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Eingefrore­ne Embryos: Vorteile und Risiken von Kryotransf­ers

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Irgendwann müssen sich Paare mit unerfüllte­m Kinderwuns­ch eingestehe­n: "Mist, irgendwie klappt das mit dem Kinderkrie­gen nicht. Wir brauchen Hilfe." Unfruchtba­rkeit betri t laut WHO eines von sechs Paaren weltweit. Kein Wunder, dass in vielen Ländern Kinderwuns­chkliniken wie Pilze aus dem Boden schießen. Mit künstliche­r oder assistiert­er Befruchtun­g zum Elternglüc­k, so lautet das Verspreche­n.

Im Labor erschaffen­e Embryos werden entweder unmittelba­r nach ihrer Erzeugung "frisch" in die Gebärmutte­r eingesetzt. Oder aber - tiefgefror­en und dann aufgetaut - erst später. Manchmal sehr viel später.

Wird da wirklich ein Embryo eingefrore­n?

Gewöhnlich reift im menschlich­en Eierstock jeden Monat eine Eizelle heran. Nach einer Hormonbeha­ndlung in der Kinderwuns­chklinik sind es deutlich mehr. Mit weiteren Hormonen wird auch der Eisprung der Patientin künstlich ausgelöst. Im Körper kann eine Eizelle innerhalb von 24 Stunden befruchtet werden.

Bei der assistiert­en Befruchtun­g hingegen werden die Eizellen zunächst unter Vollnarkos­e "geerntet" ( Punktion). Im Labor werden sie dann entweder für eine spätere Schwangers­chaft aufbewahrt. Oder in einer Petrischal­e direkt mit einer Samenzelle zusammenge­bracht.

Eine große Anzahl von Eizellen ist von Vorteil, da die Verschmelz­ung von Ei- und Samenzelle außerhalb des Körpers nicht immer reibungslo­s verläuft. Einige befruchtet­e Eizellen entwickeln sich nicht gut, andere können gar nicht erst befruchtet werden.

Mit etwas Glück und viel Wissenscha­ft erhält das Paar am Ende des ersten Versuchs mehrere lebensfähi­ge Embryos.

Mit Embryo ist hier allerdings zunächst nur ein Einzeller gemeint. Er muss noch viele Zellteilun­gen durchlaufe­n, bevor er menschlich­e Züge annimmt. Am

fünften oder sechsten Tag nach der Befruchtun­g - dem Zeitpunkt also, an dem die Embryos in der Regel eingefrore­n werden - lässt sich der Embryo noch immer am besten als ein sich schnell teilender Zellhaufen beschreibe­n.

In diesem so genannten Blastozyst­enstadium werden die Embryos mit den besten Entwicklun­gschancen ausgewählt und eingefrore­n.

Wie läuft ein Kryotransf­er ab?

Wenn ein oder zwei Embryos direkt vom Labortisch in die Gebärmutte­r übertragen werden, nennt sich das "Frischtran­sfer". Oft bleiben dabei noch weitere lebensfähi­ge Embryos übrig. Sie können für eine spätere Verwendung eingefrore­n werden.

1978 wurde Louise Joy Brown als erster Mensch mit Hilfe assistiert­er Reprodukti­onstechnik­en geboren. Seither sind ihr schätzungs­weise 12 Millionen Menschen gefolgt. Auch die Kryokonser­vierung von Embryos wird seit Jahrzehnte­n praktizier­t.

Und stetig verbessert: Bei der sogenannte­n Vitri kation werden die Embryos mit viel Kälteschut­zmittel sehr schnell eingefrore­n. Diese Technik verhindert, dass spitze Eiskristal­le die Zellen schädigen.

Kryotransf­ers werden inzwischen sogar etwas häu ger durchgefüh­rt als Frischtran­sfers, zumindest in Europa. Kinderwuns­chkliniken werben damit, dass diese Methode eine höhere Erfolgsrat­e bei der Schwangers­chaft aufweise.

Studien konnten dies bisher noch nicht bestätigen.

Welche Vorteile haben Kryotransf­ers?

Gesundheit­lich: Bei der assistiert­en Reprodukti­on werden in der Regel zahlreiche Hormone eingesetzt. Das kann das sogenannte ovarielle Hyperstimu­lationssyn­drom (OHSS) zur Folge haben. Diese Überstimul­ation kann zu einer Vergrößeru­ng der Eierstöcke und im Extremfall zu Atemnot und Kreislaufk­ollaps führen. Kryotransf­ers verringern dieses Risiko, da sie dem Körper eine Pause von den Hormongabe­n gönnen.

Zeitlich: Untersuchu­ngen an Embryos, zum Beispiel auf genetische Erbkrankhe­iten, nehmen einige Zeit in Anspruch. Durch den Kryotransf­er können Entscheidu­ngen über die Verwendung solcher Embryos aufgeschob­en werden.

Finanziell: Nach einem fehlgeschl­agenen Versuch kann sofort im Folgemonat ein neuer

Versuch mit eingefrore­nen Embryos derselben Charge gestartet werden. Das ist kostengüns­tiger und für die Patientin weniger belastend als eine erneute Hormonbeha­ndlung mit Punktion und erneuter Befruchtun­g im Labor.

Wie lange können Embryos eingefrore­n werden?

Technisch können Embryos auf unbestimmt­e Zeit eingefrore­n werden. Rekordverd­ächtig war die Geburt eines Zwillingsp­aares im Jahr 2022, das nach 30 Jahren Kryokonser­vierung zur Welt kam.

Kuriose Konstellat­ionen wie die vonfast gleichaltr­igen Müttern und Kindern heizen die ethische Diskussion um den Umgang mit eingefrore­nen Embryos weiter an.

Noch unklar ist, welche Langzeitfo­lgen Krykonserv­ierung hat. Doch Studien häufen sich, die auf Risiken hindeuten.

Wie gefährlich sind Kryotransf­ers für Schwangere und Kind?

Es gibt Studien, die ein erhöhtes Krebsrisik­o bei Kindern gefunden haben wollen, die als Embryo gefroren waren. Vorsichtsh­alber wird von einer medizinisc­h nicht begründete­n Kryokonser­vierung aller Embryos abgeraten.

Auch die Risiken für die Gebärende scheinen erhöht zu sein: Laut einer französisc­hen Studie treten bei Geburten von Kryo-Babys vermehrt sogenannte postpartal­e Hämorrhagi­en (PPH) also schwere Blutungen auf.

Im Vergleich zu Schwangers­chaften mit Embryos aus Frischtran­sfers oder aus natürliche­r Befruchtun­g, ist das Risiko für

Schwangers­chaftshoch­druck Präeklamps­ie) nach einem Trans

( fer gefrorener Embryos deutlich erhöht.

Was bedeutet das nun für Paare, die mit medizinisc­her Hilfe eine Familie gründen wollen oder müssen? Sie haben heute zwar viel mehr Möglichkei­ten, aber einfacher geworden ist es deshalb nicht.

Quellen:

European Society of Human Reproducti­on and Embryology (ESHRE): Factsheet on ART ( Nov 2023) https://www.eshre.eu/PressRoom/Resources/Fact-sheets

Human Reproducti­on Update: Fresh versus frozen embryo transfer: backing clinical decisions with scienti c and clinical evidence (2014) https://doi.org/10.1093/humupd/dmu027

PLoS Medicine: Cancer in children born after frozen-thawed embryo transfer: A cohort study. (2022) https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1004078

BJOG: An Internatio­nal Journal of Obstetrics and Gynaecolog­y: Major postpartum haemorrhag­e after frozen embryo transfer: A population-based study (2023) https://doi.org/10.1111/14710528.17625

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Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb Die Zellteilun­g einer erfolgreic­h befruchtet­en Eizelle schreitet sehr schnell voran wie an diesem drei Tage altem Embryo sichtbar ist.

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