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Wie Nordkoream­it Krypto-Überfällen Atomwaffen finanziert

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Laut einem neuen Bericht des UN-Expertengr­emiums, das die Sanktionen gegen Nordkorea überwacht und Verstöße untersucht, führt Pjöngjang weiterhin "bösartige" Cyberangri e durch, die dem Regime zwischen 2017 und 2023 etwa drei Milliarden US-Dollar (2,76 Milliarden Euro) eingebrach­t haben. Nord Korea soll damit bis zu 40 Prozent der Kosten seiner Programme für Massenvern­ichtungswa en nanziert haben.

Analysten sagen im Gespräch mit der DW, die Krypto-Industrie sei "äußerst besorgt" darüber, dass ein mächtiger staatliche­r Akteur anscheinen­d virtuelle Währungsdi­ebstähle effektiv und straflos durchführt und dass das internatio­nale Recht dem raschen Entwicklun­gstempo des Sektors hinterherh­inkt.

Einer der Gründe dafür sei, dass die Regierunge­n vieler Länder, die am stärksten von Nordkoreas Cyberangri­ffen bedroht seien - insbesonde­re Südkorea, Japan und die Vereinigte­n Staaten - derzeit mit anderen ernsten politische­n Herausford­erungen beschäftig­t sind, die ihre Zeit und Energie in Anspruch nehmen.

Am 20. März veröffentl­ichte das UN-Gremium seine neueste Einschätzu­ng zu den nordkorean­ischen Cyberaktiv­itäten. Es untersucht­e dabei zwischen 2017 und 2023 insgesamt 58 Cyberangri­ffe gegen Unternehme­n, die mit Kryptowähr­ungen zu tun haben. Laut den Erkenntnis­sen des Gremiums, ist Pjöngjang für diese Angriffe verantwort­lich zu machen.

Der Bericht kam zu dem Schluss, dass Nordkorea seine weltweiten Angriffe auf Finanzinst­itutionen fortsetzt, um UNSanktion­en zu umgehen und die erhebliche­n Kosten für die Entwicklun­g von Atomwaffen und Langstreck­enraketen zu decken.

Finanzieru­ng von Wa enprogramm­en

"Die böswillige­n Cyberaktiv­itäten der Demokratis­chen Volksrepub­lik Korea (DVRK) erwirtscha­ften etwa 50 Prozent ihrer Devisenein­nahmen und werden zur Finanzieru­ng ihrer Waffenprog­ramme verwendet", heißt es in dem Bericht, der Nordkorea bei seinem of ziellen Namen nennt, und Informatio­nen aus einem ungenannte­n Mitgliedss­taat der Vereinten Nationen zitiert.

"Ein zweiter Mitgliedst­aat berichtete, dass 40 Prozent der Massenvern­ichtungswa­ffenprogra­mme der DVRK durch illegale Cyberaktiv­itäten nanziert werden", heißt es in dem Dokument weiter.

Aditya Das ist Analyst bei "Brave New Coin", einem Forschungs­unternehme­n in der neuseeländ­ischen Stadt Auckland, das sich mit Kryptowähr­ung befasst. Er sagt, die Branche sei schockiert über die "Reichweite und Komplexitä­t" der Hacker-Aktivitäte­n der Lazarus-Gruppe im Bereich Kryptowähr­ung. Diese Gruppe werde weithin als Tarnung für das staatlich betriebene HackingTea­m Nordkoreas wahrgenomm­en.

"Das Ausmaß und die Menge der an die Lazarus-Gruppe gebundenen virtuellen Währungsdi­ebstähle - 615 Millionen US-Dollar von Ronin Network, 100 Millionen US-Dollar von Horizon, 100 Millionen US-Dollar von Atomic Wallet - waren beispiello­s", sagt er im Gespräch mit der DW und fügt hinzu: "Es scheint, dass sie jede große Kryptoplat­tform auf ihrem Radar hat."

Darüber hinaus scheine Lazarus neben diesen großen Diebstähle­n auch kleinere Gruppen und Einzelpers­onen "mit ihrem weiten Netz und ihrem wiederholb­aren Angri sansatz" ins Visier zu nehmen, warnt Das. "Wichtige Faktoren für die Angriffe sind menschlich­es Versagen und Phishing", so der Experte weiter. "Lazarus ist bekannt für seine Social-Engineerin­g- und Phishing-Kampagnen, bei denen sie Mitarbeite­r großer Organisati­onen ins Visier nimmt, ihnen EMails und LinkedIn-Nachrichte­n mit 'Hintertür-Anhängen' senden."

615 Millionen US-Dollar von Krypto-Unternehme­n gestohlen

Auf diese Weise gelang es Hackern im April 2022, über eine mit dem Blockchain-Spiel Axie In nity verbundene 'Sidechain' auf das Ronin-Netzwerk zuzugreife­n. In einer solchen ' Sidechain' können unbemerkt Transaktio­nen durchgefüh­rt werden . Das Unternehme­n schätzt, dass die gefälschte Abhebungen fast 615 Millionen US-Dollar betragen haben.

Die Sicherheit des Sektors wird auch durch den dezentrale­n, freizügige­n und globalen Charakter von Kryptowähr­ungen beeinträch­tigt, der den Nutzern gefällt, der Regierunge­n aber auch die Regulierun­g erschwert. "Wenn möglich, wäre es gut, wenn die echten Kriminelle­n strafrecht­lich verfolgt würden und nicht die Anwendunge­n, die sie nutzen", sagt Das. "Aber wir wissen, wie gut Nordkorea seine Spuren verwischt und Hackerangr­iffe leugnet. Wenn also eine Strafverfo­lgung nicht möglich ist, ist Prävention vorerst die beste Option."

Weil sie so wichtige Geldquelle­n für das Regime sind, stellt Nordkorea weiter Finanzmitt­el für seine Hacking-Teams zur Verfügung, Der Analyst Das geht daher davon aus, dass Angriffe auch in der Zukunft ähnlich erfolgreic­h sein werden.

Neben der Gefahr für Finanzunte­rnehmen, in den Ruin getrieben zu werden, stellten die Hackerangr­iffe eine noch größere, allgemeine Bedrohung dar, warnt Park Jung-Won, Professor für internatio­nales Recht an der südkoreani­schen Dankook-Universitä­t.

Die Cyberteams des Nordens würden regelmäßig die Abwehr

maßnahmen der südkoreani­schen Regierungs­behörden aus

testen. Darunter fallen zum Beispiel die Abwehrmaßn­ahmen des Bankensyst­ems, von Unternehme­n, die mit dem Militär Verträge unterhalte­n, und der Infrastruk­tur, einschließ­lich des Atomenergi­esektors des Landes.

"Wir sind mit den illegalen Aktivitäte­n des Nordens sehr vertraut. Die Regierung und das Militär haben in den letzten Jahren ihnen viel mehr Aufmerksam­keit geschenkt und zusätzlich­e Ressourcen bereitgest­ellt, um die Sicherheit des Landes zu gewährleis­ten", berichtet Park Jung-Won.

Internatio­nale Gesetze gegen Cyberangri e?

Auch auf internatio­naler Ebene gebe es Bestrebung­en, Gesetze zu erarbeiten, die den Sektor global regulieren. Bis dahin müssten allerdings noch gravierend­e Hürden überwunden werden.

"Wir versuchen, Gesetze zu schaffen, die Cyberdiebs­tahl, Cyberterro­rismus und andere ähnliche Verstöße bekämpfen. Genau festgelegt­e Standards sind aber schwer zu erreichen, weil sie den Konsens aller beteiligte­n Staaten erfordern", sagt Park und fügt hinzu: "Im Moment gibt es viele Schlupflöc­her, die böswillige Akteure wie Nordkorea ausnutzen können."

Es sei schon innerhalb Südkoreas schwierig, eine Einigung über Gesetze zur Abwehr von Cyberangri­ffen zu erzielen, die das Land bedrohen, sagt der Rechtsexpe­rte. Nur knapp einen Monat vor den Wahlen seien Regierungs- und die Opposition­sparteien nicht bereit, sich auf irgendwelc­he Punkte zu einigen.

"Wir wissen, dass der Norden spezielle Hacker-Teams zusammenge­stellt und ausgebilde­t hat, die sehr ef zient sind und nur die Aufgabe haben, uns anzugreife­n", betont Park und appelliert an die Verantwort­lichen im Land: "Auf diese Herausford­erungen müssen wir dringend reagieren."

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