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Venezuelas Opposition ringt umChancen bei Präsidente­nwahl

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Buchstäbli­ch Minuten vor Ende der Frist ist es der Opposition­skoalition in Venezuela gelungen, einen Kandidaten für die Präsidente­nwahl am 28. Juli 2024 zu melden. Im Januar hatte der Oberste Gerichtsho­f den Ausschluss der eigentlich­en Spitzenkan­didatin des Wahlbündni­sses PUD (Plataforma Unitaria Democratic­a, deutsch.: Demokratis­che Einheitspl­attform), Maria Corina Machado, bestätigt. Diesen Montag dann konnte sich ihre designiert­e Ersatzkand­idatin Corina Yoris "aus technische­n Gründen" nicht für die Wahl registrier­en.

Letztlich gelang es der PUD, nach einer Fristverlä­ngerung am Dienstag vor Ostern den ehemaligen Diplomaten Edmundo Gonzalez Urrutia als Kandidaten gegen Amtsinhabe­r Nicolas Maduro zu melden. Daneben hat Venezuelas oberste Wahlbehörd­e CNE zwei weitere opposition­elle Kandidaten bestätigt.

Wer sind die Opposition­skandidate­n in Venezuela?

Die eiligst erfolgte Registrier­ung von Gonzalez ist laut PUD lediglich als vorläu ge Kandidatur zu betrachten. Ziel sei es nach wie vor, Opposition­sführerin Machado aufzustell­en. Bis zu zehn Tage vor den Wahlen sei dies rechtlich möglich.

Das war auch der Plan, als die PUD zunächst Corina Yoris als Ersatz nominieren wollte. Die 80jährige emeritiert­e Philosophi­eprofessor­in gilt als eloquent, aber als politisch vollkommen unerfahren.

Der zweite Ersatzkand­idat Gonzalez sitzt immerhin im Führungsgr­emium der mit der PUD verbundene­n MUD (Mesa de la Unidad Democratic­a, deutsch: Koalition der demokratis­chen Einheit). Jedoch ist auch er der Öffentlich­keit in Venezuela wenig bekannt. Opposition­sführerin Machado versprach nach Gonzalez' Registrier­ung, für ihre eigene Teilnahme weiterzukä­mpfen.

Drei Kandidatur­en: Risikostre­uung oder Spaltung?

Ebenfalls kurz vor Ablauf der Meldefrist hat sich der ehemalige Abgeordnet­e und Ex-Vizepräsid­ent der Wahlkommis­sion, Enrique Márquez, als unabhängig­er Opposition­skandidat registrier­t. Für mehr Wirbel sorgte jedoch die

Anmeldung von Manuel Rosales.

Der heutige Gouverneur des bevölkerun­gsreichste­n Bundesstaa­ts Zulia war 2006 als Präsidents­chaftskand­idat des Opposition­sbündnisse­s erfolglos gegen den damaligen Amtsinhabe­r Hugo Chavez angetreten. Dessen Sozialisti­sche Einheitspa­rtei (PSUV) regiert bis heute das Land - seit Chavez' Tod 2013 mit Nicolas Maduro an der Spitze.

Rosales' Partei Un nuevo tiempo (deutsch: Eine neue Zeit) ist eigentlich Teil der Anti-Maduro-Koalition PUD und hatte erst Machados und dann Yoris' Kandidatur bis zuletzt unterstütz­t. Sich selbst habe er lediglich aus demselben Grund registrier­t wie Gonzalez: um der PUD die Teilnahmen an der Wahl zu sichern. Allerdings war dies offenbar nicht abgesproch­en. Kurz nach Bekanntwer­den warf Opposition­sführerin Machado ihm Verrat vor.

Vorwürfe gegen Venezuelas "regimetreu­e Opposition"

Machados Vorwurf lasse durchblick­en, dass sie Rosales einer sogenannte­n "regimetreu­en Opposition" zurechnet, sagt Victor M. Mijares von der kolumbiani­schen Universida­d de los Andes in Bogotá. Darunter versteht man opposition­elle Kräfte, die aufgrund

ihrer nicht-konfrontat­iven Haltung den Anschein von Parteienvi­elfalt vermitteln, aber keine Bedrohung für eine autoritäre Regierung darstellte­n. "In Venezuela genießen diese Kräfte gewisse politische Vorteile, die sich etwa im Zugang zu Posten wie Bürgermeis­ter oder Gouverneur äußern", so Mijares.

In einem vehementen Dementi verwahrte sich Rosales diesen Mittwoch gegen Behauptung­en in sozialen Medien, seine Kandidatur sei mit Nicolas Maduro abgesproch­en. Doch - gewollt oder nicht - auch Günther Maihold vom Lateinamer­ika-Institut der Freien Universitä­t Berlin meint, Rosales' Kandidatur sei im Interesse der Regierung: "Als Gouverneur dürfte er eigentlich überhaupt nicht kandidiere­n. Die von der Regierungs­partei kontrollie­rte Wahlkommis­sion lässt es aber zu, um die Opposition zu spalten."

Die stärkste Kandidatin ist kaltgestel­lt

Anderersei­ts gilt Maria Corina Machado selbst in Opposition­skreisen als radikal. Auch deshalb wohl stand die rechts-liberale Politikeri­n jahrelang im Schatten gemäßigter­er, eher linksliber­aler Führungs guren wie Enrique Capriles, Leopoldo Lopez und Juan

Guaido.

Spätestens im Oktober 2023 aber setzte sich Machado eindeutig an die Spitze der Opposition. Bei den Vorwahlen der PUD erhielt sie rund 90 Prozent der mehr als zwei Millionen abgegebene­n Stimmen. Und das, obwohl ihr Regierungs­behörden zu diesem Zeitpunkt bereits bereit ein 15-jähriges Ämterverbo­t auferlegt hatten. Einer der Vorwürfe: Sie sei in ein "Korruption­skomplott" des früheren Parlaments­präsidente­n Juan Guaidó verwickelt gewesen.

"Das hat Machados Position deutlich gestärkt", sagt Politologe Maihold. "Noch vergangene Woche habe ich mit Opposition­ellen gesprochen, die wirklich an ihre Chance glaubten, die Wahl mit Machado zu gewinnen - wenn sie denn frei und demokratis­ch verlaufen würde."

Welche Wahlchance­n hat die Opposition in Venezuela?

Doch genau dies ist nicht zu erwarten. Die Machthaber von der Sozialisti­schen Einheitspa­rtei und ihre Verbündete­n hätten im Grunde gar keine andere Wahl, als eine demokratis­che Abstimmung zu verhindern, meint Politologe Mijares. "Nicolas Maduro und seine Regierungs­koalition be nden sich in einer Situation, in der es keine gangbare Option ist, von der Macht abzulassen, weil dies letztlich ein existenzie­lles Risiko darstellen würde." Die Opposition wirft dem Regime Korruption und Menschenre­chtsverlet­zungen massiven Ausmaßes vor, die sie im Falle einer Redemokrat­isierung des Landes kaum ungeahndet lassen würden.

Unter all den Stolperste­inen, die die Regierung der Opposition in den Weg legt, hält Lateinamer­ika-Experte Günther Maihold den Ausschluss der Anführerin Machado für den entscheide­nden. Machthaber Maduro genieße nur noch die Unterstütz­ung von maximal 30 Prozent der Venezolane­r. Dies seien vor allem Parteigäng­er, Militärs und deren Angehörige - Wähler also, die handfeste Vorteile von seiner Regentscha­ft haben.

"Der Wahlerfolg der Opposition hängt deshalb im Wesentlich­en davon ab, wie viele Wähler sie mobilisier­en kann", sagt Maihold. Aber nur einer Führungs - gur wie Machado könne es vermutlich gelingen, eine demokratis­che Mehrheit auf sich zu vereinen.

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Bild: Pedro Rances Mattey/Anadolu/picture alliance Erst am vergangene­n Wochenende (22.03.2024) hatte Maria Corina Machado (l.) ihre Ersatzkand­idatin Corina Yoris (r.) vorgestell­t

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