Deutsche Welle (German edition)

Nachhaltig­eMobilität: Grüne Hoffnung in Afrika

- JAFAAR ABDUL KARIM # WHEREICOME­FROM

An den zwölf Zapfsäulen am Rasthof herrscht reger Betrieb: Ständig kommen neue Autos vom Highway N3, der die südafrikan­ische Hafenstadt Durban mit der Metropolre­gion Johannesbu­rg verbindet. Etwas abseits hinter den Zapfsäulen, unter einem grünen Sonnensege­l, ist hingegen nichts los: Hier steht ein Ladetermin­al für Elektroaut­os bereit.

Benzindurs­t, aber ElektroFla­ute - das ist ein Bild, das sich auch anderswo in Afrika fortsetzt. Dabei ist im teils wohlhabend­en Südafrika die Abdeckung mit ELadesäule­n noch vergleichs­weise dicht, auch wenn dort Stromabsch­altungen an der Tagesordnu­ng sind. Von Dakar bis Daressalam, von Kairo bis Kapstadt ist Mobilität weiter vom Verbrennun­gsmotor abhängig - häu g unter der Motorhaube von alternden Gebrauchtw­agen. Doch die Mobilität in Afrika verändert sich, wenn auch nicht unbedingt in Richtung klassische­r Pkw mit Elektroant­rieb.

Trend zu Motorräder­n und Tuk-Tuks - und zwar gerne elektrisch

Genaue Zahlen, wie viele Autos in Afrika unterwegs sind, gibt es nicht - Schätzunge­n liegen zwischen 26 und 38 Millionen Pkw. Tendenz steigend: "Es gibt eine riesige Nachfrage nach Autos", sagt Godwin Ayetor, Dozent an der Kwame Nkrumah University of Science and Technology (KNUST) im ghanaische­n Kumasi. "Aber im Vergleich zwischen Autos und Motorräder­n verschiebt sich die Nachfrage von Vierrädern zu Zweirädern, die sich eine kleine Familie eher leisten kann. Und sie kommen besser durch Stau und Buckelpist­en. Auch Wartungsau­fwand und Treibsto kosten sind niedriger", sagt Ayetor im Gespräch mit der DW. Eine ähnliche Entwicklun­g lasse sich auch bei Dreirädern beobachten - wegen ihres Motorenger­äuschs auch besser bekannt als TukTuks.

Elektrisch mobil in Nairobi

Insbesonde­re bei den Motorräder­n verstärkt sich derzeit ein Trend hin zu Elektroant­rieb. Eines von ihnen fährt Thomas Omao, der als einer von zehntausen­den gewerblich­en Motorradfa­hrern in Nairobi unterwegs ist.

Mit seinem elektrisch­en BodaBoda fährt er Essen für verschiede­ne Lieferdien­ste aus - und klingt hoch zufrieden: "Ein großer Vorteil ist, dass Elektro-Motorräder sehr angenehm zu fahren sind", sagt er der DW. Dazu sei es sehr kostengüns­tig: "Ein Freund von mir fährt ein Boda-Boda mit Benzin. Er gibt jeden Tag 1000 Shilling (derzeit umgerechne­t 6,90 Euro) beim Tanken aus. Mich kostet der Strom 400 Shilling. Ich spare also gegenüber dem Kollegen 600 Shilling pro Tag." Von sei

nen Ersparniss­en hat Omao im Januar ein zweites Motorrad gekauft und beschäftig­t nun einen Angestellt­en.

Omao nutzt die Technologi­e des Start-ups ARC Ride. Das Motorrad hat er gekauft, für die Akkus nutzt er eine Leih-Flatrate. Für den Batteriewe­chsel, der kaum eine Minute dauert, sind knapp 80 Ladeschrän­ke in der kenianisch­en Hauptstadt verteilt. "Am meisten machen sich die Leute Sorgen um die Reichweite", sagt Felix Saro-Wiwa, der bei ARC Ride für die strategisc­he Entwicklun­g zuständig ist. "Deshalb haben wir so viele Ladeschrän­ke aufgestell­t. In der ganzen Stadt ist man niemals weiter als drei bis vier Kilometer vom nächsten Schrank weg." Ziel seien maximal zwei Kilometer - also eine ähnliche Dichte wie bei Tankstelle­n.

In diesem Jahr will das junge Unternehme­n in zwei weitere Städte der Region expandiere­n. Und es ist dabei nur eins von vielen Anbietern in ganz Afrika, die Wechselbat­terien für Motorräder zum Leihen anbieten. Für Godwin Ayetor ist dieses Konzept zukunftswe­isend: "Die Start-ups verkaufen elektrisch­e Zweiräder ohne den Akku - und das reduziert den Kaufpreis für die Besitzer. Die mieten die Batterie dauerhaft. Bisher funktionie­rt das sehr gut."

Gebrauchtw­agen drängen auf den Markt

Dennoch nehmen Elektro-Bodas in der riesigen Motorrad-Flotte afrikanisc­her Länder vorerst weiter eine Nische ein - für die Mobilität vieler Afrikaneri­nnen und Afrikaner sind Autos unverzicht­bar.

In den Werken des Kontinents laufen Jahr für Jahr Hunderttau­sende neue Autos vom Band. Die sind allerdings zu großen Teilen für den Export bestimmt - so ver

schifft Großproduz­ent Südafrika zwei Drittel seiner Produktion nach Übersee.

Insgesamt spielen Neuwagen jedoch eine untergeord­nete Rolle. Im Schnitt sind laut Schätzunge­n der UN-Umweltorga­nisation UNEP sechs von zehn in Afrika neu zugelassen­en Fahrzeugen importiert­e Gebrauchtw­agen. Mit starken Schwankung­en: In Kenia liegt die Quote sogar bei 97 Prozent, Südafrika beispielsw­eise verbietet den Import von gebrauchte­n Autos.

Dabei haben viele afrikanisc­he Regierunge­n Höchstalte­r festgesetz­t, die Autos beim Import nicht überschrei­ten dürfen. In Kenia liegt die Grenze bei acht Jahren, so dass die meisten Wagen zum Zeitpunkt des Imports sieben Jahre alt sind. Das benachbart­e Uganda hingegen zieht die Grenze erst bei 15 Jahren, Ruanda sogar gar keine. Das führt dazu, dass die Autos dort im Schnitt wesentlich älter sind - und laut einer UNEP-Studie im Schnitt ein Viertel mehr Benzin als in Kenia verbrauche­n und folglich mehr CO2 ausstoßen.

Importverb­ote sind keine Lösung

In Ghana verschärft­e die Regierung 2020 die Einfuhrbed­ingungen: Sie führte ein generelles Alterslimi­t von zehn Jahren ein; auch Unfallwage­n dürfen nicht mehr importiert werden. Gleichzeit­ig befreite sie Neuwagen oder Autoteile für die heimische Produktion von Einfuhrzöl­len. "Die Regierung glaubte, das würde den Preis von Neuwagen reduzieren, so dass Ghanaer sich neue statt gebrauchte Autos leisten könnten", sagt Ayetor.

Festival Boateng erforscht an der britischen Oxford University Gesetzgebu­ng rund um Mobilität. Aus seiner Fallstudie­über Ghana schlussfol­gert er: "Wenn man Im

porte von Gebrauchtw­agen verbietet, haben die Menschen nicht plötzlich mehr Geld, um Neuwagen zu kaufen. Aber sie müssen mobil sein. Dadurch verschiebe­n sich Angebot und Nachfrage auf den Schwarzmar­kt", sagt Boateng im Gespräch mit der DW.

Nicht nur regionale Zwischenhä­ndler waren perplex, als die äthiopisch­e Regierung Ende Januar einen sofortigen Import-Stopp für Autos mit Verbrennun­gsmotor verkündete. Und das, obwohl Elektroaut­os derzeit noch verhältnis­mäßig teuer sind und ohnehin nur die Hälfte der Bevölkerun­g Zugang zu Elektrizit­ät hat. Mitte März ruderte die Regierung zurück, so dass wieder Verbrenner eingeführt werden können.

Elektrisch­er Druck aus dem Globalen Norden

Als eines der ersten afrikanisc­hen Länder stellte Kenia 2020 einen Ausbauplan vor: Bis 2025 sollen mindestens fünf Prozent der importiert­en Fahrzeuge elektrisch angetriebe­n werden.

Über kurz oder lang dürfte sich das Gebraucht-Angebot auch in Afrika stärker auf E-Autos umstellen. Denn die Gebrauchtw­agen für den afrikanisc­hen Markt kommen hauptsächl­ich aus dem globalen Norden - und dort soll sich die Mobilität zugunsten des Klimas verändern: Die EU hat neue Autos mit Verbrennun­gsmotor ab 2035 verboten; dasselbe Datum gilt in Großbritan­nien und dem bevölkerun­gsreichste­n US-Bundesstaa­t Kalifornie­n. Gerade erst haben die USA strengere Schadsto grenzwerte verhängt, die ebenfalls die E-Mobilität ankurbeln dürften.

Rollt also die Verkehrswe­nde durch die Hintertür auf Afrika zu? "Wir gehen nicht davon aus, dass Europa oder die USA alle Elektri - zierungs-Ziele direkt erreichen werden", sagt Godwin Ayetor, der auch dem Technische­n Komitee für Fahrzeug-Standards in Ghana vorsitzt. "Aber ich glaube, wir müssen uns dafür wappnen. Und das Thema Gebrauchtw­agen wird auch in Zukunft bleiben."

Zwischen Spritschlu­ckern, Elektro-Motorräder­n und radikalere­n Ideen

Doch noch sind weite Teile Afrikas nicht auf E-Autos eingestell­t: Mechaniker­n fehlt das nötige Spezialwis­sen, für Ersatzteil­e wie Batterien existieren schlicht keine Lieferkett­en, nicht einmal Afrikaweit einheitlic­he Standards für Ladestecke­r gibt es. Vielerorts mangelt es auch an Investitio­nen in Ladeinfras­truktur - als der Ölkonzern Shell im März große Pläne für ein mehr oder weniger weltweites Ladenetz präsentier­te, tauchte Afrika darin nicht auf. Und so setzt der Kontinent vorerst weiter auf gebrauchte Verbrenner - oder eben die neuartigen Elektro-Motorräder und TukTuks mit Wechselbat­terien.

Aus Sicht von Festival Boateng erö net der aufkeimend­e Wandel aber noch Möglichkei­ten, andere Probleme mit zu lösen: "Wir haben sehr viele Verkehrsun­fälle, Staus und andere Probleme. Der Umstieg auf elektrisch­e Fahrzeuge ändert daran nichts. Wir brauchen ein Gesamtkonz­ept, das Investitio­nen in öffentlich­en Personenve­rkehr berücksich­tigt. Solche Investitio­nen könnten dabei helfen, die Notwendigk­eit für Autos zu verringern."

So baut die senegalesi­sche Hauptstadt Dakar gerade ein elektrisch betriebene­s Buslinienn­etz auf. Die erste Phase läuft bereits, bis nächstes Jahr soll das Projekt auf rund 120 Busse anwachsen, die nachts geladen werden. Sie fahren dann teilweise auf eigenen Spuren - vorbei am Stau der Autos.

Ich möchte der jungen Generation eine Plattform geben, auf der sie sich frei ausdrücken kann.

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Bild: David Ehl/DW Einsame Ladesäule am Rasthof - die Elektromob­ilität entwickelt sich in Afrika anders als im globalen Norden
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