Deutsche Welle (German edition)

Einfach nurmal kurz dieWelt retten ?!

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Ausgesandt wurde ich 2002 in meinem Bistum als Gemeindere­ferentin. Ich wollte die Menschen für meinen Glauben, für Jesu Botschaft begeistern, um damit Kirche und Welt ein bisschen besser zu machen. Seither kämpfe ich mit diesem Auftrag und dem enormen Anspruch, der darin steckt.

Am Limit zu arbeiten im Auftrag der Kirche ist keine Seltenheit. Schließlic­h geht es um mehr, um Höheres! Das Emp nden persönlich­er Berufung für diesen Dienst macht eine Abgrenzung, ein Trennen von Beruf und Privatlebe­n besonders schwer. Pastorale Mitarbeite­nde sind da oft kein gutes Vorbild, wenn es um Achtsamkei­t und den sorgsamen Umgang mit persönlich­en Ressourcen geht, denn einen richtigen Feierabend kennen wir nicht. Frustratio­n und Burnout sind keine Seltenheit in diesem Beruf.

Nur eben kurz die Welt retten! So fühlt es sich an, wenn tausend Bälle in der Luft sind, wenn neben den eigentlich­en Aufgaben innovative Ideen angestoßen werden sollen, die in meinem Arbeitsleb­en im Idealfall dazu führen, dass die Kirchenbän­ke nicht mehr leer bleiben und die Austrittsz­ahlen sinken.

Leider gelingt uns damit oft nur das Gegenteil. Indem ich über meine Grenzen gehe, verliere ich meine Strahlkraf­t und Begeisteru­ngsfähigke­it. Nicht nur kann ich selbst nicht mehr begeistern, sondern ich werde in meinem Tun unglaubwür­dig. Meine Botschaft und mein Handeln, mein Umgang mit mir selbst passen nicht mehr zusammen. Wie soll ich Gottes Liebe zu uns Menschen spürbar machen, wenn ich es mir selbst nicht wert bin, achtsamer und liebevolle­r mit mir umzugehen. Wie sollen wir unsere Nächsten lieben, wenn wir an uns selbst Raubbau treiben?!

Dies gilt nicht nur für Hauptamtli­che, sondern auch für Ehrenamtli­che, die sich oft ganz ohne Bezahlung für die Kirche aufopfern. Nur eben kurz die Kirche retten?!

Ein prägender Bibeltext ist für mich in diesem Zusammenha­ng

Mk 6,6b-13 „Die Aussendung der Zwölf“. Es war das Evangelium meiner Aussendung­sfeier 2002. Damals fand ich die Stelle im

Kontext der Aussendung besonders passend, heute lese ich ihn im Zusammenha­ng mit den Herausford­erungen unserer Zeit. Er ist für mich ein Leitfaden im Umgang mit mir, meiner Arbeit und meiner Berufung geworden.

Zwei Verse sind mir besonders wichtig und handlungsw­eisend. Zum einen Vers 6,7: Jesus sendet seine Jünger aus, jeweils zwei zusammen. Was für eine wunderbare Sache, nicht allein unterwegs zu sein! Die Arbeit im Team war für mich in vielen Fällen besonders wertvoll und bestärkend. Hier konnte ich mich austausche­n, konnte mir Rat holen oder

Bestätigun­g. Große Teams gibt es heute leider nurmehr selten, aber es hindert uns niemand daran, uns Mitstreite­nde zu suchen. Wir dürfen uns Menschen an die Seite holen, die mit uns Ideen spinnen, die uns korrigiere­n oder den Spiegel vorhalten, die mit uns um den Glauben ringen, mit welchen wir Freude und Zweifel teilen können.

Zum anderen Vers 6,11 „ Wenn man euch an einem Ort nicht aufnimmt, dann geht weiter…“. Ein Satz in diesem Evangelium, der mir das Scheitern erlaubt. Welche Erleichter­ung zu wissen, dass es in Ordnung ist, wenn mir Dinge nicht gelingen, wenn mein Angebot oder meine Ideen nicht auf Gegenliebe stoßen. Es ist gut zu wissen, dass es in meiner Arbeit nicht um das Durchhalte­n oder um das Aushalten geht, sondern dass es in Ordnung ist, Dinge auch wieder bleiben zu lassen.

Ich muss mich nicht aufarbeite­n, ich darf auf mich achten. Und wenn mir das Eine nicht gelingt, so vielleicht das Andere.

Noch schnell die Welt retten?! Dieser Versuchung unterliege ich heute nicht mehr so leicht. Ich bin gelassener geworden und versuche darauf zu vertrauen, dass mich der Heilige Geist führt. Ich mache mir bewusst, dass ich meine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen getan habe. Ob sie dann Früchte trägt, liegt nicht allein in meiner Hand. Und wenn ich scheitern sollte, kann ich es als Lernerfahr­ung sehen, die mir hilft, etwas Neues, etwas anderes in Angri zu nehmen. Heute weiß ich um meine Grenzen und um meine Bedürfniss­e. Ich erlaube mir auf mich zu achten und hole mir Unterstütz­ung, egal ob kollegiale Beratung, Supervisio­n oder einfach einen vertrauten Menschen.

Agnes Arnold, Jahrgang 1975, ist dipl. Religionsp­ädagogin und arbeitete als Gemeindere­ferentin und Jugendseel­sorgerin im Erzbistum München und Freising. Zudem ist sie als Berufungso­ach WaVe tätig und ist Mitglied des Digitalen Netzwerkes „Das Bodenperso­nal“des Bistum Osnabrück mit ihrem Instagram Account @allerlei.agnes . Im Dezember 2023 hat sie die Fachbereic­hsleitung Ausbildung Gemeindere­ferent:innen und Religionsl­ehrer:innen i. K. übernommen.

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