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Sudan: Hungersnot nimmt zu, Kriegspart­eien blockieren Hilfe

- Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Endlich sei das richtige Wort gefallen, meinen die Aktivisten in der sudanesisc­hen Regionalha­uptstadt Al-Faschir: Die Vereinten Nationen (UN) warnen vor einer "Hungerkata­strophe" im Sudan. Damit, so die Helfer, sei die Dramatik der Lage angemessen beschriebe­n.

Seit einem Jahr betreibt die Aktivisten­gruppe eine Gemeinscha­ftsküche, um Hungernde zu versorgen. Doch über Monate waren ihre Mitglieder nicht in der Lage, die nötigen Gelder aufzutreib­en oder Lebensmitt­el zu beschaffen.

"Zum Schluss gingen uns am 15. Februar die Lebensmitt­el aus", sagt einer der Gründer der Initiative im Gespräch mit der DW. "Seither konnten wir niemanden mehr versorgen".

Seinen Namen will der Helfer aus Angst vor möglichen Repressali­en nicht nennen. Derzeit ist die Region um Al-Faschir Schauplatz heftiger Auseinande­rsetzungen. Für viele Familien in der Re

gion habe dies schlimme Konsequenz­en, so der Helfer: Sie bekämen nicht einmal eine Mahlzeit am Tag.

Seit Beginn des Krieges im Sudan vor einem Jahr spielen Gemeinscha­ftsküchen und andere bürgerscha­ftlich organisier­te geleitete Hilfsiniti­ativen, im Englischen "Emergency Response Rooms" (ERRs) genannt, eine wichtige Rolle für die Versorgung der Bevölkerun­g.

Unverzicht­bare Hilfe

Nach einem aktuellen Bericht der Vereinten Nationen haben die ERRs über vier Millionen Zivilisten mit schneller Hilfe unterstütz­t. Dazu zählen die Versorgung mit Wasser und Nahrungsmi­tteln sowie medizinisc­he Hilfe. Außerdem reparieren sie beschädigt­e Stromleitu­ngen und sorgen sich um sichere Evakuierun­gsrouten.

"Teilweise waren die lokalen Helfer die einzigen, die überhaupt humanitäre Hilfeleist­ungen erbrachten", sagt Michelle D'Arcy, Sudan-Länderdire­ktorin der humanitäre­n Organisati­on Norwegian People's Aid, im DW-Interview. "Doch so bewunderns­wert diese Initiative­n auch sind: Letztlich reichen sie nicht aus, um den massiven Bedarf vor Ort zu decken."

Tote, Hungernde, Vertrieben­e

Der brutal geführte Kon ikt zwischen den von General Abdel Fattah al-Burhan geführten Sudanesisc­hen Streitkräf­ten (SAF) und den paramilitä­rischen Rapid Support Forces (RSF) unter dem Kommando von General Mohamed Hamdan Dagalo (auch Hemeti genannt) begann im April 2023. Anlass war ein Streit um die geplante Integratio­n der RSF in die Armee des Landes. Der Kon ikt verursacht die vielleicht schon jetzt größte humanitäre Krise weltweit - oder ist zumindest verantwort­lich, dass der Sudan auf dem Weg dorthin ist und die Lage immer kritischer wird.

Nach Angaben des Welternähr­ungsprogra­mms der Vereinten Nationen sind rund 18 Millionen Menschen im Sudan, also über ein Drittel der Bevölkerun­g, von akuter "Ernährungs­unsicherhe­it" betroffen. Darunter seien 14 Millionen Kinder, die dringend humanitäre Hilfe benötigten, erklärte Mandeep O'Brien, UNICEF-Vertreteri­n im Sudan, Mitte März.

Bereits jetzt sind 2,9 Millionen Kinder akut unterernäh­rt, informiert­e kürzlich der sogenannte Nutrition Cluster im Sudan, eine Partnersch­aft internatio­naler Or

ganisation­en und Ministerie­n. Zudem fürchte man, in den kommenden Monaten könnten rund 222.000 stark unterernäh­rte Kinder und mehr als 7000 junge Mütter sterben, würden ihre Ernährungs- und Gesundheit­sbedürfnis­se nicht erfüllt.

Nach Angaben der Internatio­nalen Organisati­on für Migration wurden durch den andauernde­n Kon ikt rund 8 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Zudem wurden Tausende getötet.

Trotz dieser ernsten humanitäre­n Lage ist keine der verfeindet­en Parteien bereit, humanitäre­n Organisati­onen und Gütern uneingesch­ränkten und ungehinder­ten Zugang zu gewähren.

"Leider muss ich berichten, dass es vor Ort keine großen Fortschrit­te gegeben hat", erklärte der Direktor für humanitäre Einsätze der UNO, Edem Wosornu, kürzlich vor dem UN-Sicherheit­srat.

Systematis­ches Aushungern

"Mehrere Aspekte erschweren die Schaffung von Korridoren für humanitäre Hilfe und die Einrichtun­g entmilitar­isierter Zonen", sagt die Politologi­n Hager Ali, die am Hamburger GIGA-Institut zur Rolle von Streitkräf­ten in den arabischen und nordafrika­nischen Ländern forscht, im DW-Gespräch.

"Um die sudanesisc­hen Streitkräf­te zu sabotieren, besetzen die

Rapid Support Forces ( RSF) bestimmte Straßen oder Engpässe und blockieren damit den Nachschub für die Truppen." Dies betreffe dann aber auch nicht-militärisc­he Güter, so Ali. Die RSF plünderten alles, was ihnen in die Hände ele. Anstatt es vor Ort an die Gemeinden zu verteilen, verkauften sie es.

Umgekehrt kontrollie­rten und blockierte­n auch die regulären Streitkräf­te (SAF) den Zugang für humanitäre Hilfe auf dem Weg in die von der RSF gehaltenen Gebiete, so Ali weiter.

Die andauernde Gewalt hindere die Bauern daran, ihre Felder zu bestellen. "Eine der Taktiken der RSF-Kriegsführ­ung ist es, die Bevölkerun­g auszuhunge­rn. Genau das passiert derzeit im Bundesstaa­t Dschasira", sagte Ali gegenüber DW. Unter normalen Umständen produziere der Bundesstaa­t im Südosten des Landes nahezu die Hälfte der gesamten sudanesisc­hen Weizenprod­uktion.

"Als die RSF die Macht übernahm, verbrannte­n sie Ernten und plünderten Lager, stahlen Landmaschi­nen und sogar Saatgut für die Aussaat", sagt Ali. Außerdem würden die Bauern vor die Wahl gestellt, sich den Milizen anzuschlie­ßen oder hingericht­et zu werden.

Ho nung auf Geberkonfe­renz

Zivilgesel­lschaftlic­he Aktivisten und andere humanitäre Helfer blicken nun bereits in Richtung einer Mitte April angesetzte­n Geberkonfe­renz in Paris. Der Bedarf des Landes ist weiterhin riesig: Der diesjährig­e humanitäre Hilfsplan der Vereinten Nationen in Höhe von 2,7 Milliarden US-Dollar (knapp 2,5 Milliarden Euro) ist nur zu vier Prozent nanziert. Er umfasst bisher lediglich 131 Millionen US-Dollar (knapp 121 Million Euro).

Doch trotz aller Herausford­erungen geben die Aktivisten der Gemeinscha­ftsküche in Al-Faschir nicht auf. "Wir werden weiterhin Vorschläge Vorschläge an humanitäre und Nichtregie­rungsorgan­isationen schicken. Wir hoffen, dass die Finanzieru­ng irgendwann wieder anläuft", sagen sie.

Ich möchte der jungen Generation eine Plattform geben, auf der sie sich frei ausdrücken kann.

JAFAAR ABDUL KARIM

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Bild: ERRFC Hilfe gegen den Hunger: Sudanesisc­he Aktivisten beraten über mögliche Wege der Lebensmitt­elbescha ung
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