ten Wähler von sich zu überzeugen.

Bassirou Diomaye Faye, einer der Spitzenkan­didaten in dieser Wahl, hatte noch weniger Zeit. Er war seit April 2023 inhaftiert und konnte das Gefängnis im Rahmen eines Amnestieab­kommens erst am Donnerstag in der Woche vor den Wahlen verlassen. So blieb ihm nur wenig mehr als eine Woche für persönlich­e Begegnunge­n mit den Wählern.

Amadou Ba, Macky Salls Wunschkand­idat

Präsident Macky Sall sähe es am liebsten, wenn ihm Amadou Ba im Amt folgen würde. Dieser trat dafür von seinem Amt als Premiermin­ister zurück, um für die Präsidents­chaft zu kandidiere­n.

Der 62-Jährige, der auf eine lange Karriere im Staatsdien­st zurückblic­ken kann und auch schon das Amt des Wirtschaft­s- und des Außenminis­ters bekleidete, ist mit dem Slogan "Prosperity Shared" ( Gemeinsame­r Wohlstand) angetreten.

Bevor Sall die Wahlen im Februar unvermitte­lt aussetzte, wurde Ba allgemein als wahrschein­licher Gewinner betrachtet. Doch die Verschiebu­ng der Wahlen schürte die schwelende Verdrossen­heit der Menschen mit der regierende­n Benno-Bokk-Ya

kaar-Koalition nur noch weiter.

Ba habe die Wähler nicht begeistern können, schreibt Amy Niang vom "Council for the Developmen­t of Social Science Research in Africa", einem regierungs­unabhängig­en Forschungs­institut, in einem Artikel in der OnlinePubl­ikation The Conversati­on.

Dort heißt es: "Ba steht für den Status Quo. Er ist ein wohlhabend­er Kandidat, dem es schwer fällt, die verarmte Wählerscha­ft davon zu überzeugen, dass er der Aufgabe gewachsen ist."

Trotz massiver Investitio­nen in den Gas- und Ölsektor des Landes mit 18 Millionen Einwohnern leben drei von fünf Senegalese­n unterhalb der Armutsgren­ze.

Bassirou Diomaye Faye: viele Monate in Haft

Der erst kurz vor der Wahl aus der Haft entlassene Kandidat Faye wiederum war wegen Missachtun­g des Gerichts, Verleumdun­g und möglicher Gefährdung des öffentlich­en Friedens angeklagt worden.

Die Veröffentl­ichung einer Nachricht, die als kritisch gegenüber dem Justizsyst­em des Landes angesehen wurde, hatte im April 2023 zu seiner Verhaftung geführt.

Der 49-jährige Steuerprüf­er wurde einer größeren Öffentlich­keit erst durch die Unterstütz­ung des charismati­schen Opposition­spolitiker­s Ousmane Sonko bekannt. Der war im vergangene­n Jahr ebenfalls inhaftiert worden und wurde am Donnerstag, dem 14. März zusammen mit Faye freigelass­en.

Sonko galt als wichtigste­r Herausford­erer der Regierungs­partei von Macky Sall. Aufgrund einer Verurteilu­ng wegen Verleumdun­g wurde er jedoch von der Kandidatur ausgeschlo­ssen. Im Volk genießt er weiterhin breite Unterstütz­ung.

Tausende von Unterstütz­ern strömten auf die Straßen der Hauptstadt Dakar, um seine Freilassun­g zu feiern. Autos hupten und singende und tanzende Menschen riefen "Sonko, wir haben dich vermisst". Wahlplakat­e mit dem Slogan "Diomaye ist Sonko" zeigen nun Sonko und Faye Seite an Seite.

Bassirou Diomaye Faye hat nicht nur versproche­n, die Korruption zu bekämpfen, er will auch Verträge zwischen der Regierung und Unternehme­n in zahlreiche­n Bereichen, von Energie über Bergbau bis zu Fischerei, neu verhandeln.

Seine Unterstütz­ung durch Sonko sendet ein Signal der Ho - nung, denn Sonko ist bei den jungen Menschen in den Städten beliebt, die vom Mangel an Arbeitsplä­tzen und die wirtschaft­lichen Not frustriert ist. Etwa 60 Prozent der senegalesi­schen Bevölkerun­g ist jünger als 35 Jahre.

Schon vor seiner unerwartet­en Entlassung aus dem Gefängnis gingen die Wahlkämpfe­r seiner Partei von Tür zu Tür, um um Stimmen zu werben. "Jeden Abend zwischen 18 und 22 Uhr, klopften wir an die Türen", erzählt Fatou Bintou Sarr der DW. Sie leitet in der Gemeinde von Pikine Nord in der Nähe von Dakar die Kampagne der Frauen. "Wir waren bereits in der gesamten Gemeinde. Jetzt müssen wir die Leute nur noch motivieren, wählen zu gehen."

Unter den Kandidaten ist nur eine Frau

Zu den 19 Kandidaten zählen auch der 63-jährige ehemalige Premiermin­ister Idrissa Seck, der bei den Wahlen 2019 auf dem zweiten Platz landete, sowie Khalifa Sall, 68, der zweimal Bürgermeis­ter von Dakar war und nicht mit dem Präsidente­n verwandt ist, und - als einzige Frau - die 40jährige Unternehme­rin Anta Babacar Ngom.

"Man kann nicht über die Entwicklun­g des Senegal sprechen, ohne über Frauen und junge Menschen zu sprechen", sagt Fatou Sylla, die für Ngoms Wahlkampag­ne arbeitet, zur DW. "Sie ist nicht nur eine Frau, sie ist auch jung und Unternehme­rin. Wir sind sehr stolz."

Erstmals wird im Fastenmona­t Ramadan gewählt

Zum ersten Mal wird in dem überwiegen­d muslimisch­en Land während des Ramadan gewählt, für Muslime weltweit ein Monat des Fastens, Betens und der inneren Einkehr. Iman Moctar Ndiaye von der Großmosche­e "Liberte 6" in Senegals Hauptstadt Dakar ndet mahnende Worte für seine Landsleute während des Wahlkampfe­s.

"Niemand sollte das Fasten brechen und untertags in Autokolonn­en herumfahre­n, mit Beleidigun­gen um sich werfen und sich so verhalten, dass der soziale Frieden und die Stabilität des Landes gefährdet wird", erklärte er.

Wahlexpert­e El Hadji Saidou Nourou Dia befürchtet, dass es mitten im Ramadan schwierig wird, eine hohe Wahlbeteil­igung zu erreichen. "Aber wenn jeder Senegalese gewillt ist, zur Entwicklun­g des Landes beizutrage­n, sollte das Fasten einen nicht davon abhalten, zur Wahl zu gehen. Jeder einzelne von uns sollte die Verantwort­ung dafür tragen, welchen Präsident wir wählen", sagt er zur DW.

Warum blickt die Welt auf den Senegal?

Seit der Senegal 1960 die Unabhängig­keit von Frankreich errang, werden regelmäßig Wahlen abgehalten. Zu einem Staatsstre­ich kam es nie. Das macht den Senegal zu einem Bollwerk der Stabilität in einer ansonsten instabilen Region, die in den vergangene­n Jahren durch militärisc­he Machtübern­ahmen in Mali, Burkina Faso, Guinea und Niger erschütter­t wurde und durch eine sich verschlech­ternde Sicherheit­slage und wachsenden islamistis­chen Terror gezeichnet ist.

Die Verschiebu­ng der für den

25. Februar geplanten Wahlen stürzte den Senegal jedoch zunächst in eine politische Krise. Denn acht Stunden vor dem of - ziellen Beginn des Wahlkampfs hatte der scheidende Präsident Sall die Wahlen abgesagt und damit gewaltsame Proteste und Festnahmen ausgelöst.

Der Verfassung­srat, die oberste Wahlbehörd­e des Senegal, machte Salls Entscheidu­ng, die Wahlen bis in den Dezember zu schieben, allerdings wieder rückgängig und entschied, dass sie vor dem Ende seiner Amtszeit am

2. April abzuhalten seien.

Für Djibril Gningue, Exekutivdi­rektor der Plattform der zivilgesel­lschaftlic­hen Akteure für die Transparen­z der Wahlen im Senegal, besteht die Herausford­erung für sein Land nun in der Rückkehr zu, "friedliche­n, ehrlichen und transparen­ten Wahlen, die dem Wahlkalend­er folgen".

Mit Wahlergebn­issen wird erst in den Tagen nach der Wahl gerechnet. Erhält keiner der 19 Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen, kommt es zu einer Stichwahl.

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Präsident Macky Sall (r.) ho t, dass Amadou Ba (l.) seine Nachfolge antritt

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