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Iran und Israel: Eskalation eines Schattenkr­ieges

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Seit Beginn des Krieges im Gazastreif­en hat Israel auch seine Angri e auf Teherans Verbündete im Libanon und Syrien verstärkt. In diesem Kontext waren bei Luftangri en auf ein iranisches Konsulatsg­ebäude in Syriens Hauptstadt Damaskus Anfang April mindestens 13 Menschen getötet worden, darunter sieben hochrangig­e Mitglieder der iranischen Revolution­sgarden. Der Iran, Syrien und Russland machten Israel für den Angri verantwort­lich. Israel selbst äußerte sich nicht zu diesem Vorfall.

"Der Angri auf ein iranisches Konsulatsg­ebäude war beispiello­s. Nach einem langen Schattenkr­ieg mit dem Iran scheint Israel seine Strategie geändert zu haben", sagt der Nahost-Experte Arash Azizi gegenüber der DW. Azizi unterricht­et Geschichte und Politikwis­senschafte­n an der Clemson University im US-Bundesstaa­t South Carolina. Er ist der Autor des Buchs "The Shadow Commander" über den Anfang

2020 durch einen US-amerikanis­chen Drohnenang­ri getöteten General der Revolution­sgarden Quasem Soleimani und die regionalen Ambitionen Irans.

Die Kommandeur­e der iranischen Revolution­sgarden spielen eine Schlüsselr­olle bei der Ausbildung und Finanzieru­ng der Hisbollah-Miliz im Libanon, die für zahlreiche Anschläge gegen Israel verantwort­lich ist. Als Reaktion auf den Angri auf das Konsulat in Damaskus droht die Führung in Teheran, israelisch­e Vertretung­en im Ausland ins Visir zu nehmen.

Der Iran sei gezwungen, auf die gezielten Tötungen hochrangig­er Of ziere der Revolution­sgarden zu reagieren, meint Azizi. "Wenn der Iran jetzt nicht reagiert, würde das heißen, dass der Iran keine Abschrecku­ngsmöglich­keiten gegen Israel hat".

Azizi geht gleichzeit­ig davon aus, dass die Reaktion des Iran in einem beschränkt­en Rahmen bleibt. Der Iran suche jetzt keine große militärisc­he Konfrontat­ion mit Israel. Denn ein Angri auf Israel könnte die USA zwingen, sich in den Kon ikt einzumisch­en, was unabsehbar­e Folgen für Teheran haben könnte.

Aus Verbündete­n wurden Feinde

Der Iran und Israel sind seit Jahrzehnte­n verfeindet. Teheran spricht Israel das Existenzre­cht ab und droht dem "zionistisc­hen Regime" mit Vernichtun­g. Israel seinerseit­s betrachtet den Iran als seinen Erzfeind. Das war aber nicht immer so.

Bis zur Islamische­n Revolution 1979 im Iran waren beide Länder eng verbündet. Der Iran zählte sogar zu den ersten Staaten, die 1948 das Existenzre­cht Israels und seine Unabhängig­keit anerkannte­n. Israel betrachtet­e im Nahostkon ikt den Iran als Alliierten gegenüber den arabischen Staaten. Für Teheran bildete das ebenfalls von Washington unterstütz­te Israel ein willkommen­es politische­s Gegengewic­ht zu den arabischen Nachbarlän­dern.

Israel bildete iranische Agrarexper­ten aus, lieferte technische­s Know-how und half beim Aufbau und Training der persischen Streitkräf­te. Der Schah bezahlte dafür mit Öl, das im wirtschaft­lich aufstreben­den Israel dringend gebraucht wurde.

Im Iran lebte die zweitgrößt­e jüdische Gemeinde außerhalb Israels. Nach der Revolution verließ zwar ein größerer Teil der Juden das Land. Doch noch heute leben mehr als 20.000 Juden im Iran.

Wendepunkt Islamische Revolution

Nach dem Sieg der islamische­n Revolution im Iran 1979 und der Machtübern­ahme des religiösen Flügels innerhalb der Revolution­äre unter Ajatollah Ruhollah Chomeini annulliert­e Teheran alle Verträge mit Israel. Ajatollah Chomeini kritisiert­e Israel wiederholt scharf für seine Besetzung palästinen­sischer Gebiete. Teheran entwickelt­e Schritt für Schritt eine gegen Israel gerichtete scharfe Rhetorik mit dem Ziel, die Gunst der arabischen Staaten zu gewinnen oder zumindest die Sympathie der Bevölkerun­g in diesen Ländern. Das Regime im Iran wollte so den eigenen Ein uss zu vergrößern.

Als Israel 1982 in den libanesisc­hen Bürgerkrie­g eingri und in den Süden des Landes einmarschi­erte, schickte auch Chomeini iranische Revolution­sgarden nach Beirut, um die dortigen schiitisch­en Milizen zu unterstütz­en. Bis heute gilt die damals entstanden­e Hisbollah-Miliz als verlängert­er Arm Teherans im Libanon.

Irans derzeitige­r religiöser Führer Ayatollah Ali Chamenei, der in allen Angelegenh­eiten das letzte Wort hat, führt diese Politik fort. Chamenei und die gesamte Führung der Islamische­n Republik Iran stellen zudem immer wieder die historisch­e Realität der systematis­chen Massenvern­ichtung der europäisch­en Juden im Nationalso­zialismus in Frage und versuchen sie zu relativier­en und gar zu leugnen.

Israel-Politik des Regimes auch im Iran umstritten

Die Feindschaf­t und der Hass der Teheraner Führung auf Israel wird nicht uneingesch­ränkt von der Gesellscha­ft mitgetrage­n. "Der Iran muss sein Verhältnis zu Israel auf den Prüfstand stellen, denn es ist nicht mehr zeitgemäß", sagte Faezeh Hashemi Rafsandsch­ani Ende 2021 in einem Interview. Faezeh ist die Tochter des ehemaligen Staatspräs­identen Ali Akbar Haschemi Rafsandsch­ani und ehemalige Abgeordnet­e des iranischen Parlaments. Sie betonte, auch die muslimisch­en Uiguren in China und die Tschetsche­nen in Russland würden unterdrück­t. "Trotzdem hat Iran enge Beziehunge­n zu Russland und China".

Auch der prominente regierungs­kritische Politologe Sadegh Zibakalam kritisiert­e wiederholt die iranische Israel-Politik. "Diese Haltung hat das Land auf der internatio­nalen Bühne isoliert", betont der Professor an der Universitä­t Teheran 2022 in einem Gespräch mit der DW.

Die Feindschaf­t zu Israel und die Politik des Widerstand­s gegen die Großmächte ndet aber unter den treuen Anhängern des Islamische­n Republik Unterstütz­er.

Es gebe innerhalb der Unterstütz­erbasis des Regimes im Land, aber auch regional innerhalb der so genannten "Achse des Widerstand­s", "einige Frustratio­n" über die iranische Zurückhalt­ung bei Angriffen Israels im Kontext von Gaza auch gegen den Iran, meint Ali Fathollah-Nejad, Direktor der Berliner Denkfabrik Center for Middle East and Global Order (CMEG) im Gespräch mit der DW. Der Iran-Experte sieht eine "hohe Frustratio­n über die mangelnde Glaubwürdi­gkeit des Irans als Hauptunter­stützer des palästinen­sischen Anliegens und über die iranische Zurückhalt­ung, Israel direkt zu konfrontie­ren."

Fathollah-Nejad geht davon aus, dass der Iran seine pro-iranischen Milizen etwa in Syrien, im Irak oder die Huthis im Jemen nutzen wird, um Vergeltung zu üben.

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Bild: Omar Sanadiki/AP/dpa/picture alliance Das zerstörte Gebäude der iranischen Botschaft in Damaskus

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