Deutsche Welle (German edition)

Baltimore: Gefährdet die eingestürz­te Brücke den Welthandel?

-

In den frühen Morgenstun­den des 26. März brachte das mit 5000 Containern beladene Schi Dali eine Brücke in Baltimore im US-Bundesstaa­t Maryland zum Einsturz. Die Dali sollte nach Colombo auslaufen, als das Unglück geschah. Die ersten Befürchtun­gen bestätigte­n sich: Bei dem Unfall kam ungefähr ein halbes Dutzend Menschen ums Leben.

Auch eine weitere Annahme bestätigte sich schnell: Der Hafen der US-Ostküstenm­etropole ist gesperrt worden. Etwa 40 Schiffe, die zum Auslaufen bereit waren, können ihre Liegeplätz­e nicht verlassen. Vom Atlantik kommende Schiffe können die Monument City Baltimore bis auf Weiteres nicht anlaufen.

Eine andere Reaktion erfolgte ebenso prompt: Die Maersk-Aktien brachen in Kopenhagen um 2,6 Prozent ein. Ein Analyst des Online-Brokers Nordnet sagte der Nachrichte­nagentur Reuters: "Auf lange Sicht ist dieses Ereignis kein wichtiger Impuls für den Aktienkurs - es sei denn, es kommt etwas Unerfreuli­ches dazu, wie Hinweise auf grobe Fahrlässig­keit als Hintergrun­d des Unfalls." Laut Online-Dienst Bloomberg reagiert auch Gregory Daco, Chefökonom bei der Unternehme­nsberatung EY, gelassen: "Ich denke, dass die makroökono­mischen Effekte begrenzt bleiben werden."

Wer soll das bezahlen?

Auf die wirtschaft­lichen Folgen des Einsturzes wies US-Verkehrsmi­nister Pete Buttigieg hin. Man werde sich nun auf Lieferkett­enprobleme einstellen müssen, "von denen wir wissen, dass sie kommen werden", sagte er bei einer Pressekonf­erenz. Diese beträfen nicht nur die Stadt und ihre Umgebung, "sondern die gesamte US-Wirtschaft".

US-Präsident Joe Biden sagte, beim Hafen von Baltimore handele es sich um eine der wichtigste­n maritimen Anlaufstel­len der USA - insbesonde­re für den Import und Export von Autos und Kleinlaste­rn. So würden dort 850.000 Fahrzeuge pro Jahr verschifft, davon hingen rund 15.000 Arbeitsplä­tze ab. Dazu kommt: Die jetzt zerstörte Francis Scott Key Bridge ist eine wichtige Verkehrsad­er an der Ostküste der Vereinigte­n

Staaten. Laut Biden überquerte­n sie vor dem Unfall rund 30.000 Fahrzeuge pro Tag.

Buttigieg bezeichnet­e die Brücke als "Kathedrale der amerikanis­chen Infrastruk­tur". Der Wiederaufb­au werde lange dauern: "Es wird nicht schnell gehen, es wird nicht billig sein, aber wir werden gemeinsam wieder aufbauen." Der Präsident hat bereits nanzielle Unterstütz­ung versproche­n: "Ich beabsichti­ge, dass die Bundesregi­erung die gesam

ten Kosten für den Wiederaufb­au dieser Brücke übernimmt", sagte Biden in Washington. Gerechnet wird mit Kosten zwischen 500 Millionen und 1,2 Milliarden US-Dollar und mindestens zwei Jahren Bauzeit.

Corona reloaded?

Europäisch­e Autobauer, unter ihnen Mercedes, Volkswagen und BMW, unterhalte­n in der Baltimore-Region eine umfangreic­he Infrastruk­tur zur Verschiffu­ng von Fahrzeugen. Darauf zielt auch der Commerzban­k-Handelsexp­erte Vincent Stamer ab, der am Mittwoch Reuters gegenüber sagte: "Der Handel mit Deutschlan­d dürfte von Umleitunge­n betroffen sein, denn der Hafen von Baltimore hat sich auf das Löschen von Pkw spezialisi­ert."

Ford und General Motors haben bereits reagiert und suchen nach Alternativ­en zum Hafen in Baltimore. Das bestätigt auch Ryan Peterson, Gründer und Chef von Flexport, einem digitalen Frachtdien­stleister aus San Francisco: "Firmen haben bereits begonnen, ihre Kapazitäte­n von der Ost- an die Westküste zu verlegen." Baltimore geschlosse­n und mehr Verkehr an der Pazi kküs

te? Das werde zu "Staus und Verspätung­en führen". Ein Déjà vu für Firmen und Verbrauche­rn, so Peterson bei Bloomberg.com: Alles schon dagewesen in der Corona-Krise. Der plötzliche Anstieg von Verkehr in einem Hafen um zehn bis 20 Prozent reiche aus, um alle möglichen Arten von Verzögerun­gen hervorzuru­fen.

Auch deutsche Häfen bedroht?

Die Frage, ob auch in Deutschlan­d so etwas passieren könnte, stellte die DW Ulf Kaspera von der Bundesstel­le für Seeunfallu­ntersuchun­g in Hamburg, einer Einrichtun­g des Bundesverk­ehrsminist­eriums. Er sieht derzeit keine aktuelle Gefahr, fügte aber hinzu: "Welche Sicherheit­smaßnahmen im Detail ergriffen werden, hängt von den Hafenbetre­ibern ab." In Hamburg etwa sei es für weite Bereiche des Hafens P icht, große Schiffe schleppen und bugsieren zu lassen. Der Einsatz von Schleppern könne "solche Unfälle verhindern".

Auch Josef Hegger vom Institut für Massivbau der RWTH Aachen nahm gegenüber der Deutschen Presseagen­tur Stellung zur Havarie in den USA. Der Hochschull­ehrer ist Experte für Brü

ckenbau. Man könne, so Hegger, durch die Kombinatio­n verschiede­ner konstrukti­ver Maßnahmen ein Höchstmaß an Sicherheit erreichen: "So muss der Pfeiler eine gewisse Resilienz haben, dass er nicht beim leichten Anprall schon einstürzt."

Lieber auf Grund als an den Pfeiler

Die Bundesanst­alt für Wasserbau hat strikte Regeln aufgestell­t, welchen Kräften bei einem Aufprall Brückenpfe­iler widerstehe­n können müssen - abhängig von Schi fahrtsweg und Größe der dort fahrenden Schiffe. Zusätzlich gäbe es auch auf Wasserwege­n "Leitplanke­n", die einen Aufprall verhindern sollen. "Bei den Rheinbrück­en sind die großen

Pfeiler und Pylone häu g am Rand des Flusses angeordnet, so dass die Flussö nung komplett frei ist. Gibt es in der Mitte einen Pylon, dann ist er relativ massiv und keilförmig und würde ein Schi , das dagegen fährt, sozusagen ablenken", so Hegger.

Auch bei den Brücken über den Nord-Ostsee-Kanal oder bei der spektakulä­ren Hamburger Köhlbrandb­rücke, die ein Schi auf dem Weg zum Container-Terminal Altenwerde­r passieren muss, lägen die Pfeiler meistens am Rande oder außerhalb des Fahrwasser­s. Schiffe, so Josef Hegger liefen dort eher auf Grund, "bevor sie den Pfeiler mit voller Wucht treffen".

Die Autobahn GmbH des Bundes bestätigt diese Strategie. Die dpa zitierte einen Sprecher der GmbH mit den Worten: "Wir haben für alle Autobahnbr­ücken über Wasserwege ein sehr, sehr hohes Schutznive­au". Bereits seit Jahrzehnte­n werde darauf geachtet, dass die Pfeiler nicht in der Fahrrinne stehen und auch manövrieru­nfähige Schiffe im Ernstfall eher auf Grund laufen würden.

 ?? Bild: Julia Nikhinson/REUTERS ?? Als am Dienstag (26.03.2024) die Sonne aufging, zeigte sich dieses Bild der Zerstörung
Bild: Julia Nikhinson/REUTERS Als am Dienstag (26.03.2024) die Sonne aufging, zeigte sich dieses Bild der Zerstörung

Newspapers in German

Newspapers from Germany