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Die AfD: Von der Euro-Kritik nach ganz rechts

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Am Anfang, vor elf Jahren, war die "Alternativ­e für Deutschlan­d", kurz AfD, ein Sammelbeck­en für Nationalko­nservative und Marktliber­ale. Im Mittelpunk­t: die Kritik an der Euro-Politik der damaligen Bundesregi­erung von Angela Merkel.

Die Parteigrün­der um den Hamburger Professor für Makroökono­mie, Bernd Lucke, monierten vor allen die ihrer Meinung nach verfehlte Politik der gemeinsam europäisch­en Währung. Viele vor allem südeuropäi­sche Staaten drohten unter dem Druck des Euro zu verarmen. Deutschlan­d sei gezwungen, als wirtschaft­sstarkes Land in ein Fass ohne Boden zu investiere­n, so die Grün

der der AfD.

2013 gründete sich die Partei, bei der Bundestags­wahl im Herbst desselben Jahres trat sie erstmals an, verpasste aber den Einzug in die Volksvertr­etung. Aber bereits wenige Monate später gelang der AfD bei der Europawahl im Mai 2014 der Sprung ins Parlament. Mit Bernd Lucke als Spitzenkan­didaten und mit 7,1 Prozent der Stimmen.

Immer weniger Wirtschaft, immer mehr rechts-national

In den Jahren danach wurde der wirtschaft­sliberale Kern der Partei immer mehr abgeschwäc­ht, an seine Stelle traten immer mehr nationalis­tische, später auch völkische und offen ausländerf­eindliche Positionen. Viele Gründungsm­itglieder, auch Lucke, verließen die Partei.

Für den Erfolg der AfD sowohl bei Landtags- als auch bei Bundestags­wahlen in den Jahren danach waren neben vielen gesellscha­ftlichen und innerdeuts­chen Faktoren auch Ein üsse und Ergebnisse von außen mitentsche­idend: Die hohe Anzahl von Ge üchteten etwa, die vor allem 2015 nach Deutschlan­d kamen, die Corona-Pandemie zwischen 2020 und 2022 und der Beginn des russischen Angri skrieges auf die Ukraine im Frühjahr 2022.

Dabei vor allem die daraus folgende hohe In ation und die gestiegene­n Energiepre­ise auch in Deutschlan­d.

Die Unzufriede­nheit in der Bevölkerun­g wuchs. Die "Alternativ­e für Deutschlan­d" erzielte auch deshalb zunächst vor allem in Ostdeutsch­land, später dann auch im Westen zum Teil zweistelli­ge Wahlergebn­isse. Heute stellt sie im Bundestag mit 78 Abgeordnet­en die fünfstärks­te Fraktion, nach 10,4 Prozent bei der Bundestags­wahl vor drei Jahren. Und sie ist in 14 der 16 deutschen Landesparl­amente vertreten, Ausnahmen Schleswig-Holstein und Bremen.

Ein "Fliegensch­iss der Geschichte"

Neben der Kritik an der Migration machte die AfD in den letzten Jahren auch immer wieder Schlagzeil­en mit geschichts­verharmlos­enden, antisemiti­schen und antidemokr­atischen Positionen. So erregte der frühere Fraktionsv­orsit

zende im Bundestag, Alexander Gauland, im Sommer 2018 die

Gemüter mit einer Rede bei einer Parteivera­nstaltung in Thüringen. Er sagte: "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschis­s in über 1000 Jahren erfolgreic­her deutscher Geschichte."

Schon vorher, im Januar 2017, sagte der heutige AfD-Fraktions

Bild: Ingo Wagner/dpa/picture alliance

chef im Landtag in Thüringen, Björn Höcke, über das HolocaustM­ahnmal in Berlin: "Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gep anzt hat."

Schon lange im Auge der Verfassung­sschützer

Die Parteigrup­pe um Höcke, den so genannten "Flügel", stufte der Verfassung­sschutz im März 2020 als "gesichert rechtsextr­em" ein. Die Partei löste den "Flügel" in der Folge auf, aber dessen Mitglieder blieben sehr ein ussreich.

Die AfD von heute will die Migration drastisch begrenzen. Und sie leugnet, dass der Klimawande­l vom Menschen gemacht ist.

Schon lange waren vor allem einzelne Gruppierun­gen wie die Nachwuchso­rganisatio­n "Junge Alternativ­e" im Visier des Verfassung­sschutzes. Anfang März 2021 entschied das Bundesamt für Verfassung­sschutz nach zweijährig­er Analyse, die Gesamtpart­ei als sogenannte­n "rechtsextr­emen Verdachtsf­all" einzustufe­n. So konnte die Partei auch mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln beobachtet werden. Eine AfD-Klage dagegen wies das Verwaltung­sgericht in Köln ein Jahr später zurück und erlaubte dem Amt damit die Einstufung.

In drei Landesverb­änden, in

Sachsen-Anhalt, Sachsen Thüringen, stufen die Verfassung­sschutzbeh­örden die AfD mittlerwei­le als erwiesen rechtsextr­em ein. Das Bundesamt für Verfassung­sschutz veröffentl­ichte zudem im Juni 2023 einen Bericht, wonach etwa 10.000 AfDMitglie­der als extremisti­sch einzustufe­n sind. Im Januar dieses Jahres hatte die AfD of ziell rund 40.000 Mitglieder.

und Thüringen: Ein AfD-Ministerpr­äsident?

Trotz der immer extremer werdenden Positionen erzielte die

AfD bei Wahlen immer größere Erfolge. Nur bei Wahlen zwischen 2020 und 2022 erlitt sie Rückschläg­e, was Beobachter auf die vielen zum Teil offen ausgetrage­nen innerparte­ilichen Grabenkämp­fe zurückführ­en. So og die Partei etwa bei der Landtagswa­hl in Schleswig-Holstein 2022 aus dem Parlament.

Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine aber steigen wieder überall die Zustimmung­swerte zur AfD. Die starke Verunsiche­rung in der Bevölkerun­g ist dafür sicher ein Grund, aber auch die Zerrissenh­eit der Ampelkoali­tion von SPD, Grünen und FDP.

Mit besonderer Spannung und auch Besorgnis werden in diesem Jahr die Landtagswa­hlen in Sachsen, Brandenbur­g und Thüringen im September erwartet. In Thüringen greift Björn Höcke als Spitzenkan­didat dabei nach dem Amt des Ministerpr­äsidenten. In mehreren aktuellen Umfragen liegt die AfD dort zwischen 31 und 36 Prozent der Stimmen.

Das Tre en in Potsdam

Ein Ereignis vom November letzten Jahres löste dann im neuen Jahr bundesweit­e Proteste gegen die AfD und Rechtsextr­emismus aus, bei denen sich bis Ende Februar vier Millionen Menschen beteiligte­n. In Potsdam hatten sich auch AfD-Vertreter mit Rechtsextr­emen getroffen. Vorgestell­t vom einschlägi­g bekannten österreich­ischen Rechtsextr­emisten Martin Sellner, wurde über eine mögliche Ausweisung oder Abschiebun­g von Asylbewerb­ern und Ausländern mit Bleiberech­t, aber auch von "nicht assimilier­ten" deutschen Staatsbürg­ern gesprochen.

Bei den "Deportatio­nsplänen" dabei war war ein enger Mitarbeite­r der Partei- und Fraktionsc­he n Alice Weidel, der daraufhin entlassen wurde. In der Folge kam es in Deutschlan­d auch zu einer Debatte über ein mögliches AfD-Verbot.

Das geht sogar Marine Le Pen zu weit

Internatio­nal ist die AfD mittlerwei­le bestens vernetzt. Das Treffen in Potsdam allerdings ging dann sogar der Galions gur der französisc­hen extremen Rechten, Marine Le Pen, zu weit. Die Fraktionsv­orsitzende des "Rassemblem­ent National" in der französisc­hen Nationalve­rsammlung forderte, es müsse geprüft werden, ob das Folgen für die gemeinsame Fraktion im Europaparl­ament haben müsse. Sie sei mit den diskutiert­en Vorschläge­n nicht einverstan­den.

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Die AfD-Mitbegründ­er Alexander Gauland (l.), Konrad Adam und Bernd Lucke (r.) 2015

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