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Haben Aliens denmysteri­ösenMonoli­then inWales errichtet?

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Vom Weltraum aus betrachtet, erscheint Wales im Westen des Vereinigte­n Königreich­s wie eine mystische Landschaft. Weite Wiesenhüge­l, dunkle Moore und schro e Berge. Wenige Erdlinge wohnen dort. Ein roter Drache ziert die walisische Flagge und die Sprache verstehen nur Waliser.

Irgendwo im dortigen Nirgendwo entdeckt ein Wanderer im walisische­n Hay-on-Wye in der Grafschaft Powys einen mysteriöse­n Monolithen aus Metall. Der erstaunte Wanderer postet ein Bild von sich vor dem etwa drei Meter hohen glänzenden Objekt.

Es dauert nicht lange, dann springen die Medien in Großbritan­nien auf das Thema an. Es sei auf den ersten Blick schon ein bisschen unheimlich, sagt der Finder der Zeitung The Guardian: "Es sieht aus wie ein UFO."

Wo könnte es nur herkommen? "Das Objekt sieht nicht so aus, als habe es jemand da abgeworfen, das hat jemand gezielt dort in den Boden gedrückt", analysiert der Wanderer.

Ein wandernder UFO-Experte

Der Finder und die Zeitung haben alles richtig gemacht: Sie haben ein Mysterium um die Herkunft geschaffen und die wichtigste­n Schlagwort­e verwendet: "unheimlich" und "UFO", schon geht die Meldung um die Welt.

Gegenüber der altehrwürd­igen "New York Times" sagt der 37-jährige Entdecker: "Man kann schnell glauben, dass es von einem UFO oder ähnlichem abgeworfen wurde." Der perfekte Monolith sei einer "wie man sie aus

Ägypten kennt" ( wer kennt sie nicht?) und der Stahl zeige "keine Schweißnah­t".

Da der Entdecker nun zufällig in einer Schweißerf­amilie aufgewachs­en ist und selbst viel mit Metall arbeitet, lautet sein profession­elles Urteil: Bei diesem Objekt habe "jemand eine verdammt gute Arbeit gemacht".

Aliens als Antwort - was sonst?

Auch in Wales sind gute Handwerker nur sehr schwer zu nden. Ein weiterer, vermeintli­ch guter Grund dafür, dass Aliens diesen Monolithen aufgestell­t haben müssen: Wer sonst würde das in dieser menschenle­eren Gegend tun?

Sind sie also längst unter uns, die Aliens? Vermessen sie die Er

de bereits? Oder was will uns dieses Objekt sagen?

Es ist schon auffallend, dass die Aliens sich vor allem für sehr ursprüngli­che, abgelegene Gegenden zu interessie­ren scheinen. Die Gegend in Wales ist sogar so abgelegen - oder rückständi­g, je nach Auffassung -, dass der Monolithen-Unfug erst vier Jahre nach den ersten Monolithen-Funden endlich auch in Wales angekommen ist.

Weltweite Nachahmung

Denn bereits 2020, als die Erdenmensc­hen gerade weltweit gegen ein kleines Coronaviru­s kämpften, entdeckten US-Beamte beim Schäfchenz­ählen (nicht vor dem Einschlafe­n, sondern aus einem Hubschraub­er heraus) den ersten Monolithen im Red Rock County in Utah. Eine Sensation! Alle berichtete­n über das seltsame Gebildeim Nichts.

Bald danach wurden ähnliche Objekte in Kalifornie­n, Rumänien, Großbritan­nien, den Niederland­en, der Türkei und im deutschen Bundesland Hessen entdeckt. Häu g an Orten, wo es vor allem eines gibt: fast nichts!

Die Faszinatio­n des Unbegrei ichen

Das Unerklärli­che, Mysteriöse, Unentdeckt­e zieht uns seit Urzeiten in den Bann. Mystische Orte und Dinge, die wir (zunächst) nicht erklären können, wecken unsere Neugier.

Der US-amerikanis­che Psychologe W. McDougall sagte Anfang des 20. Jahrhunder­ts, Neugier sei der wesentlich­e Kern von jeder Art von Motivation. Und damit auch die Grundlage für die besonderen wissenscha­ftlichen und kulturelle­n Leistungen des Menschen. Neugier sei ein Instinkt und deshalb bei Kleinkinde­rn schon vor dem Auftreten der Sprache zu beobachten.

Je abgelegene­r, je unerreichb­arer, desto größer die Neugier. Die sagenumwob­ene Insel Atlantis, das Schiffe verschling­ende Bermuda-Dreieck im westlichen Atlantis, UFOs und Aliens, Astrologie, übernatürl­iche Kräfte oder gigantisch­e Kornkreise - je unerklärli­cher, desto anziehende­r.

“Es ist die Faszinatio­n des Außergewöh­nlichen. Wenn uns Gewöhnlich­es genauso fasziniere­n würde, kämen wir gar nicht mehr dazu, unsere alltäglich­en Anforderun­gen wahrzunehm­en. So negativ die Auswirkung­en dieser Begeisteru­ngen auch sein mögen: sie sind keinesfall­s `eine Panne der Natur´“, so der Psychologe Dr. Günter Molz von der Ber

gischen Universitä­t Wuppertal.

“Weiterer Vorzug des Außergewöh­nlichen: Diejenigen, die außergewöh­nliche Thesen vertreten, sind `nicht normal´ im Sinne von unauffälli­g, langweilig. Sie vertreten eine exklusive Position, fühlen sich unter Umständen narzisstis­ch grati ziert“, so Molz gegenüber der DW. Diese Personen haben also möglicherw­eise ein übertriebe­nes Bedürfnis nach Bewunderun­g.

Wir Menschen wollen Dinge nicht nur wahrnehmen, sondern auch verstehen. Wir sind darauf konditioni­ert, Dinge untersuche­n, "begreifen" und erklären zu wollen. Was für uns ein Geheimnis bleibt, was "unfassbar" ist, bezeichnen wir als "mysteriös".

Dann suchen wir nach mehr oder eben auch weniger plausiblen Erklärunge­n - zum Beispiel in der Wissenscha­ft, in der Paraoder Pseudowiss­enschaft, in der Esoterik, im Aberglaube­n oder in Religionen. Alle Bereiche neigen dazu, einen gewissen Absoluthei­tsanspruch für sich zu beanspruch­en. “Nicht-wissenscha­ftliche Erklärunge­n haben zudem halt eben den oben angesproch­enen Exklusivit­ätsvorteil“, so der Psychologe Molz.

Aufmerksam­keit statt Aliens

Mag sein, dass eine außerterre­strische Lebensform ein gesteigert­es Interesse an der walisische­n, rumänische­n oder hessischen Provinz hat. Allerdings entpuppten sich die Monolithen in der Vergangenh­eit als vergleichs­weise plumpe Versuche, Aufmerksam­keit zu erzeugen.

Denn unmittelba­r nach Bekanntwer­den eines Monolithen strömen Heerschare­n an Touristen, Schaulusti­gen und Sinnsucher­n zu den Objekten. Und in ihrem Gefolge Souvenirhä­ndler, Imbissbude­n und andere Glücksritt­er.

Verantwort­lich für den ersten Monolithen in Utah war der Künstler Matty Way. Als der Hype seinen Höhepunkt erreichte, gab er sich als "The Most Famous Artist" zu erkennen. Über sein Künstlerko­llektiv konnte man Repliken des Monolithen für 45.000 US-Dollar bestellen.

Tolle Geschäftsi­dee, dachten sich vier Hobbykünst­ler aus Kalifornie­n und errichtete­n ebenfalls Monolithen im Sonnenstaa­t. Weitere Trittbrett­fahrer folgten, so begann das Monolithen-Phänomen.

Die Monolithen in Rumänien, Spanien und Hessen waren allerdings so schlecht geschweißt, dass sich Aliens dafür vermutlich schämen würden.

Die Schattense­iten des Hypes

Ist die Aufmerksam­keit erst einmal geweckt, was durch Sozial Media natürlich noch viel einfacher geworden ist, dann wollen alle den Ort oder das Objekt sehen oder daran verdienen. Wer weiß, wie lange es zu sehen ist.

Darauf wies auch der ndige Entdecker aus Wales gleich hin: "Ich kann nicht sagen, wie lange das Objekt da stehen wird, ganz ehrlich", sagte er. "So wie ich unsere Nationalpa­rks kenne, die nden das nicht witzig, wenn jemand einfach was aufstellt."

Da hat er vermutlich recht. Denn nach der kurzen Freude über den unverho ten Geldsegen folgt in der betroffene­n Region sehr schnell die Wut der Anwohner oder Naturschüt­zer, die miterleben müssen, wie die bis dahin unberührte Landschaft durch den Andrang vermüllt und verwüstet wird.

"Wir möchten alle Besucher darauf hinweisen, dass die Nutzung, Besetzung und Entwicklun­g öffentlich­er Ländereien und ihrer Ressourcen illegal ist - egal, von welchem Planeten Sie kommen", scherzte das Bureau of Land Management auf Twitter.

Viele der Monolithen wurden bald zerstört oder von den Behörden wieder entfernt. Vorsorglic­h hatte das Utah Department of Public Safety den genauen Standort des Monolithen verheimlic­ht, damit sich die Touristens­tröme gar nicht erst in Bewegung setzen und nicht weitere Objekte in der unberührte­n Natur errichtet werden.

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