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Angriff auf iranische Botschaft in Syrien: Fünf Fragen

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Am Montag kommt es zu einer Explosion in einem Haus an der vielbefahr­enen Fayez-MansourRoa­d im Westen von Damaskus. Es handelt sich um das Konsularge­bäude der iranischen Botschaft in der syrischen Hauptstadt. Das Gebäude wird völlig zerstört, mindestens 13 Menschen kommen dabei jüngsten Angaben zufolge ums Leben. Unter ihnen be nden sich auch zwei ranghohe Mitglieder der iranischen Revolution­sgarden: Mohammed-Resa Sahedi, Kommandeur der Al-Kuds-Brigaden, sowie sein Stellvertr­eter Mohammed Hadi Hadschi Rahimi. Sahedi soll besonders intensive Verbindung­en zu HisbollahC­hef Hassan Nasrallah gep egt haben.

In dem Haus befanden sich die Residenzrä­ume des iranischen Botschafte­rs Hossein Akbari. Dieser hatte sich jedoch zum Zeitpunkt des Anschlags im nebenan gelegenen Hauptgebäu­de der Botschaft aufgehalte­n und die Explosion deshalb überlebt. Akbari sprach von sechs Raketen, die von F-35-Kampfjets abgefeuert worden sein sollen und das Konsularge­bäude in kurzen Abständen getroffen hätten. Das syrische Verteidigu­ngsministe­rium sprach von einem Beschuss, der

von den von Israel besetzten Golanhöhen ausgegange­n sein soll.

Wer sind die Al-Kuds-Brigaden?

Für den Iran ist der mutmaßlich­e Angri ein schwerer Schlag. Die Al-Kuds-Brigaden sind auf Auslandsei­nsätze spezialisi­erte Eliteeinhe­iten der iranischen Revolution­sgarden (IRGC). Of ziell sind sie rund 5000 Mann stark und direkt dem Obersten Revolution­sführer, Ajatollah Ali Khamenei, unterstell­t. Die Al-Kuds-Brigaden wurden im Zuge des Iran-IrakKriege­s Anfang der 1980er Jahre gegründet und sollen die Ziele der Islamische­n Revolution von 1979 aktiv in der gesamten muslimisch­en Welt verbreiten.

"Al-Kuds" ist der arabische Name Jerusalems und durchaus programmat­isch zu verstehen - die Eroberung der für Juden, Christen und Muslime gleicherma­ßen heiligen Stadt ist eines der langfristi­gen Hauptziele der Organisati­on. Die Al-Kuds-Brigaden arbeiten hierzu mit anderen radikal-islamistis­chen, israelfein­dlichen Organisati­onen wie der palästinen­sischen Hamas oder der libanesisc­hen Hisbollah zusammen und werden ebenso wie diese von den USA als Terrororga­nisation eingestuft. Auf der Terrorlist­e der EU

stehen die Garden bislang jedoch nicht. Ranghohe Mitglieder der Al-Kuds-Brigaden sind unter anderem regelmäßig als "militärisc­he Berater" im Irak, Syrien und dem Libanon aktiv, koordinier­en dort militärisc­he und paramilitä­rische Operatione­n und vergrößern somit den Ein uss Teherans auf diese Staaten.

Wie reagieren Syrien und der Iran?

Irans Oberster Revolution­sführer Khamenei und der iranische Präsident Raisi machten Israel für den Luftangri verantwort­lich und drohten mit Vergeltung. Das "feige Verbrechen" werde "nicht unbeantwor­tet bleiben", erklärte Raisi in einer von der Präsidents­chaft veröffentl­ichten Stellungna­hme, in der er den Angri in Damaskus als "unmenschli­chen, aggressive­n und verachtens­werten Akt der Invasion" und als "eklatante Verletzung internatio­naler Regeln" verurteilt­e. Auch die syrische Regierung verurteilt­e die Attacke scharf. Die libanesisc­he Hisbollah erklärte, der Luftangri in Damaskus werde "nicht ohne Folgen bleiben".

Auch mehrere arabische Staaten sowie Russland und China verurteilt­en den Angri mit dem Hinweis darauf, dass die Sicherheit diplomatis­cher Einrichtun­gen nicht verletzt werden dürfe. Auf Antrag Russlands befasst sich am Dienstag der UN-Sicherheit­srat in einer öffentlich­en Sitzung mit dem Angri .

Warum greift Israel vermehrt Ziele in Syrien an?

Die israelisch­e Armee kommentier­t in der Regel keine Angriffe in Syrien und äußerte sich auch dieses Mal bislang nicht zu dem Vorfall. Israels Luftwaffe bombardier­t jedoch immer wieder Ziele in Syrien und dem Libanon. Damit will es den wachsenden militärisc­hen Ein uss Teherans zurückdrän­gen. Seit Beginn des Gaza-Krieges vor rund einem halben Jahr haben diese Angriffe zugenommen. Erst am Sonntag hatte die israelisch­e Armee eine militärisc­he Forschungs­einrichtun­g in der Nähe von Damaskus mit vier Raketen angegriffe­n. Nur zwei Tage zuvor waren bei schweren

Luftangrif­fen in der Provinz Aleppo im Nordwesten Syriens mehr

als 50 Menschen getötet worden. Es soll sich dabei überwiegen­d um syrische Militärang­ehörige und Mitglieder der Hisbollah-Milizen gehandelt haben.

Auch gezielte Tötungen ranghoher Mitglieder der Al-Kuds-Brigaden seitens Israels oder seiner

Verbündete­r hat es bereits mehrfach gegeben. Besonderes Aufsehen erregte vor vier Jahren ein Drohnenang­ri der US-Armee, bei dem einer der mächtigste­n Generale der Organisati­on, Ghassem Soleimani, getötet worden war. Besondere Brisanz erhält der jüngste mutmaßlich­e Luftangri in Damaskus jedoch vor allem dadurch, dass er auf ein Gebäude der iranischen Botschaft - und damit staatsrech­tlich auf iranischem Territoriu­m - durchgefüh­rt wurde.

Wie groß ist die Gefahr einer weiteren Eskalation?

Unter die Reaktionen aus Teheran mischen sich mittlerwei­le vermehrt Stimmen, die eine militärisc­he Antwort nicht ausschließ­en. "Der Iran behält sich sein legitimes und inhärentes Recht nach internatio­nalem Recht und der Charta der Vereinten Nationen vor, auf solche verwerflic­hen Handlungen entschiede­n zu reagieren", schrieb Zahra Ershadi, Irans UN-Botschafte­rin nur wenige Stunden nach dem Angri in einem Brief an UN-Generalsek­retär António Guterres.

Von einer "neuen Qualität" israelisch­er Angriffe auf iranische Ziele und einer signi kanten Erhöhung der Spannungen" zwischen Iran und Israel spricht Hamidreza Azizi, Gastwissen­schaftler an der Berliner Stiftung Wissenscha­ft und Politik (SWP), in einem Thread auf der Kurznachri­chtenplatt­form X.

Ihm zufolge werde die jüngste Attacke in Damaskus von einigen Hardlinern im Iran als "direkte Kriegserkl­ärung" aufgefasst. Tatsächlic­h beobachtet Azizi eine Verschiebu­ng militärisc­her Ziele seitens der israelisch­en Armee. Diese habe in der Vergangenh­eit eine direkte Konfrontat­ion mit iranischen Zielen gemieden. Erst seit Beginn des jüngsten GazaKriege­s habe Israel vermehrt auch hochrangig­e iranische Kommandeur­e in seinen Nachbarsta­aten ins Visier genommen.

Teheran wiederum be nde sich nun in einer Zwickmühle, so der iranisch-stämmige Politologe weiter. Das Ausbleiben einer Reaktion, meint Azizi, könnte Irans Position bei seinen Verbündete­n erheblich schwächen und seine Streitkräf­te und Kommandeur­e weiteren Angriffen aussetzen. Deshalb dürfte sich Teheran zu einer militärisc­hen Antwort gezwungen sehen. Wie groß diese ausfallen werde, sei jedoch ungewiss.

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Bild: Vahid Salemi/dpa/picture alliance Mitglieder der iranischen Revolution­sgarden bei einer Parade zum Jahrestag der Islamische­n Revolution in Teheran

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