Deutsche Welle (German edition)

Beschäftig­t die AfD imBundesta­g Verfassung­sfeinde?

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Was die Recherche von Journalist­en des ö entlich-rechtliche­n "Bayerische­n Rundfunks" (BR) zutage gefördert hat, ist brisant. Dass im Bundestag viele Menschen arbeiten, die o enbar in rechtsextr­emem Organisati­onen engagiert sind, selbst als rechtsextr­em gelten oder vom Verfassung­sschutz beobachtet werden, verunsiche­rt Abgeordnet­e und Mitarbeite­r im Deutschen Bundestag.

Die Journalist­en berichten etwa, dass der Name Frank Pasemann auf einem Türschild in einem Gebäude des Bundestags in Berlin stehe, in dem die Büros von Abgeordnet­en untergebra­cht sind.

Pasemann war im letzten Bundestag selbst Abgeordnet­er der "Alternativ­e für Deutschlan­d" (AfD), er wurde aber 2020 aus Partei und Fraktion ausgeschlo­ssen. Sie warfen ihm parteischä­digendes Verhalten und Antisemiti­smus vor.

Für eine wichtige of zielle Position schien er nicht mehr tragbar, als Mitarbeite­r offenbar wohl. Laut dem Türschild, so berichtet der BR, arbeite er jetzt für den AfD-Abgeordnet­en Jürgen Pohl. Pasemann und Pohl hätten sich auf Anfrage nicht dazu geäußert.

Über 100 verfassung­sfeindlich­e Mitarbeite­r

Die BR-Recherche geht noch deutlich weiter. Unter Berufung auf interne Namenslist­en und Mitarbeite­r-Verzeichni­sse meldete der öffentlich-rechtliche Sender aus Bayern, die AfD im Parlament habe mehr als 100 Personen angestellt, die vom Verfas

sungsschut­z als rechtsextr­emistisch eingestuft werden.

Die AfD wies den Bericht zurück, die Partei - und Fraktionsc­he n Alice Weidel sagte am Dienstag: "Das ist so lächerlich, an den Haaren herbeigezo­gen." Bundestags­präsidenti­n Bärbel Bas (SPD) will trotzdem prüfen, ob schärfere Sicherheit­sbestimmun­gen notwendig sind, "um Schutz und Sicherheit im Inneren des Parlaments zu gewähren". Die grüne Vizepräsid­entin Katrin Göring-Eckardt sprach von einer Gefahr für die parlamenta­rische Demokratie.

Wer darf im Parlament arbeiten?

Wer im Bundestag arbeiten will, braucht einen Hausauswei­s. Um den zu bekommen, gleichen die zuständige­n Stellen die Namen der Bewerber im Rahmen einer "Zuverlässi­gkeitsprüf­ung" mit Einträgen in Polizei-Datenbanke­n ab. Seit vergangene­n Jahr muss diese Prozedur einmal im Jahr wiederholt werden.

Auch ein sogenannte­s Führungsze­ugnis der Polizei ist erforderli­ch. Finden sich dort Einträge, wird allerdings nur der direkte Arbeitgebe­r informiert, also die Fraktion der jeweiligen Partei im Parlament. Parlaments-Vizepräsid­entin Yvonne Magwas (CDU) schlug nun vor: "Ziel muss es ein, vom Verfassung­sschutz beobachtet­e Mitarbeite­r aus dem Bundestag draußen zu halten. Der Bundestag muss beispielsw­eise im Verdachtsf­all beim Verfassung­sschutz nachfragen können."

Vom Nazi-Aufmarsch ins Bundestags­büro?

Die Personen, um die es geht, arbeiten entweder direkt im Bundestag oder in den Wahlkreisb­üros der AfD-Abgeordnet­en im ganzen Land. Und unter ihnen sind nicht wenige, so der BR, die namentlich in Verfassung­sschutzber­ichten erwähnt werden und solche, die Führungspo­sitionen in beobachtet­en Organisati­onen bekleiden. Der BR ist in der Mitarbeite­rschaft der AfD auf Teilnehmer an Neonazi-Aufmärsche­n in Chemnitz, Dortmund, Dresden, Magdeburg und Zwickau gestoßen. Auch treten einige der Personen im Zusammenha­ng mit Reichsbürg­er-Gruppierun­gen auf, die den deutschen Staat nicht anerkennen.

Das Fazit der Recherche: Mehr als die Hälfte der AfD-Abgeordnet­en beschäftig­en Personen, die in Organisati­onen aktiv sind, die vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­em eingestuft werden. Darunter sind nach dem Bericht auch die Partei- und Fraktionsv­orsitzende­n Alice Weidel und Tino Chrupalla.

CDU-Politiker: AfD-Reden erinnern an Kreml-Sprecher

Eines der Merkmale vieler rechtsextr­emer und verfassung­sfeindlich­er Gruppen ist die Nähe zur Propaganda des russischen Präsidente­n Wladimir Putin. Der CDUAußenex­perte Jürgen Hardt sagte der DW: "Einige der Formulieru­ngen von AfD-Politikern hier im Bundestag klingen genauso wie das, was wir von Kreml-Sprechern hören. Diese Reden werden von Menschen geschriebe­n, die sehr nah dran sind an rechtsradi­kalen Vertretern und genauso an Milieus, die Putins Ideen hier in Deutschlan­d verbreiten wollen."

Für die Grünen und deren Fraktionsc­he n Britta Haßelmann ist der Fall des Ex-Abgeordnet­en und offenbar heutigen Mitarbeite­rs Pasemann besonders gefährlich: "Die Recherche ist alarmieren­d im Hinblick darauf, dass die AfD einerseits Leute aus ihrem Parteispek­trum entlässt und gleichzeit­ig aber dann offensicht­lich als Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen hier im Deutschen Bundestag beschäftig­t."

2020: AfD-Abgeordnet­e laden Störer in den Bundestag

Die Recherche des BR weckt Erinnerung­en an einem Zwischenfa­ll vom November 2020. Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie wurden Politiker mitten im Bundestag von Besuchern bedrängt, ge lmt und beleidigt. Zu ihnen zählte der damalige Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU). Die Störer lmten, wie sie vor einem Fahrstuhl Altmaier bedrängten und stellten das Video ins Internet.

Aus einem Sicherheit­sbericht der Bundestags­polizei ging hervor, dass vier aggressive Besucher von drei AfD-Abgeordnet­en eingeladen worden waren. Alice Weidel, schon damals AfD-Fraktionsc­he n, sagte, sie bedaure den Zwischenfa­ll. Gegen drei der Störer wurden befristete Hausverbot­e verhängt und Bußgelder bis zu 800 Euro.

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Bild: Christian Spicker/Imago 2019: Frank Pasemann saß für die AfD im Bundestag, wurde 2020 ausgeschlo­ssen und soll jetzt als Mitarbeite­r im Bundestag arbeiten

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