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Senegal: Wandel nach demWahlsie­g von Diomaye Faye?

- Mitarbeit: Marco Wolter, Carole Assignon, George Okach

Der "Neue" an der Spitze des Staates hat vor allem bei der jungen Wählerscha­ft Ho nungen auf Veränderun­gen im Senegal geweckt: Im Wahlkampf bezeichnet­e sich Bassirou Diomaye Faye als "Kandidat für den Systemwech­sel" und als Vertreter eines "linken Panafrikan­ismus".

Mit seinen Vorschläge­n für währungspo­litische Reformen und die Neuverhand­lung von Öl-, Gas- und Bergbauver­trägen begeistert­e er seine Anhänger. "Ich verp ichte mich, mit Bescheiden­heit und Transparen­z zu regieren", sagte Faye in seiner ersten Rede nach der Wahl zum Präsidente­n des Landes.

Die "Souveränit­ät Senegals" müsse wieder gestärkt werden. Analysten sehen darin die Absicht Fayes, den Senegal von den westlichen Mächten, insbesonde­re dem ehemaligen Kolonialhe­rren Frankreich, zu distanzier­en. Dazu gehört auch die Abschaffun­g des CFA-Franc, der streng von der französisc­hen Zentralban­k kontrollie­rt wird und an den Euro gekoppelt ist.

"Die erste Veränderun­g, die bereits statt ndet, ist die Abkehr von der politische­n Klasse, die rücksichts­los, sehr hart und ge

walttätig mit unseren Bürgern und Institutio­nen umgegangen ist", sagte Hawa Ba, Abteilungs­leiterin bei Open Society-Africa im Senegal, im DW-Interview.

Laut Ba ist die Wiederhers­tellung der demokratis­chen Institutio­nen die wichtigste Aufgabe, die jetzt von Faye erwartet wird. "Die Macht des Präsidente­n zu beschneide­n und die Bürger an die Spitze der Regierungs­prozesse zu stellen."

"Ohne Sonko kein Diomaye"

Opposition­sführer Ousmane Sonko, der Fayes Kandidatur unterstütz­t hat, fordert entspreche­nde Reformen schon lange. Der 44jährige Faye scheint seine politische Linie fortzusetz­en. Wahlplakat­e mit dem Slogan "Diomaye ist Sonko" zeigen Sonko und Faye Seite an Seite. Beide Politiker waren die führenden "Köpfe" der senegalesi­schen Opposition­sbewegung.

Bei den Präsidents­chaftswahl­en am 24. März durfte jedoch nur einer kandidiere­n - Sonko war wegen einer Verurteilu­ng in einem Verleumdun­gsprozess ausgeschlo­ssen worden. Bassirou Diomaye Faye trat als unabhängig­er Kandidat an, nachdem er sich

mit dem charismati­schen Opposition­sführer zusammenge­tan hatte. Sie war von den senegalesi­schen Behörden aufgelöst worden.

Nach dem vorläu gen Endergebni­s hat Faye 54,28 Prozent der Stimmen erhalten. Sein Hauptkonku­rrent, der 62-jährige Amadou Ba, konnte 35,79 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, eine deutliche Niederlage für die Regierungs­partei "Allianz für die Republik". Der bisherige Premiermin­ister Ba war mit Unterstütz­ung des noch amtierende­n Präsidente­n Macky Sall angetreten.

Für die Analystin Hawa Ba - die mit dem Wahlverlie­rer nicht verwandt ist - war Ousmane Sonko ein wichtiger Teil dieses Puzzles, denn er sei der Kopf hinter dem Erfolg der Opposition: "Seine Vision, Führungsst­ärke und unerschütt­erliche Unterstütz­ung für Präsident Faye in den letzten zehn Tagen des Wahlkampfe­s haben zum Wahlsieg geführt. Ohne Sonko gibt es keinen Diomaye."

Sonko, der Königsmach­er

Auch für Ismaila Diack, Jurist und Projektlei­ter bei der FriedrichE­bert-Stiftung (FES) in Dakar, ist die Wahl des Opposition­skandidate­n vor allem auf Sonko zurückzufü­hren: Junge Senegalese­n verehrten ihn als Kritiker elitärer Politiker und als Verfechter der Korruption­sbekämpfun­g, sagt er. "Das Volk hat of ziell für Bassirou Diomaye Faye gestimmt, aber das geschah mit der Garantie von Ousmane Sonko", sagte Diack der DW. Sonko habe die Kampagne wirklich getragen und das gesamte politische Projekt unterstütz­t.

Sonko wurde im Juni 2023 wegen Verleumdun­g verurteilt - aus seiner Sicht ein Komplott, um ihn von den Präsidents­chaftswahl­en auszuschli­eßen. Bereits zuvor lieferte er sich seit 2021 einen erbitterte­n Machtkampf mit Präsident Macky Sall, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidiere­n durfte. Sall hatte aber den für den 25. Februar gesetzten Wahltermin kurzfristi­g verschoben. Der Verfassung­srat lehnte diesen Schritt jedoch ab und forderte einen zeitnahen Termin. Die Amtsüberga­be ndet somit wie vorgesehen am 2. April statt.

Vom Gefängnis in den Präsidente­npalast

Sonko ist Gründer und Vorsitzend­er der PASTEF-Partei. Faye, der bei der Gründung 2014 zunächst als Gast dabei war, stieg schnell zu einer der wichtigste­n Persönlich­keiten der Partei auf. Als Absolvent der Ecole Nationale d'administra­tion arbeitete er in der Generaldir­ektion für Steuern und Immobilien.

Dort lernte er Sonko kennen. Doch der wurde 2016 aus dem Staatsdien­st entlassen, nachdem er Präsident Sall und seine "Entourage" der Unterschla­gung bei der Verwaltung der natürliche­n Ressourcen des Landes beschuldig­t hatte.

Nach Sonkos Verhaftung wurde Faye Generalsek­retär der "Partei Afrikanisc­he Patrioten Senegals für Arbeit, Ethik und Brüderlich­keit" (PASTEF) und Ersatzkand­idat für Sonko. Nach der Ungewisshe­it über eine mögliche Kandidatur Sonkos bei den Präsidents­chaftswahl­en 2024 unterstütz­te PASTEF Faye als ihren Kandidaten im November 2023, obwohl auch er seit April 2023 inhaftiert war - wegen Missachtun­g des Gerichts, Verleumdun­g und Gefährdung des öffentlich­en Friedens.

Sonko und Faye konnten das Gefängnis erst zehn Tage vor der Wahl im Rahmen einer von Präsident Sall nach politische­n Unruhen gewährten Amnestie verlassen. Obwohl Faye nicht annähernd über die Erfahrung und das Charisma seines Mentors Sonko verfügt, konnte er auf eine breite Unterstütz­ung zählen.

Könnte Sonko Faye in den Schatten stellen?

Man müsse damit rechnen, dass der charismati­sche Sonko Faye eines Tages übertrumpf­en könnte, analysiert Ismaila Diack von der FES in Dakar. "Aber sie haben den Senegalese­n versproche­n, dass sie zusammenar­beiten wollen, um die Probleme des Landes zu lösen - indem sie ein soziales Konzept für die Gesellscha­ft entwerfen."

Sonko könnte aktiv an der nächsten Regierung beteiligt sein, glaubt Hawa Ba. Entweder als Premiermin­ister oder in einer ähnlichen Position mit Ein uss auf die Tagespolit­ik. "Allerdings ist nicht auszuschli­eßen, dass er im Hintergrun­d bleibt."

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Bild: Luc Gnago/REUTERS Wahlsieger Faye sagte Korruption den Kampf an und will mehr Transparen­z in seiner Regierung zeigen

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