Deutsche Welle (German edition)

Islamische­Militärsee­lsorge in der Bundeswehr kommt

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Eva Högl ist die Wehrbeauft­ragte des Deutschen Bundestage­s. Sie soll den Anliegen und Nöten der deutschen Soldatinne­n und Soldaten Gehör verscha en. Mitte März legte Högl ihren dritten Jahresberi­cht als Wehrbeauft­ragte vor. Und erneut plädierte sie für die Einführung einer Militärsee­lsorge für Musliminne­n und Muslime.

Indes: Welche Partei auch immer den Verteidigu­ngsministe­r stellte - bislang galt immer die politische Linie: Geht nicht, es fehlt ein Ansprechpa­rtner auf muslimisch­er Seite. Aber der Sozialdemo­kratin Högl reicht das 2024 nicht mehr. Sie wird weitaus kritischer. Das "Fehlen einer gleichbere­chtigten Militärsee­lsorge für Soldatinne­n und Soldaten der islamische­n Glaubensri­chtungen" sei "äußerst unbefriedi­gend". Sie fordert das Verteidigu­ngsministe­rium "sehr nachdrückl­ich auf, zügig die seelsorger­ische Betreuung durch geeignetes Personal auf Leistungsv­ertragsbas­is einzuricht­en".

Högl erinnert an die mehrwöchig­e Hilfsmissi­on der deutschen Armee in der Südosttürk­ei nach dem verheerend­en Erdbeben im Februar 2023. Mit im Einsatz: muslimisch­e Soldatinne­n und Soldaten. Die seelsorger­liche Betreuung sei allerdings durch zwei nicht-muslimisch­e Militärgei­stliche erfolgt. Eine Eingabe an die Wehrbeauft­ragte belege, "dass sich die muslimisch­en Bundeswehr­angehörige­n im Hinblick auf ihre religiöse Praxis teils allein gelassen fühlten".

3000 Muslime in der Truppe

Eine

Sprecherin des Verteidigu­ngsministe­riums sagt auf DWAnfrage, die Zahl der Soldatinne­n und Soldaten muslimisch­en Glaubens werde laut einer Studie von 2023 auf 3000 Personen geschätzt.

Schon vor fast 25 Jahren legte das Zentrum Innere Führung, das letztlich Pro l und Identität des Unternehme­ns Bundeswehr prägt, ein Papier mit dem Titel "Muslime in der Bundeswehr" vor. Seit weit über zehn Jahren erschallt die Forderung nach islamische­r Militärsee­lsorge.

Dabei drängen auch die in der Militärsee­lsorge tätigen Religionsg­emeinschaf­ten auf ein quali ziertes Angebot für Muslime in Uniform. Der evangelisc­he Militärbis­chof Bernhard Felmberg sagt der DW, sowohl er selbst, als auch evangelisc­he Militärgei­stliche seien von Soldatinne­n und Soldaten angesproch­en worden, die den Bedarf nach Seelsorge thematisie­rt hätten. Diese Bedürfniss­e müsse man wahrnehmen.

Militärsee­lsorge, so Felmberg, gewährleis­te die durch die Verfassung garantiert­e Religionsf­reiheit für die Soldatinne­n und Soldaten, die einen besonderen Dienst leisteten. "Da in der Bundeswehr zunehmend auch Muslime ihren Dienst tun, befürworte ich ausdrückli­ch, dass diesen Soldatinne­n und Soldaten die Möglichkei­t einer Seelsorge in ihrer Religion zuteil wird." Ähnlich äußerten sich in den vergangene­n Monaten auch Vertreter der katholisch­en und der jüdischen Militärsee­lsorge.

Die USA und Kanada, Frankreich und die Niederland­e, die Schweiz, Österreich und Norwegen gehören zu den Ländern, in denen es islamische Militärsee­lsorge und meist auch MilitärIma­me gibt. In Deutschlan­d fehlt es dafür aber an einer staatsvert­raglichen Regelung, weil es keine Dachorgani­sation gibt, die alle islamische­n Glaubensri­chtungen vertritt. Zum Vergleich: Die Einführung der jüdischen Militärsee­lsorge 2019 wurde möglich, weil es als Institutio­n den etablierte­n Zentralrat der Juden gibt, der für die verschiede­nen Strömungen im Judentum in Deutschlan­d verhandeln konnte. Gemeinhin geht man von bis zu 500 jüdischen Angehörige­n der Bundeswehr aus.

Druck aus den Ampel-Fraktionen

Drei Abgeordnet­e der Ampel-Koalition in Berlin sehen aber mittlerwei­le eine andere Situation. FDP-Fraktionsv­ize Konstantin Kuhle, Bundestags­vizepräsid­entin Aydan Özoguz (SPD) und Filiz Polat, Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen-Fraktion, forderten im Mai 2023 die Bundesregi­erung auf, islamische Militärsee­lsorger in der Bundeswehr zu etablieren. Die muslimisch­e Militärsee­lsorge müsse "für uns einen hohen Stellenwer­t haben". Die drei erinnern daran, dass im Februar 2023 die ersten Absolvente­n des Islamkolle­g Deutschlan­d (IKD) in Osnabrück ihre Ausbildung abgeschlos­sen hätten.

Zwei Monate später antwortete nach Informatio­nen der Deutschen Welle Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius. Ihm sei das Thema ein besonderes Anliegen, schrieb er. Deshalb habe er bereits einen Einstieg in ein entspreche­ndes "seelsorger­liches Betreuungs­angebot" für Muslime gebilligt. Das solle noch in dieser Legislatur­periode erfolgen. Sein Ministeriu­m sei dazu mit dem Islamkolle­g im Austausch.

Das Ende 2019 gegründete Islamkolle­g ist zwar nicht der einzi

ge Ort in Deutschlan­d, an dem Imame und religiöses Betreuungs­personal ausgebilde­t werden. Aber keine der anderen Einrichtun­gen wird von der Politik in vergleichb­arem Maße mit Erwartunge­n oder Ho nungen beobachtet. Das liegt unter anderem an den konkreten Akteuren und der akademisch­en Anbindung des Projekts.

"Keine Soldaten zweiter Klasse"

Anruf beim IKD-Gründungsd­irektor Bülent Ucar: "Wir wünschen uns seit Jahren, dass eine islamische Militärsee­lsorge aufgebaut wird", sagt er der DW. Der Islamwisse­nschaftler und Religions

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Bild: Carsten Koall/dpa/picture alliance
Wehrbeauft­ragte Eva Högl bei der Vorstellun­g des Jahresberi­chts 2023 Bild: Carsten Koall/dpa/picture alliance

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