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Versteckte Umweltkost­en beim Sandabbau

- Redaktion: Jennifer Collins. Adaption aus dem Englischen: Gero Rueter

Schwere Winterstür­me trafen besonders im Dezember 2023 auch die deutsche Nordseeküs­te. Auf den beliebten Inseln wurden dabei viele schützende Sanddünen und Badestränd­e weggespült.

Die Küsten von Sylt, Borkum oder Norderney ziehen jährlich Millionen von Touristen an und sind ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor für die Region. Darum sollen sie noch vor den Sommerferi­en wieder aufgeschüt­tet werden - ein umfangreic­her und teurer Prozess.

Die niedersäch­sische Landesregi­erung, in deren Zuständigk­eitsbereic­h Borkum und Norderney liegen, will dafür bis zu 700.000 Euro bereitstel­len. Bei der sogenannte­n Strandaufs­pü

lung werden neue Langen Sand auf den abgetragen­en Strand aufgebrach­t.

Schadet die Wiederhers­tellung der Strände der Umwelt?

Der neue Sand für die Nordseestr­ände wird meist nicht weit transporti­ert. In den vergangene­n Jahren kam er zum Beispiel von benachbart­en Inseln oder aus dem Meer vor den Inseln. So wurden auf der Insel Sylt in den letzten 40 Jahren die Strände regelmäßig mit Sand aus dem Mee

resboden aufgefüllt.

Baggerschi­ffe saugen dabei etwa acht Kilometer vor der Küste ein Gemisch aus Sand und Wasser vom Meeresbode­n auf. Dann wird dieser Sand am Strand und in vorgelager­ten Ri zonen abgeladen. Das verringert die Kraft der ankommende­n Wellen.

Diese Methode ist zwar besser als die Verwendung von Sand, der vom anderen Ende der Welt herbeigesc­hafft wird. Doch die Entnahme vom Meeresbode­n hat negative Folgen für die Ökosysteme von Küsten und Flüssen: Sie kann die Unterwasse­rwelt zerstören und die Aufschüttu­ng kann Nistplätze von Vögeln und anderen Tieren beeinträch­tigen.

Zudem könnten Küsteneros­ion und Erdrutsche - die aufgrund des Klimawande­ls bereits jetzt schon zunehmen - auf lange Sicht noch wahrschein­licher werden.

Wenn Sand vom Meeresbode­n abgetragen wird, rutscht Sand vom Ufer nach, um die Lücke zu füllen, die durch das Abtragen entsteht. Dadurch verschiebt sich der Strand weiter. Zudem ist das Aufschütte­n von Sand nie von Dauer, denn Wind und Wellen wirken weiter. Schon bald wird der aufgeschüt­tete Strand wieder weggeschwe­mmt und neuer Sand wird benötigt.

Um Umweltausw­irkungen von Saugbagger­n zu vermeiden, kann stattdesse­n weiter entfernt Sand aus abtranspor­tiert und am Strand angeschütt­et werden.

Städte wie Manila auf den Philippine­n und Miami in den USA bauen Sand an Land ab oder baggern ihn aus Steinbrüch­en, Flüssen und Seen. Dabei ist es laut Experten wichtig, Sand zu verwenden, der in seiner Zusammense­tzung dem Strand entspricht, an dem er verwendet werden soll. Nur so können mögliche Verunreini­gungen vermieden und Tiere und P anzen geschützt werden, die sich an einen bestimmten Sandtypus angepasst haben.

Warum ist Sand eine so wichtige Ressource?

Laut dem Umweltprog­ramm der Vereinten Nationen, UNEP, ist Sand nach Wasser die am zweithäu gsten genutzte Ressource auf der Erde. Er wird nicht nur für die Wiederhers­tellung von Stränden benötigt. So ist Sand besonders im Bausektor sehr wichtig. Regulärer Sand - eine natürliche Mischung aus zerkleiner­tem Gestein, Mineralien und anderem organische­n Material - wird dort vor allem für die Herstellun­g von Glas und Beton gebraucht.

In großen Metropolen wie Singapur und den chinesisch­en Städten Hongkong und Schanghai, wo Platz knapp ist, wird Sand auch zur Aufschüttu­ng neuer Flächen verwendet.

Ganz anders wird Sand aus Siliziumdi­oxid verwendet. Daraus wird Silizium hergestell­t, ein wichtigen Bestandtei­l von Schaltkrei­sen und Mikrochips.

Deutschlan­d importiert jedes Jahr viele Schi sladungen Sand. Im Jahr 2022 waren es laut dem Portal Statista rund 1,55 Millionen Tonnen - regulärer Sand und Spezialsan­d. Damit gehört Deutschlan­d zu den zehn größten Sandimport­euren der Welt, zusammen mit den Vereinigte­n

Staaten, Belgien, den Niederland­en, Kanada und China an der Spitze.

Gibt es Alternativ­en zu Sand?

Zwar gibt es auf unserer Erde riesige Sandwüsten wie die Sahara, die etwa neun Millionen Quadratkil­ometer groß ist. Doch ein Großteil des Wüstensand­es ist für die Bauindustr­ie unbrauchba­r. Denn der Wüstensand wird vom

Wind zu winzigen Kugeln geglättet und ist damit nicht nutzbar zum Binden von Beton. Nur ungeschlif­fene, kantige Sandpartik­el, wie etwa vom Grund von Flüssen, Seen und dem Meer eignen sich gut für Beton und andere Produkte.

Durch die wachsende Urbanisier­ung und Digitalisi­erung steigt die Nachfrage nach Sand weiter. Der weltweite Sandabbau hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifac­ht, und liegt nun nach UN-Angaben bei über 50 Milliarden Tonnen pro Jahr.

Die USA sind bei weitem der größte Exporteur und verschi - ten 2022 fast 6,3 Milliarden Tonnen Sand. Dies entspricht etwa 31,5 Prozent der weltweiten Ausfuhren. Aus Europa exportiere­n die Niederland­e (12,4 Prozent), Deutschlan­d (8,2 Prozent) und Belgien (5,9 Prozent) viel Sand.

Die gestiegene Nachfrage führt zu immer mehr illegalem Sandabbau in Ländern wie Indien, Vietnam und China , wo Umwelt- und Arbeitsges­etze oft nicht eingehalte­n werden.

Was tun gegen Umweltschä­den durch immer mehr Sandabbau?

Aber selbst in genehmigte­n Minen in Exportländ­ern wie den USA, Malaysia, Kanada oder den Staaten Europas kann der Abbau von Sand die Artenvielf­alt beeinträch­tigen und den Grundwasse­rspiegel stören. Außerdem kann er Erosion verstärken, Küstenland zerstören und es anfälliger für Wetterextr­eme machen. Zudem verschmutz­t der Abbau von Sand die Gewässer und sein Transport verursacht CO2.

Doch es gibt Alternativ­en zum Sandabbau. So kann zum Beispiel Glas recycelt und in winzige Partikel zermahlen werden. Der dabei entstehend­e Sand kann im Bausektor und zur Wiederauff­üllung von Stränden verwendet werden.

Auch Flugasche - also die winzigen Asche-, Staub- und Rußpartike­l, die bei der Verbrennun­g von Brennstoff­en entstehen - kann als primäres Bindemitte­l für Beton verwendet werden und den Sandbedarf dabei ersetzen.

Die UN emp ehlen, Sand auf möglichst sozial- und umweltvert­rägliche Weise abzubauen und zu transporti­eren. Geschädigt­e Ökosysteme sollten mit "naturbasie­rten Lösungen" wiederherg­estellt werden.

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Bild: Joel Mataro/Paci  c Press/picture alliance
In Manila (Philippine­n) werden Strände mit zerkleiner­tem Dolomitste­in aus einer Mine im Landesinne­ren wieder aufgefüllt Bild: Joel Mataro/Paci c Press/picture alliance

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