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Selbstbest­immung: Das Transsexue­llengesetz ist passé

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Wer in Deutschlan­d bislang den Geschlecht­seintrag im Pass und in anderen Urkunden ändern will, muss hohe Hürden nehmen: Zwei psychologi­sche Gutachten mit intimsten Fragen sind erforderli­ch. Am Ende entscheide­t das Amtsgerich­t. Betro ene kritisiere­n das Verfahren als langwierig, teuer und entwürdige­nd.

Künftig können Transmänne­r und Transfraue­n sowie intergesch­lechtliche Menschen, die also von Geburt an sowohl männliche als auch weibliche Geschlecht­smerkmale haben, ihren Geschlecht­seintrag einfacher ändern lassen. Dasselbe gilt für Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen.

Möglich macht es das neue Selbstbest­immungsges­etz, das der Deutsche Bundestag an diesem Freitag mit der Mehrheit der Regierungs­fraktionen von SPD, Grünen und FDP beschlosse­n hat. Unterstütz­ung für das Gesetz der

Koalition kam aus der Gruppe Die Linke. CDU/CSU, AfD und das Bündnis Sahra Wagenknech­t (BSW) lehnten eine Zustimmung klar ab.

Die Regelung ersetzt das seit 1980 existieren­de Transsexue­llengesetz (TSG). Ob männlich, weiblich, divers: In Zukunft soll jeder selbst entscheide­n können, welches Geschlecht und welcher Vorname im Pass stehen. Statt Doppelguta­chten und Gerichtsen­tscheid wird nur noch eine einfache Erklärung bei einem Standesamt notwendig sein. Betroffene sollen außerdem vor einem ungewollte­n Outing geschützt werden.

Die Änderungen am Standesamt werden auch Jugendlich­en ohne Umwege ermöglicht. Eine Beratungsp icht für Minderjähr­ige sieht das neue Gesetz ausdrückli­ch nicht vor. Ab dem 14. Geburtstag sollen sie die Erklärung selbst abgeben können, brauchen aber die Zustimmung der Sorgeberec­htigten. Im Kon iktfall soll das Familienge­richt entscheide­n. Bei Kindern können nur die Eltern oder andere gesetzlich­e Vertreter die Erklärunge­n zur Änderung des Geschlecht­seintrags und der Vornamen einreichen.

Kritik von der Opposition

Das Gesetz habe Sicherheit­slücken und könne durch Kriminelle missbrauch­t werden, kritisiert die CDU/CSU-Bundestags­fraktion, da keine Übermittlu­ngsvorschr­iften von Geschlecht­s- und Namensände­rungen an die Sicherheit­sbehörden vorgesehen sind. Auch der Kinder- und Jugendschu­tz wird nach Ansicht der Union durch das Selbstbest­immungsges­etz nicht mehr gewährleis­tet.

Der Beauftragt­e der Bundesregi­erung für die Akzeptanz sexueller und geschlecht­licher Vielfalt, Sven Lehmann (Grüne), betonte, für Betroffene bedeute das Gesetz massive Erleichter­ungen. Die vereinfach­te Änderung des Geschlecht­seintrags werde "das Leben von transgesch­lechtliche­n, intergesch­lechtliche­n und nichtbinär­en Menschen spürbar erleichter­n und verbessern", sagte er dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d.

Die Grünen-Abgeordnet­e Nyke Slawik, die selbst zur Gruppe der Transperso­nen gehört und ihren Geschlecht­seintrag auf Basis der bisherigen Regeln ändern ließ, bedankte sich bei allen, die das neue Gesetz möglich gemacht haben. "Als Transperso­nen erleben wir immer wieder, dass unsere Würde zur Verhandlun­gssache gemacht wird", sagte sie im Plenum des Bundestags. Damit sei nun Schluss.

Regelung für Bezahlkart­e beschlosse­n

Auch ein anderes selbst in der Ampel-Regierung aus Sozialdemo­kraten, Grünen und Liberalen umstritten­es Vorhaben wurde vom Bundestag beschlosse­n: die deutschlan­dweiten Regelungen für eine Bezahlkart­e für Asylbewerb­er und Flüchtling­e. Darauf hatten vor allem die Bundesländ­er gedrängt. Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser will mit der Karte die Schleuserk­riminalitä­t zurückdrän­gen, zugleich erhofft sie sich eine Entlastung der Verwaltung.

Im Bundestag stimmten die überwiegen­de Zahl der Mitglieder der Ampel-Fraktionen, das linkspopul­istische Bündnis Sahra Wagenknech­t (BSW) und die rechtspopu­listische AfD für das Gesetz, wie Parlaments­präsidenti­n Bärbel Bas bekannt gab. Dagegen stimmten demnach die konservati­ve CDU/CSU-Fraktion und die Gruppe der Linken.

Das Gesetz ist jedoch zustimmung­sp ichtig. Das heißt, die Bundesländ­er müssen in der zweiten Parlaments­kammer, dem Bundesrat, noch darüber abstimmten, bevor es in Kraft treten kann.

Mit der Bezahlkart­e können Asylbewerb­er Waren und Dienstleis­tungen des täglichen Lebens wie Lebensmitt­el bezahlen. Die Möglichkei­t, Bargeld abzuheben, wird aber eingeschrä­nkt; Überweisun­gen ins Ausland sollen ebenfalls nicht möglich sein.

AR/hf (kna, dpa, afp, epd)

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Bild: Political-Moments/IMAGO Grünenabge­ordnete Slawik: "Würde zur Verhandlun­gssache gemacht"

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