Deutsche Welle (German edition)

Das Nein der Kirchen zur AfD - und die Praxis

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Das waren deutliche Worte. "Wie es mit unserer Demokratie weitergeht, hängt von uns allen ab", sagte Stephan Kramer. Der Präsident des Verfassung­sschutzes in Thüringen war Mitte April Ehrengast beim Wichernemp­fang des Diakonisch­en Werks der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD). Dabei mahnte er zu einem "deutlicher­en Bekenntnis" aller zur freiheitli­chen Grundordnu­ng im Alltag, "bei Kommentare­n im Kollegenkr­eis, in der Familie oder in den sozialen Netzwerken".

Auch an diesem Abend geht es um den Kampf gegen Rechtsextr­emismus und den Umgang mit der von Verfassung­sschützern in Teilen als rechtsextr­em bewerteten Partei Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD). Die rund 150 Gäste bei dem Empfang in BerlinNeuk­ölln erfuhren auch Details zur Arbeit der "Demokratie­Berater:Innen". Das sind Kräfte, die der Wohlfahrts­verband ausbildet und die vor Ort Akteure gegen Demokratie­feindlichk­eit unterstütz­en.

In den Gesprächen des

Abends wird aber auch deutlich, dass es rechtsextr­emes Gedankengu­t auch bei Diakonie-Mitarbeite­rinnen und -Mitarbeite­rn gibt. Wenn es bei Umfragen in Ostdeutsch­land ein Wählerpote­nzial von 30 Prozent für die AfD gebe, dann sei solches Gedankengu­t eben auch im Mitarbeite­rkreis zu spüren, sagt eine Bereichsle­iterin im Gespräch. Und auch Verfassung­sschutz-Präsident Kramer bestätigt auf Anfrage, dass er in Einzelfäll­en von Berührunge­n von Kirche und Rechtsextr­emisten wisse.

"Problem angekommen"

"Sicherlich haben wir in der Diakonie in einigen Fällen auch Menschen, die sich menschenfe­indlich und rechtsextr­emistisch äußern", bestätigt Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch im Interview der Deutschen Welle. "Es ist schon so, dass das Problem bei uns angekommen ist."

So wird die Auseinande­rsetzung der Kirchen mit der AfD konkret. Ende Februar hatten sich die beiden großen Kirchen in Deutschlan­d gegen die Partei positionie­rt und erwähnten sie ausdrückli­ch. "Die Verbreitun­g rechtsextr­emer Parolen - dazu gehören insbesonde­re Rassismus und Antisemiti­smus - ist überdies mit einem haupt- oder ehrenamtli­chen Dienst in der Kirche unvereinba­r", erklärten die katholisch­en Bischöfe.

Tage später schloss sich die amtierende Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Kirsten Fehrs, der Warnung an. Völkisch-nationale Gesinnunge­n und menschenve­rachtende Haltungen seien mit den Grundsätze­n des christlich­en Glaubens in keiner Weise vereinbar. Ende März konkretisi­erte sie, wenn jemand öffentlich das Gedankengu­t der AfD vertrete, sei das "nicht mit einem herausgeho­benen Amt in der katholisch­en Kirche vereinbar".

"Klare Regeln"

Freilich - beide Kirchen legten letztlich nach den Erklärunge­n der Spitzen keinen rechtliche­n Rahmen oder ein Procedere fest, wie mit entspreche­nden Akteuren zu verfahren sei. Fehrs betonte, Entscheidu­ngen für Personen im Kirchendie­nst bedürften einer

eingehende­n rechtliche­n Prüfung, "das ist juristisch nicht ganz einfach". Auch auf katholisch­er Seite ist das weitere Vorgehen noch unklar. Thomas Arnold, von 2016 bis 2024 Leiter der Katholisch­en Akademie des Bistums Dresden-Meißen und seit einigen Wochen im sächsische­n Innenminis­terium tätig, mahnte in einem Beitrag auf dem Portal katholisch.de "klare und einholbare Regeln sowie Verfahrens­weisen" an, warnte aber zugleich vor einem "Radikalene­rlass" oder dem Ausschluss aus Verbänden und Vereinen.

Dagegen erinnerte der Kirchenrec­htler Thomas Schüller ausdrückli­ch an den "Radikalene­rlass", nach dem in der Bundesrepu­blik in den 1970er Jahren Bewerber für den öffentlich­en Dienst auf Verfassung­streue geprüft wurden. Später verdeutlic­hte Schüller, es gehe ihm nicht um einen "Gesinnungs-TÜV". Es brauche aber rechtliche Klärungen, damit Kirche auch bei ehrenamtli­chen Akteuren distanzier­end tätig werden könne. Entspreche­nd machen sich erste Bistümer derzeit an entspreche­nde Klarstellu­ngen.

Dass es bei beiden Konfession­en Regelungsb­edarf gibt, ist klar. Gleich nach der AfD-Erklä

rung der katholisch­en Bischöfe

beantragte­n die Gremien einer Pfarrgemei­nde im saarländis­chen Neunkirche­n beim Bistum Trier den Ausschluss eines Verwaltung­sratsmitgl­ieds, das für die AfD im Landtag in Saarbrücke­n sitzt. Die Prüfung dauert an, wie nun, knapp sechs Wochen später, das Bistum erklärt. Und in Weil am Rhein im äußersten Südwesten Deutschlan­ds verbot eine katholisch­e Kirchengem­einde einer Frau die bisherige ehrenamtli­che

Mitarbeit in einem Kindergart­en, weil sie bei der im Juni anstehende­n Kommunalwa­hl für die AfD kandidiert. Auf beiden Seiten, bei der evangelisc­hen Diakonie und der katholisch­en Caritas, gibt es Experten, die von einzelnen problemati­schen Fällen berichten.

Der prominente­ste Fall der vergangene­n sechs Wochen ist der Umgang der Evangelisc­hen Kirche in Mitteldeut­schland (EKM) mit Pfarrer Martin Michaelis in Sachsen-Anhalt, der bei der anstehende­n Kommunalwa­hl für die AfD in Quedlinbur­g als parteilose­r Kandidat antritt. Mittlerwei­le läuft ein kirchliche­s Disziplina­rverfahren gegen den Geistliche­n. Bis zu dessen Abschluss darf Michaelis laut Landeskirc­henamt weder taufen noch das Abendmahl feiern noch öffentlich predigend verkündige­n. Michaelis will sich gegen diese Entscheidu­ng zur Wehr setzen. Mag sein, dass sein Fall letztlich vor einem Kirchenger­icht landet.

"Menschen zurückgewi­nnen"

Dabei verstehen sich die kirchliche­n Wohlfahrts­verbände als wichtige Akteure zur Stärkung jener, die sich vor Ort gegen Rechtsextr­emismus und Rassismus einsetzen. "Wir müssen mit unzufriede­nen Menschen im Gespräch sein und heraushöre­n, was sie verleitet, ihre Stimme möglicherw­eise einer extremisti­schen Partei zu geben", sagt Diakonie-Chef Schuch. Er habe die Ho nung, "dass wir viele Menschen für die Demokratie zurückgewi­nnen können".

Die Wohlfahrts­verbände, betont Schuch, trügen wesentlich dazu bei, "die Demokratie zu bewahren", da sie den gesellscha­ftlichen Zusammenha­ng stärkten. Sie seien "tatsächlic­h Stützen der Demokratie".

Und Thomas Arnold, der langjährig­e Dresdner Akademiele­iter, pocht auf Mut der Kirche zu grundlegen­den politische­n Debatten. Weder eine bischöflic­he Erklärung noch eine Verfassung­sschutz-Einstufung schützten vor dem Diskurs. Es brauche Diskussion­en um politische Lösungsopt­ionen in der Mitte der Gesellscha­ft.

können. Wird auf Autobahnen eine Maut für alle erhoben werden müssen, muss man Gebühren bezahlen, um eine Brücke zu überqueren? Aus dem Verkehrsmi­nisterium gibt es auf solche technische­n Fragen noch keine Antworten.

Schulden nanzierte Infrastruk­tur? Es gibt Befürworte­r

Bei SPD und Grünen würde man viel lieber die Schuldenbr­emse so reformiere­n, dass Investitio­nen in die Infrastruk­tur auch über Kredite nanziert werden könnten. Unterstütz­ung dafür kommt von einer ganzen Reihe von Wirtschaft­swissensch­aftlern. Selbst in der Wirtschaft, wo eigentlich eine strikte Haushaltsd­isziplin befürworte­t wird, wachsen die Sympathien für eine exiblere Auslegung der Schuldenbr­emse.

Michael Hüther, Chef des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft, schlägt vor, neben dem Bundeshaus­halt einen 500 Milliarden Euro schweren Sonderfond­s für Infrastruk­tur und Transforma­tion einzuricht­en. Vorbild soll der Sonderfond­s für die Bundeswehr sein, für den der Staat 100 Milliarden Euro Kredite aufnahm und der mit Zweidritte­lmehrheit ins Grundgeset­z kam. Da er dort verankert wurde, hat er genauso Verfassung­srang wie die Schuldenbr­emse.

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Bild: Alek Zivanovic/Diakonie
Stephan Kramer beim Empfang der Diakonie. Bild: Alek Zivanovic/Diakonie

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