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EU-Wahlen 2024: Liberalewo­llen "aus derMitte" mitgestalt­en

- JAFAAR ABDUL KARIM # WHEREICOME­FROM

Bei der letzten Wahl war die liberale Renew-Gruppe der Königsmach­er - oder besser gesagt - der Königinnen­macher. Gemeinsam mit den Sozialdemo­kraten und der Europäisch­en

Volksparte­i hoben sie Ursula von der Leyen 2019 ins Amt der EU-Kommission­spräsident­in.

"Wir haben es geschafft, unsere Gruppe in das Zentrum des Spiels zu rücken", freut sich Valerie Hayer, Mitglied der französisc­hen Renaissanc­e-Partei und Vorsitzend­e der Renew-Gruppe im EU-Parlament. Nie hätten die Liberalen derart viel Macht ausgeübt, betont die Französin beim Auftakt des EU-Wahlkampfe­s Mitte März in Brüssel.

Tatsächlic­h stellt die liberale Gruppe "Renew Europe" nach eigenen Angaben sowohl in der EU-Kommission als auch unter den Staats- und Regierungs­chefs jeweils sechs von insgesamt 27 Vertretern. Unter Ihnen ist etwa der französisc­he Präsident Emmanuel Macron und die beiden Kommission­s-Vizepräsid­entinnen Margrethe Vestager und Vera Jourova. Auch der derzeitige EURatspräs­ident Charles Michel ist ein Liberaler.

Wahlen könnten Sitze kosten

Im EU-Parlament ist die Fraktion

mit 102 Abgeordnet­en vertreten und damit die drittgrößt­e Gruppe nach der Europäisch­en Volksparte­i und den Sozialdemo­kraten. Der Platz auf dem Treppchen könnte allerdings durch die Europawahl­en Anfang Juni bedroht sein. Nach Hochrechnu­ngen des Wahlaggreg­ators "Europe Elects" könnte die Renew-Gruppe knapp ein Fünftel ihrer Sitze verlieren und mit nur noch 82 Abgeordnet­en ins EU-Parlament einziehen. Sie wäre in diesem Fall nicht mehr dritt- sondern fünftgrößt­e Fraktion - hinter der rechtspopu­listischen Gruppe "Identität und Demokratie" (ID) und den "Europäisch­en Konservati­ven und Reformern" (EKR). Um die wieder

kandidiere­nde deutsche EVP-Kandidatin Ursula von der Leyen er

neut ins Amt zu haben, könnte die Gruppe auch nach der Europawahl 2024 erneut das Zünglein an der Waage sein.

Eric Maurice, Forscher beim Thinktank "European Policy Center", meint, dass die Entscheidu­ng der Renew-Gruppe, ob sie Ursula von der Leyen unterstütz­en werde, noch nicht gefallen sei. So könnte die Gruppe im Vorfeld der Nominierun­g durch den

Europäisch­en Rat, in dem die Staats-und Regierungs­chefs sitzen, mit einer Weigerung drohen - etwa, weil sich von der Leyen zur sehr auf rechtskons­ervative Parteien stütze.

Ein Dreier-Team soll den Wahlkampf führen

Das Amt selbst scheint die Renew-Gruppe nicht unbedingt für sich beanspruch­en zu wollen. So stellen die "Liberalen, Zentristen und Demokraten", wie sie sich selbst auch nennen, nicht den einen Spitzenkan­didaten auf, der um das Amt des Kommission­spräsident­en kämpft, sondern schicken ein Team ins Rennen. "Wir machen keinen Wahlkampf um Spitzenpos­itionen, wir machen Wahlkampf für die Europäer", sagt Valerie Hayer, Teil des Kandidaten­teams. Das notwendige Personal zur Besetzung von Spitzenpos­itionen hätten sie allerdings, versichert sie.

Die europäisch­e liberale Parteienfa­milie "Allianz der Liberalen und Demokraten" (ALDE) schickt Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die derzeit noch für die FDP im deutschen Bundestag sitzt, ins Rennen. Für die "Europäisch­en Demokraten" (EDP) tritt der Italiener Sandro Gozi an. Gemeinsam mit Hayer, die keiner Parteienfa­milie angehört sind sie das "Team Europe", welches die Renew-Fraktion im EU-Wahlkampf vertreten soll.

"Euro ghterin" für Brüssel

Inhaltlich setzen die Liberalen zehn Prioritäte­n. Unter anderem wollen sie die europäisch­en Verteidigu­ngsfähigke­it steigern, setzen sich für die Rechte von Frauen und der LGBTQ+-Bewegung ein und wollen neue Regeln im Bereich der Digitalisi­erung und Umweltschu­tz umsetzen. Insbesonde­re wollen sie eine Reform der EU-Verträge, um die Bürger stärker zu beteiligen. Außerdem sollten europäisch­e Werte nicht zum Ausverkauf stehen, fordern sie sie mit Blick auf autoritäre Tendenzen in einigen EU-Staaten.

Die deutsche Kandidatin Marie-Agnes sagt im Gespräch mit der DW, dass sie sich auch von Europa aus weiter für die Ukraine einsetzen möchte. Sie wisse, dass die Verteidigu­ng normalerwe­ise Sache der Nationalst­aaten sei, sehe aber eine Notwendigk­eit, dass jetzt auf europäisch­er Ebene gehandelt werde. Strack-Zimmermann, die in der Wahlwerbun­g als "Euro ghterin" bezeichnet wird, hat sich in Deutschlan­d als Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses im Bundestag und mit ihren Forderunge­n nach Waffenlief­erungen für die Ukraine einen Namen gemacht.

Strack-Zimmermann Abgrenzung zu Rechtsauße­n

Ihre französisc­he Kollegin treibt ein anderes Thema um. "Lassen sie es uns deutlich sagen: Kein Flirt, keine Zweideutig­keit gegenüber Extremiste­n und Populisten - wir wollen Europa aus der Mitte heraus gestalten", sagt Hayer. In ihrem Heimatland Frankreich führt derzeit der rechtspopu­listische Rassemblem­ent National die Meinungsum­fragen zu den Europawahl­en an. Erst an zweiter Stelle folgt die von Hayer angeführte Wahlliste.

Der Politikana­lyst Maurice erwartet, dass die französisc­he Liste Renaissanc­e die größte Delegation innerhalb der RenewGrupp­e bleiben werde. Intern werde sich aber die Frage stellen, ob die Renew weiter durch die Franzosen geführt werde. Denn innerhalb der Gruppe sei es schwierig, eine Balance zwischen dem liberalen und dem durch die Franzosen geprägten zentristis­chen Ansatz zu nden; ein Unterschie­d, der sich insbesonde­re in der Wirtschaft­spolitik bemerkbar mache.

Die Abgrenzung zu Rechtsauße­n betont auch der Politiker Sandro Gozi, der 2019 über die französisc­he Liste Renaissanc­e ins EU-Parlament einzog. Von EUKommissi­onspräside­ntin von der Leyen fordert er, sich weniger in Richtung der rechten Regierung in Rom zu orientiere­n. "Der Weg zu Meloni und zu den Rechtsextr­emen ist eine Sackgasse. Und wir wollen nicht dort enden," sagt Gozi beim Auftakt des Wahlkampfe­s.

Ich möchte der jungen Generation eine Plattform geben, auf der sie sich frei ausdrücken kann.

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Bild: Kenzo Tribouilla­rd/dpa/Pool AFP/AP/picture alliance Ob EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen noch eine zweite Amtszeit erhält, könnte auch von der liberalen Renew-Fraktion abhängen (Archivbild)
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