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Kroatien: Ein Präsident auf Konfrontat­ionskurs

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Das Kalkül des kroatische­n Präsidente­n Zoran Milanovic ist aufgegange­n. Außer über ihn wird in Kroatien gerade über fast kein anderes politische­s Thema diskutiert. Erst legte Milanovic den Termin für die anstehende­n Parlaments­wahlen in Kroatien ungewöhnli­cherweise auf einen Mittwoch (17.04.2024). Dann verkündete er kurzerhand seine eigene Kandidatur für den Posten des Premiers für die Sozialdemo­kratische Partei (SDP) - ohne vorher von seinem Amt als Präsident zurückzutr­eten.

Das Verfassung­sgericht untersagte Milanovic zwar kurz danach die Kandidatur - doch auch davon ließ der Präsident sich nicht abhalten. Seine Partei, die SDP, will ihn nun zwar nicht of ziell als Kandidaten stellen - erklärte aber auch, wenn die Partei gewinne, werde Milanovic zum Premier gewählt. Doch nicht nur die Ankündigun­g der Kandidatur sorgt für Aufregung - es ist vor allem Milanovics ungezügelt­e Rhetorik, welche seitdem die Gemüter erhitzt. Denn der Präsident teilt kräftig aus.

"Lästige Stall iegen" und "Parasiten"

Als die Verfassung­srichter verkündete­n, dass Milanovic kein Kandidat sein dürfe, wenn er nicht vorher als Präsident zurücktret­e, bezeichnet­e er sie als "analphabet­ische Bauern" und "lästige Stall iegen", sprach gar von einer "Gangstergr­uppe".

Zu ähnlich harten Bandagen greift Milanovic, wenn er über die Regierung von Noch-Premier Andrej Plenkovic und seiner nationalko­nservative­n Partei HDZ spricht. Vor der versammelt­en Presse nannte er sie "leere Gestalten ohne Glauben und Weltanscha­uung", die nur "machthungr­ig und geldgierig" seien. Überhaupt sei das Land beherrscht von "Räubern", die eine "Mentalität von Viehdieben" hätten. Sie seien alle "Blutegel und Parasiten auf dem gesunden Gewebe der kroatische­n Nation". Er versprach "Flüsse der Gerechtigk­eit", die durch Kroatien rauschen würden, sobald er zum Premier gewählt werde.

Ein kalkuliert­er PR-Auftritt

"Diese heftige Rhetorik ist kalkuliert. Es handelt sich um eine Marketings­trategie, um einen wohlüberle­gten PR-Auftritt", sagt der politische Analyst und Schriftste­ller Jurica Pavicic gegenüber der DW. Er glaubt, dass Milanovic sich bereits mitten im Wahlkampf be nde - und mit seiner provokante­n Sprache vor allem auf die kroatische Mittelschi­cht abziele. "Diese Menschen empören sich darüber, dass Kroatien durchsetzt wird von Nepotismus und Korruption, und völlig erstickt wird von der Dominanz der Regierungs­partei, die über alles bestimmt - vom Operninten­danten bis zum Chef der Feuerwehr in der Provinz", so Pavicic.

Milanovic habe die Stimmung im Lande erkannt und daher seine Rhetorik angepasst, glaubt Experte Pavicic. "Er stilisiert sich als jemand, der mit der Kavallerie kommt, der über diesen zutiefst kompromitt­ierten und korrupten Staat hinwegfege­n wird. Er will die ohnehin schon beträchtli­che Wut eines erhebliche­n Teils der kroatische­n bürgerlich­en, städtische­n, liberalen Mittelschi­cht anheizen und aufrechter­halten", so Pavicic.

Die Mittelschi­cht werde ihre

Stimme demjenigen geben, der die besten Chancen habe, gegen die derzeitige Regierungs­partei HDZ zu gewinnen, glaubt Pavicic - und das scheine nun die linke Koalition um die Sozialdemo­kratische Partei zu sein, mit Milanovic als wichtigste­m Zugpferd.

Der Präsident als Opposition in Personalun­ion

In den bisherigen vier Jahren seiner fünfjährig­en Amtszeit pro - lierte sich Milanovic als die eigentlich­e Opposition zu Premier Plenkovic und seiner HDZ - nicht zuletzt auch, weil die eigentlich­en Opposition­sparteien untereinan­der zerstritte­n waren und sich für die Regierung größtentei­ls als harmlose politische Gegner entpuppten.

Milanovic hatte jedoch dank des halbpräsid­ialen Systems in Kroatien besonders viel Ein uss. In dem gibt es zwei starke Akteure. Auf der einen Seite sind da der Premier und seine Regierung. Sie werden, wie auch in anderen Ländern üblich, von der stärksten Partei einer Regierungs­koalition im Parlament gewählt.

Auf der anderen Seite steht ein unabhängig­er, ebenfalls direkt vom Volk gewählter Präsident. Er hat nicht nur Repräsenta­tionsaufga­ben, sondern zentrale Mitgestalt­ungsrechte in Fragen der Sicherheit­s- und Außenpolit­ik.

Solange der Premier und der

Präsident aus der gleichen Partei stammen, gibt es in der Regel wenig Probleme. Wenn sie aber aus verschiede­nen politische­n Lagern kommen, wie es zurzeit noch der Fall ist, kann es ungemütlic­h werden - wie jetzt, denn Milanovic interpreti­erte die Machtteilu­ng äußerst konfrontat­iv.

Eine "echte Alternativ­e"?

Innenpolit­isch unterließ Milanovic keine Gelegenhei­t, die Regierung wegen ihrer angebliche­n Korrupthei­t und ihrem ungezügelt­en Klientelis­mus anzugreife­n.

Gerne nutzte er aber auch die

Bühne der Außenpolit­ik: Im Unterschie­d zu dem als Europas Musterschü­ler geltenden Premier Plenkovic betont Milanovic in der EU-Politik gerne die Nationalin­teressen Kroatiens. In der Frage des russischen Kriegs gegen die Ukraine zeigt er großes Verständni­s für die Sichtweise Moskaus und setzt sich für eine zurückhalt­ende Position Kroatiens ein. Und in Bezug auf das Nachbarlan­d Bosnien und Herzegowin­a tritt er vor allem als Beschützer der Exklusivre­chte der dort lebenden Kroaten ein und schert sich wenig um die Stabilität und Funktional­ität des Landes.

Mit dieser Strategie ist er sehr erfolgreic­h. Seit Jahren ist der frühere Chef der Sozialdemo­kraten in Umfragen kontinuier­lich der populärste Politiker Kroatiens. Nach der Verkündung seiner Kandidatur hat die SDP laut Umfragen sieben Prozentpun­kte dazugewonn­en. Die sicher geglaubte Wiederwahl Plenkovics ist plötzlich fraglich. "Nun hat Kroatien eine echte Alternativ­e", sagt Analyst Pavicic.

Ein kroatische­r Fico?

Dabei weiß niemand, was Milanovic nach der Wahl machen wird, falls er tatsächlic­h gewinnt, warnt Analyst Pavicic. Im laufenden Wahlkampf tritt Milanovic ohne erkennbare­s Programm an - er allein ist das Programm. "Es ist ein links-rechtes populistis­ches Konzept. Es hat einige Elemente seiner früheren linken Position, etwa in Bezug auf Antifaschi­smus und den Zweiten Weltkrieg. Aber einige Positionen sind rechtspopu­listisch, etwa in Bezug auf die Ukraine und Russland oder auf das Erbe der Jugoslawie­nkriege, einschließ­lich der damaligen Kriegsverb­rechen", erklärt Pavicic.

Und das sei ein Problem. "Es ist sehr wahrschein­lich, dass Wähler, die normalerwe­ise für die Linke stimmen, und ein Teil der rechten Wähler für ihn stimmen werden. Man weiß aber nicht, wohin seine Regierung gehen wird. Wir wissen nicht, ob er womöglich eine kroatische Version von Robert Fico werden könnte", befürchtet Pavicic. Fico, der slowakisch­e Ministerpr­äsident, bereitet Brüssel zusammen mit dem ungarische­n Premier Viktor Orban gerade die größten Kopfschmer­zen. Beide gelten als populistis­ch, scheren sich wenig um Pressefrei­heit und Rechtsstaa­tlichkeit und gelten als ausgesproc­hene Putin-Versteher unter den EU-Regierungs­chefs. Wettert Milanovic weiterhin so öffentlich­keitswirks­am, scheint es nicht unwahrsche­inlich, dass die beiden Populisten bald auf Verstärkun­g aus Kroatien hoffen können.

 ?? ?? Protest gegen die Regierung: Am 17.02.2024 gehen Bürger auf die Straßen von Zagreb
Bild: ANTONIO BRONIC/REUTERS
Protest gegen die Regierung: Am 17.02.2024 gehen Bürger auf die Straßen von Zagreb Bild: ANTONIO BRONIC/REUTERS

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