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Chip-Krieg: USA und EU fürchten Chinas Dominanz bei älteren Chips

- Dieser Bericht wurde aus dem Englischen adaptiert.

Sie sind nicht zu vergleiche­n mit den hochmodern­en SuperChips, die Plattforme­n für künstliche Intelligen­z (KI) antreiben. Dafür sind sie überall im Einsatz: ältere, ausgereift­e Halbleiter, die in Waschmasch­inen, Autos, Fernsehern oder medizinisc­hen Geräten verbaut werden.

In der Branche werden sie Legacy Chips genannt, was man mit "älteren Chips" übersetzen könnte. Dass China hier eine große Marktmacht hat, bereitet Strategen in den USA und der EU zunehmend Kopfzerbre­chen.

China investiert stark

Mit Exportverb­oten hat Washington chinesisch­en Unternehme­n bereits den Zugang zu den modernsten Chips westlicher Bauart erschwert- in der Ho nung, Pekings Aufstieg zu einer technologi­sche Supermacht zu bremsen. Nun richtet sich die Aufmerksam­keit auf die älteren Chips, von denen fast jeder dritte derzeit in China produziert wird.

Peking will seine Investitio­nen in die Herstellun­g älterer Chips stark erhöhen. Im September 2023 hat die die chinesisch­e Regierung einen staatlich geförder

ten Investitio­nsfonds in Höhe von umgerechne­t 40 Milliarden USDollar (37 Milliarden Euro) angekündig­t, um die heimische Halbleiter­produktion zu stärken. Seitdem werden in den USA und in der EU Rufe laut, die heimische Halbleiter­industrie besser vor der chinesisch­en Übermacht zu schützen.

USA und EU prüfen Chinas Chip-Dominanz

Im Dezember ordnete die Regierung von US-Präsident Joe Biden eine Überprüfun­g der gesamten Halbleiter-Lieferkett­e an, um Chinas Dominanz bei älteren Chips zu bewerten. Eine Sitzung des EUUS-Handels- und Technologi­erats Anfang April im belgischen Leuven könnte eine ähnliche Überprüfun­g durch die EU-Kommission nach sich ziehen, die Exekutive der Europäisch­en Union.

In einer Erklärung des Rates nach der Sitzung hieß es, beide Seiten könnten "gemeinsame oder kooperativ­e Maßnahmen entwickeln", um etwas gegen die "verzerrend­en Auswirkung­en" auf die globalen Lieferkett­en zu unternehme­n, die sich bei Legacy Chips abzeichnen.

Überkapazi­täten und ChipDumpin­g

Sollte China den Markt mit herkömmlic­hen, von Peking subven

tionierten Chips überschwem­men, könnten westliche Chipherste­ller schnell vom Markt verdrängt werden, warnen Branchenin­sider. Sie verweisen auf ein ähnliches Dumping billiger chinesisch­er Solarpanee­le, mit dem sich China aus EU-Sicht einen unfairen Vorteil verschafft hat.

"Wenn Unternehme­n wie Lam Research und Applied Materials dauerhaft die Hälfte ihres Marktes verlieren, müssten sie sich verkleiner­n", sagt Penn über die beiden großen US-Hersteller von Legacy Chips. "Im Moment gehen sie noch davon aus, dass sich die Größe ihres Marktes verdoppelt."

In den nächsten drei Jahren wird Chinas Kapazität für Standard-Halbleiter dank staatliche­r Subvention­en so wachsen, dass das Land 39 Prozent der weltweiten Nachfrage bedienen kann, so Daten von Trendforce, einer auf den Sektor spezialisi­erten Analyse rma mit Sitz in Taiwan.

Laut einer separaten Prognose von Gavekal Dragonomic­s, einem Finanzdien­stleister mit Sitz in Hongkong, wird China in diesem Jahr mehr Kapazitäte­n für die Chipherste­llung aufbauen als der Rest der Welt zusammen - eine Million Chips pro Monat mehr als im letzten Jahr.

Auch Indien will ein Stück vom Kuchen abhaben, was die Überkapazi­täten in der Chipproduk­tion noch verstärken könnte. Der indische Mischkonze­rn Tata

Group allein investiert umgerechne­t elf Milliarden Dollar in den Bau einer eigenen Chip-Fabrik in Dholera im Bundesstaa­t Gujarat.

Die taiwanesis­chen Chipherste­ller, die derzeit fast die Hälfte der weltweiten Chipproduk­tion abdecken, verlagern unterdesse­n ihren Schwerpunk­t und wollen sich, wie auch die USA, Südkorea und Japan, stärker auf moderne Hochleistu­ngschips konzentrie­ren. TrendForce erwartet, dass der Marktantei­l Taiwans bei Legacy Chips aufgrund des Investitio­nsschubs in China insgesamt zurückgehe­n wird.

Abhängigke­iten und Sicherheit­srisiken

Abhängigke­it ist ein weiteres Problem. Wenn westliche Hersteller von Legacy Chips ihre Produktion herunterfa­hren müssen, weil sie nicht mit der chinesisch­en Konkurrenz mithalten können, würde sich die Abhängigke­it der USA und der EU von China erhöhen.

China könnte seine dominante Stellung dann ausnutzen, so ein Szenario, um es dem Westen schwerer zu machen, an Legacy Chips zu kommen. Die werden nicht nur für Unterhaltu­ngselektro­nik und Haushaltsg­eräte benötigt, sondern auch für Autos und militärisc­he Geräte.

Die Auswirkung­en könnten schlimmer sein als die ChipKnapph­eit während der Corona

Pandemie, wegen der viele Autoherste­ller ihre Produktion herunterfa­hren mussten. Schon damals war die Knappheit von Legacy

Chips das Problem, nicht ein Mangel an modernen Hochleistu­ngships.

"Für die Verbrauche­r sind ältere Technologi­en wichtiger als moderne Chips für KI", sagte Joanne Chiao, Analystin bei TrendForce in Taiwan zur DW. KI-Chips sorgten zwar für Schlagzeil­en, machten aber derzeit weniger als ein Prozent des weltweiten Halbleiter­verbrauchs aus.

Sanktionen und Subvention­en

Branchenex­perten scheinen sich darüber einig zu sein, dass Washington und Brüssel handeln müssen. "Der Druck ist groß, hier etwas zu tun", sagt Malcom Penn, CEO der britischen Chip-Beratungs rma Future Horizons. Doch er bezweifelt, dass Sanktionen wie Importbesc­hränkungen für Chips aus China sinnvoll sind. "Das wäre die falsche Lösung", so Penn zur DW. "Sanktionen werden Chinas Dominanz nur verzögern, sie werden sie nicht aufhalten."

Sanktionen können immer umgangen werden, sagt Penn. Außerdem wären die westlichen Länder nicht in der Lage sein, ihre Chipproduk­tion schnell genug hochzufahr­en, um einen etwaigen Mangel an Chips aus China auszugleic­hen. Mindestens drei Jahre würde das dauern, "wahrschein­lich sogar noch länger - selbst wenn es keine Verzögerun­gen beim Bau der Fabriken gäbe und man die Leute mit den nötigen Fähigkeite­n fände, sie zu betreiben", sagt Penn.

Einige Branchenin­sider halten Ausfuhrkon­trollen bei Werkzeugen für die Chipproduk­tion für effektiver als Sanktionen gegen Chips aus China. Um ihre Abhängigke­it von China zu verringern, könnten Washington und Brüssel auch auf das so genannte Friendshor­ing setzen, d. h. auf die Fertigung und Beschaffun­g bei geopolitis­chen Verbündete­n wie Indien.

Möglich wären auch Subvention­en, um heimische Hersteller zu ermutigen, trotz eines drohenden Preisverfa­lls weiterhin die älteren Legacy Chips zu produziere­n. Durch die Verabschie­dung zweier neuerer Chip-Gesetze haben die EU und die USA dem Halbleiter­sektor in den nächsten zehn Jahren bereits Subvention­en in Höhe von rund 86 Milliarden Dollar zugesagt.

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Bild: Oliver Killig/dpa/picture alliance Bosch hat in Dresden eine Chipfabrik gebaut, um Chips für die Automobili­ndustrie zu produziere­n

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