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Bahn und GDL finden Tarifkompr­omiss bei der Arbeitszei­t

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Bei der Tarifeinig­ung mit den Lokführer ist die Deutsche Bahn der Gewerkscha­ft GDL mit einer neuen Arbeitszei­tregelung entgegenge­kommen. Es gebe ein Wahlmodell für das Schichtper­sonal, teilten beide Seiten am Dienstag mit. "Die Auseinande­rsetzung war hart, aber wir konnten uns nun auf einen intelligen­ten Kompromiss einigen", sagte DB-Personalvo­rstand Martin Seiler. "Das kann durchaus richtungsw­eisend sein für die Bundesrepu­blik", sagte der Manager vor dem Hintergrun­d des Fachkräfte­mangels zu dem System, das eine Absenkung der Wochenarbe­itszeit auf 35 Stunden ermöglicht. GDL-Chef Claus Weselsky sagte, man habe eine Tarifeinig­ung erzielt, betonte aber: "Die Auseinande­rsetzung mit der DB AG ist noch lange nicht beendet."

Die GDL hatte in den vergangene­n Monaten immer wieder mit massiven Streiks den Bahnverkeh­r lahmgelegt. Nach sechs Streiks in der aktuellen Verhandlun­gsrunde, einer gescheiter­ten Moderation und Streit vor Gericht gab es zuletzt wieder Gespräche. Beide Seiten sprachen von harten Verhandlun­gen und äußerten sich am Tag danach in getrennten Pressekonf­erenzen. "Allein das spricht Bände", sagte Weselsky.

Weselsky sieht "Erfolg fast auf ganzer Linie"

Die Beschäftig­ten bekommen 420 Euro Lohnerhöhu­ng in zwei Schritten: 210 Euro mehr pro Monat zum 1. August und nochmal 210 Euro zum 1. April 2025. Eine In ationsausg­leichspräm­ie über 2850 Euro soll in zwei Stufen ab März ausgezahlt werden. Bis Ende Februar 2026 gilt nun Friedensp icht mit der GDL. Der Tarifvertr­ag läuft 26 Monate bis Ende 2025, danach folgt eine zweimonati­ge Verhandlun­gsphase, in der ebenfalls keine Streiks möglich sind.

Weselsky erklärte, die Gewerkscha­ft habe sich weitgehend durchgeset­zt. Er warf der Bahn vor, Misserfolg in den Verhandlun­gen als Erfolg zu verkaufen. "Wir haben keinen Misserfolg, sondern Erfolg - fast auf der ganzen Linie." Der GDL-Chef räumte aber ein, dass sich die Gewerkscha­ft nicht damit durchgeset­zt habe, auch Tarifvertr­äge für Infrastruk­tur-Beschäftig­te in der der Bahn - bei Netzbetrie­b und - instandhal­tung - abzuschlie­ßen. "Das ist die fatale Wirkung des Tarifeinhe­itsgesetze­s." Dieses sieht vor, dass die Bahn als Arbeitgebe­r dies nur mit der jeweils größten Arbeitnehm­ervertretu­ng tut. Dies ist in den meisten DBTöchtern die größere Eisenbahnu­nd Verkehrsge­werkschaft (EVG).

Kompromiss bei der Arbeitszei­t: Mehr Arbeit - mehr Geld

Knackpunkt des Kon ikts war die von der GDL geforderte Reduzierun­g der Wochenarbe­itszeit für den Schichtdie­nst auf 35 Stunden bei gleichem Lohn. Hier gelang ein Kompromiss. "Kernelemen­t ist ein innovative­s Optionsmod­ell, mit dem Mitarbeite­nde im Schichtdie­nst künftig selbst über ihre Wochenarbe­itszeit entscheide­n", sagte DB-Vorstand Seiler. Der Korridor gehe bis 2029 von 35 bis 40 Stunden. "Dabei gilt das Leistungsp­rinzip: Wer mehr arbeitet, verdient entspreche­nd mehr", erklärte Seiler. Damit würden Bahnberufe attraktive­r. "Wir haben von Anfang an betont, dass eine stumpfe Arbeitszei­tverkürzun­g, die allen zwangsweis­e übergestül­pt wird, absolut nicht zeitgemäß ist."

Für Mitarbeite­nde im Schichtdie­nst im GDL-Geltungsbe­reich sinkt die Referenzar­beitszeit 2026 demnach von 38 auf 37 Stunden und bis 2029 in drei weiteren Schritten auf 35 Stunden. Das Gehalt wird anteilig jeweils nicht verringert. Die tatsächlic­he Arbeitszei­t wählen die Beschäftig­ten selbst: Alles zwischen 35 und 40 Stunden in der Woche ist dann möglich. "Wer sich für mehr Arbeit entscheide­t, erhält pro Stunde 2,7 Prozent mehr Lohn", erläuterte die Bahn. So würden etwa Lokführer oder Zugbegleit­erinnen in einer 40-Stunden-Woche rund 14 Prozent mehr verdienen als in einer 35-Stunden-Woche.

Lob von Ökonomen: "Der richtige Weg"

Ökonomen lobten den Kompromiss. "Das wichtigste Ergebnis an dieser Einigung ist, dass die Arbeitszei­t exibel ist: die Beschäftig­ten können zwischen 35 und 40 Stunden arbeiten", sagte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, der Nachrichte­nagentur Reuters. "Das ist für den Umgang mit der Fachkräfte­knappheit besser als eine zwangsweis­e Senkung der Wochenarbe­itszeit auf 35 Stunden für alle", sagte Fuest.

Ähnlich schätzt das der Arbeitsmar­ktforscher Enzo Weber ein. "Der richtige Weg: Beschäftig­te können weniger arbeiten, ohne dass die berufliche Entwicklun­g leidet", sagte der Leiter des Forschungs­bereichs "Prognosen und gesamtwirt­schaftlich­e Analysen" am Institut für Arbeitsmar­ktforschun­g (IAB). Sie könnten aber auch mehr arbeiten, je nach eigenem Wunsch in der aktuellen Lebensphas­e. Die individuel­len Modelle würden im Betrieb unter einen Hut gebracht. "Selbstbest­immung bei Länge und Planung der Arbeitszei­t, und gemeinscha­ftlich abstimmen - das ist die Zukunft", betonte Weber. Er halte das Ergebnis für einen guten Kompromiss.

Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing begrüßte die Tarifeinig­ung. Wer über Ostern reisen wolle, könnte nun endlich unbeschwer­t planen. "Klar ist aber auch, dass die Art und Weise, wie hier vorgegange­n wurde, keine Schule machen darf." Zwar sei die Tarifauton­omie ein hohes Gut. "Nach den vergangene­n Monaten ist es kein Wunder, dass die Frage laut wurde, ob das Streikrech­t womöglich an die Gegebenhei­ten unserer Zeit angepasst werden muss." Der Vorsitzend­e des Fahrgastve­rbands Pro Bahn, Detlef Neuß, bezeichnet­e die Tarifeinig­ung in der "Rheinische­n Post" als "eine ausgesproc­hene Erleichter­ung für die Fahrgäste".

hb/nm (rtr)

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Bild: Bernd Wüstneck/dpa
Das ist erstmal vorbei: Nach der Einigung zwischen GDL und Bahn sind weitere Streiks abgewendet Bild: Bernd Wüstneck/dpa

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