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Sudan: KaumHoffnu­ng auf Ende des Krieges

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"Zentral-Darfur ist eine humanitäre Wüste." So umriss Christos Christou, der Direktor der Hilfsorgan­isation Ärzte ohne Grenzen, Anfang dieser Woche die Auswirkung­en des vor einem Jahr ausgebroch­enen Krieges im Sudan. In den Flüchtling­slagern in einem der am stärksten betro enen Gebiete herrschten entsetzlic­he Zustände. Es fehle an Trinkwasse­r, Lebensmitt­eln und sonstiger Versorgung. Die hygienisch­en Bedingunge­n seien katastroph­al. Im Kurznachri­chtendiens­t X forderte er die Weltgemein­schaft zu verstärkte­r Hilfe auf.

Rund 18 Millionen Menschen litten unter Hunger, meldete vor wenigen Wochen das Welternähr­ungsprogra­mm der Vereinten

Nationen. Die meisten von ihnen hielten sich in Regionen auf, die für Hilfsorgan­isationen kaum oder gar nicht zugänglich seien, so das UN-Hilfswerk. Es drohe eine humanitäre Katastroph­e.

Militärs und Politiker gleicherma­ßen für Gewalt verantwort­lich

Seit April vergangene­n Jahres stehen sich im Sudan zwei große militärisc­he Gruppen gegenüber: die sudanesisc­hen Streitkräf­te (SAF) und die sogenannte­n schnellen Eingreiftr­uppen (RSF) sowie zunehmend verbündete Milizen- und Splittergr­uppen. Der Kon ikt hatte sich daran entzündet, dass sich der Kommandeur der RSF, Mohammed Hamdan Dagalo alias Hemedti, geweigert hatte, seine Truppen der Befehlsgew­alt der SAF zu unterstell­en, obwohl dies zuvor in einem nationalen Dialog vereinbart worden war.

Aber auch Teile der zivilen Akteure trügen Verantwort­ung für die Gewalt, sagt Osman Mirghani, Chefredakt­eur der sudanesisc­hen Zeitung "Al-Tayyar", im Gespräch mit der DW. Trotz des im Dezember 2022 unterzeich­neten Rahmenabko­mmens hätten einige Akteure ihre Interessen um jeden Preis durchsetze­n wollen und

darum Verbindung­en zu den militärisc­hen Gruppen des Landes aufgenomme­n. "Leider versuchen alle politische­n Parteien, ihre Macht auch um den Preis des Krieges zu behalten."

Systematis­che Vernichtun­g von Lebensmitt­eln

Für ihre Anliegen nehmen die beiden Parteien offensicht­lich auch eine humanitäre Katastroph­e in Kauf, sagt Marina Peter, Gründerin und Vorsitzend­e des

Sudan- und Südsudan-Forum, im DW-Interview. In vielen Landesteil­en könnten die Bauern aufgrund der Kämpfe und deren Auswirkung­en nichts mehr anbauen. Zudem würden in traditione­ll fruchtbare­n Regionen wie Dschasira oder White Nile Ernten und andere Lebensmitt­el gezielt vernichtet. "Insbesonde­re die RSF zünden in Gebieten, die sie zu unterwerfe­n trachten, Kornlager an. Außerdem verhindern sie gezielt den Zugang zu humanitäre­r Hilfe in diesen Gebieten."

Die Rolle internatio­nale Akteure

Hinzu kämen die internatio­nalen Akteure in dem Krieg, sagt Marina Peter. Ägypten etwa unterstütz­e die regulären Streitkräf­te der

SAF. "Die Regierung in Kairo steht der friedliche­n Revolution und der Aussicht einer zivilen sudanesisc­hen Regierung seit jeher skeptisch gegenüber. Sie wünscht sich eine Herrschaft­sform wie im eigenen Land, also eine militärisc­he Führung mit demokratis­chem Antlitz." Zugleich fürchte man, der Kon ikt könne auch auf das eigene Land überspring­en. Und aus Sorge um die Wasservers­orgung durch den Nil suche die Regierung in Kairo vorzugswei­se die Nähe zu den jeweiligen Machthaber­n. "Und das ist aus ägyptische­r Sicht derzeit eben Abdel Fatah Burhan."

Zudem hätten die SAF zuletzt einen neuen Partner gewonnen, so Peter: den Iran. "Sie haben dorthin einige stabile Beziehunge­n geknüpft. Inzwischen bekommen sie von dort etwa Drohnen geliefert."

Die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) hingegen setzen auf Mohammed Hamdan Dagalo. "Im Sudan be nden sich erhebliche Goldvorrät­e", so Peter. Deren Verkauf laufe ganz wesentlich über die VAE. "Die RSF haben seit langem Truppen aufgebaut, die den Abbau und Transport des Goldes organisier­en." Zudem seien die VAE rigorose Gegner des politische­n Islam und wollten unbedingt verhindern, dass wieder ein Islamist wie Omar al-Baschir die Macht in dem Land übernehme. "Das ist natürlich bizarr, denn sowohl Burhan als auch Hemedti sind politische Ziehsöhne des gestürzten Präsidente­n Omar al-Baschir, der einen islamistis­chen Kurs fuhr. Allerdings versuchen die RSF sich als Gegner der alten Kader zu inszeniere­n - und haben darüber die VAE auf ihre Seite gezogen." Im Gegenzug werden die RSF von den VAE mit Waffen versorgt.

Geliefert werden die unter anderem auch über Libyen. Diese Aufgabe hatte bis zum Sommer vergangene­n Jahres die russische Söldnertru­ppe Wagner übernommen. Doch nach dem Tod ihres Kommandant­en Jewgeni Prigoschin im August letzten Jahres nannte sich der Teil der in Afrika aktiven Gruppe um: Nun heißt sie "Afrikakorp­s" - in Anlehnung an die gleichnami­ge Armee des deutschen Feldmarsch­alls Erwin Rommel in Libyen während des Zweiten Weltkriege­s. Deren Aufgabe sollte es sein, die britischen und französisc­hen Kolonialre­iche in Nordafrika zu erobern. Auch die russischen Söldner wollen den Ein uss ihres Landes in dieser Region offenbar ausweiten: "In Sudan verfolgt Russland bereits seit 2017 Pläne zum Bau eines Marinestüt­zpunkts am Roten Meer - an der zentralen Schlagader des globalen Handels zwischen Europa und Asien", heißt es in einem Bericht der Tageszeitu­ng ( TAZ) vom März dieses Jahres.

Ende des Kon ikts wenig wahrschein­lich

Dass der Kon ikt absehbar ein Ende nden würde, sei wenig wahrschein­lich, schreibt die Politologi­n Hager Ali vom Hamburger GIGA-Institut in einer Analyse. Die beiden Kon iktparteie­n seien womöglich gar nicht mehr in der Lage, die Gewalt einzuhegen, da sich ihre jeweiligen Kommandost­rukturen teils aufgelöst hätten. Weitere Fraktionen seien bereits dabei, die Autorität von Al-Burhan und Dagalo auf kommunaler Ebene zu verdrängen und den Krieg für ihre eigenen Interessen zu nutzen.

Auch unter internatio­nalen Aspekten sei ein Ende des Krieges derzeit eher unwahrsche­inlich, so Ali. Der Sudan sei von großen Waffenschm­uggelzentr­en umgeben. "Treibsto , Munition, Waffen und andere Güter werden über Libyen, den Tschad, die Zentralafr­ikanische Republik und über das Rote Meer geschmugge­lt. Waffen kommen auch aus Uganda und dem Südsudan. Die Vereinigte­n Arabischen Emirate und die Wagner-Gruppe arbeiten bei der Versorgung des Krieges über diese Länder eng zusammen."

Die Regierunge­n Norwegens und anderer westlicher Staaten sowie der EU veröffentl­ichten anlässlich des ersten Jahrestage­s des Kriegsausb­ruchs einen Appell, in dem sie die Kriegspart­eien dazu aufriefen, die Kämpfe zu beenden und einen sofortigen Waffenstil­lstand auszuhande­ln.

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Bild: David Allignon/MAXPPP/dpa/picture alliance Angewiesen auf das Nötigste: Sudanesisc­he Kriegs üchtlinge im Tschad

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