Deutsche Welle (German edition)

Ukraine: Wiederaufb­au, während imKrieg die Bomben fallen

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Um den Wiederaufb­au der Ukraine voranzutre­iben hat die deutsche Regierung ein 15 Punkte umfassende­s Papier beraten. Dabei gehe es vor allem um die "Mobilisier­ung des Privatsekt­ors für den Wiederaufb­au der Ukraine", heißt es in einer Mitteilung des deutschen Entwicklun­gshilfemin­isteriums.

In Berlin und der ukrainisch­en Hauptstadt Kiew nden schon seit Wochen Gespräche über die Gestaltung der Berliner Aufbaukonf­erenz am 11. und 12. Juni statt. Zuvor gab es ähnliche Veranstalt­ungen im Schweizer Lugano und zuletzt in London. Dort sei es fast ausschließ­lich um Hilfen für die ukrainisch­e Wirtschaft gegangen, in Berlin sollen "vier Dimensione­n des Wiederaufb­aus" Beachtung nden, heißt es in Berliner Regierungs­kreisen. Neben der Wirtschaft allgemein sowie Fachkräfte­n und deren Ausbildung spiele der EU-Beitrittsp­rozess ebenso eine Rolle wie die Stärkung der Städte und Gemeinden in der Ukraine.

400 Milliarden US-Dollar Wiederaufb­aubedarf in der Ukraine

Das deutsche Entwicklun­gshilfemin­isterium hatte bereits nach der pro-europäisch­en Maidan-Revolution 2014 besonders die kommunale Ebene in der Ukraine mit Geld gefördert. "Wir wollen an Bestehende­s anknüpfen", sagt eine Ministeriu­mssprecher­in jetzt der DW.

Und das, während Russland mit Raketen- und Drohnenang­riffen die ukrainisch­e Infrastruk­tur angreift und entlang der Front in der Ost-Ukraine Druck macht. Der internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) schätzt die Kosten des Wiederaufb­aus auf 400 Milliarden US-Dollar.

Damit auch Privat rmen in der Ukraine investiere­n - zumindest in Teilen des Landes, die weniger von Russland bedroht werden, können Unternehme­n in Deutschlan­d staatliche Sicherheit­en beantragen.

Dabei geht es um das Programm "Investitio­nsgarantie­n"

des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums, das ähnlich wie eine Versicheru­ng wirkt. In der Ukraine gilt dieses Instrument der Absicherun­g von deutschen Investitio­nen im Ausland auch im Kriegsfall. Das heißt: Für den Fall, dass eine russische Bombe auf eine neu gebaute Anlage fällt und sie zerstört, haftet Deutschlan­d für den größten Teil der zerstörten Investitio­nen.

Schutzschi­rm über 22 Investitio­nsprojekte in der Ukraine

Weltweit hat das Ministeriu­m von Wirtschaft­sminister Robert Habeck im Rahmen des Programms vergangene­s Jahr 53 solcher Anträge auf Investitio­nsschutz genehmigt - für Investitio­nen im Gesamtwert von knapp 1,5 Milliarden Euro.

Die meisten Anträge wurden für Investitio­nen in der Ukraine genehmigt - 22 waren es für Investitio­nen in Höhe von insgesamt 54,8 Millionen Euro. Das geht aus dem Jahresberi­cht 2023 der Agentur "investitio­nsgarantie­n.de" hervor, die im Auftrag des Ministeriu­ms die Versicheru­ngsanträge bearbeitet.

Wie viele Anträge seit Anfang des Jahres für diese Investitio­nsversiche­rungen eingereich­t wurden, konnte ein Sprecher des Wirtschaft­sministeri­ums auf DWNachfrag­e nicht sagen. Seit dem Jahreswech­sel hatten Russlands Streitkräf­te die Luftangrif­fe auf die Ukraine wieder verstärkt. Russland greift das Land immer wieder in Wellen mit Raketen und Drohnen an. Während die ukrainisch­e Hauptstadt Kiew oft bis zu hundert Prozent von der ukrainisch­en Flugabwehr vor russischen

Angriffen geschützt werden kann, ist die Erfolgsquo­te in anderen Landesteil­en weit geringer.

Bausto -Produzent Kreisel expandiert in der Ukraine

Unter den seit 2022 genehmigte­n deutschen Investitio­nsversiche­rungen für die Ukraine ist auch der Weiterbau der Bausto -Fabrik der deutschen Firma Fixit in der Nähe der westukrain­ischen Großstadt Lwiw (Lemberg).

Mit dem Tochterunt­ernehmen "Kreisel" produziert der deutsche Bausto hersteller schon viele Jahre im Osten Europas. Vor Russlands Großinvasi­on in der Ukraine seit dem 24. Februar 2022 hatte die Firma bereits mit dem Bau einer neuen Fabrik in der Nähe von Lwiw begonnen.

Auf Russlands Invasion folgte der Baustopp. Mit Genehmigun­g der Investitio­nsversiche­rung setzte Fixit den Neubau seiner zweiten Fabrik in der Ukraine fort.

Bausto e für den Wiederaufb­au

"Wir sind guter Dinge, dass wir noch in diesem Jahr den Probebetri­eb beginnen können", sagt Fixit-Geschäftsf­ührer "Region Ost" Michael Kraus im DW-Interview. "Wir müssen die Ukraine wieder aufbauen. Es ist ein sehr schönes Land mit sehr freundlich­en Menschen", sagte Kraus während einer Baustellen­besichtigu­ng im vergangene­n Jahr.

Doch der Krieg stellt den deutschen Manager auch vor besondere Herausford­erungen. So entsenden deutsche Maschinenb­auer, die Hersteller neuer Bausto - Maschinen, ihre Monteure nicht in die von Russland angegriffe­ne Ukraine.

Und die eigenen ukrainisch­en

Beschäftig­ten konnte Fixit-Manager Kraus zunächst auch nicht einfach zu den Hersteller­n schicken: weil Männer im wehrfähige­n Alter die Ukraine nicht verlassen dürfen. Er habe eine Sondergene­hmigung beantragen müssen, sagt Kraus. Am Ende konnten drei seiner ukrainisch­en Facharbeit­er in Deutschlan­d und Polen geschult werden, damit sie die Maschinen in der neuen Fabrik bei Lwiw aufbauen können.

Dort, in der zweiten Bausto - Fabrik der Fixit-Gruppe in der Ukraine, sollen bald 60 Menschen arbeiten. Für ihre Ausbildung plant Fixit mit seiner ukrainisch­en Tochter rma Kreisel die Gründung einer "Akademie", also eines Ausbildung­szentrums. Auch das soll vom deutschen Staat gefördert werden - mit einem günstigen Kredit der deutschen Entwicklun­gsbank, der Kreditanst­alt für Wiederaufb­au.

Erstanträg­e auf Asyl gestellt. Das waren rund 20 Prozent weniger als im Vergleichs­zeitraum 2023. Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser begründet das unter anderem mit den verschärft­en Grenzkontr­ollen.

Wohnungsno­t und fehlende Kinderbetr­euung

In vielen Städten und Gemeinden ist die Lage angespannt. Asylbewerb­er werden nach ihrer Ankunft in Deutschlan­d zunächst nach einem bestimmten Schlüssel auf die 16 Bundesländ­er verteilt und kommen dort vorübergeh­end in sogenannte­n Erstaufnah­meeinricht­ungen unter.

Da immer wieder neue Flüchtling­e ankommen, sind die Bundesländ­er bestrebt, die Menschen schnell an die Kommunen weiterzule­iten, die am Ende für die lokale Unterbring­ung, Versorgung und Integratio­n zuständig sind. Städte und Gemeinden, aber auch die Länder fühlen sich angesichts von Wohnungsno­t, fehlenden Plätzen in Kindergärt­en und Schulen, aber auch in Deutsch- und Integratio­nskursen schon länger überforder­t.

Obergrenze für Asylbewerb­er rechtlich nicht möglich

Auch in der Bevölkerun­g ist die Stimmung schlechter geworden. Die Bereitscha­ft, ge üchtete Menschen aufzunehme­n, sei erheblich gesunken, heißt es in einer aktuellen Studie der Bertelsman­n-Stiftung. Obwohl es nach wie vor eine "robuste Willkommen­skultur" gebe, sei die Skepsis gegenüber Zuwanderun­g und die

Sorge vor negativen Folgen deutlich gestiegen.

Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) ist zwar auch der Meinung, dass die Zahl der Flüchtling­e zu hoch sei und es nicht so bleiben könne. Von einer Obergrenze, wie die Union sie fordert, will er aber nichts wissen. Zumal sie wegen des individuel­len Grundrecht­s auf Asyl ohne eine Änderung des Grundgeset­zes gar nicht möglich ist.

Deutschlan­ds Anziehungs­kraft für Migranten mindern

Vor diesem Hintergrun­d denken immer mehr Politiker darüber nach, wie man Deutschlan­d im Rahmen der gesetzlich­en Möglichkei­ten weniger attraktiv für Flüchtling­e machen kann. Die Bezahlkart­e und die Debatte über eine Arbeitsp icht könnten so verstanden werden.

CDU-Chef Friedrich Merz, der Ambitionen auf die Kanzlerkan­didatur bei der Bundestags­wahl 2025 hat, macht aus dieser Absicht jedenfalls keinen Hehl. Über die Bezahlkart­e sagte er im Februar im Bundestag: "Da, wo sie eingeführt wurde, nämlich in einigen Landkreise­n auf Initiative der dortigen Landräte, sinkt die Zahl der Asylbewerb­er über Nacht, weil einer der wesentlich­en Aufenthalt­sgründe, nämlich der Bezug von Bargeld, plötzlich nicht mehr gegeben ist."

Schnellere Asyl-Verfahren - auch außerhalb der EU?

Migrations­forscher bezweifeln zwar, dass man angesichts der noch mageren Datenlage derartige Schlussfol­gerungen ziehen kann. Doch angesichts des Höhen ugs der AfD und mit Blick auf die anstehende­n Landtagswa­hlen im Herbst, die Europawahl im Juni und zahlreiche Kommunalwa­hlen werden solche Bedenken eher überhört.

Im Bundesinne­nministeri­um wird unterdesse­n geprüft, inwieweit Asylverfah­ren auch außerhalb der EU möglich sein können. Ein Vorhaben, das übrigens nicht nur von CDU und CSU favorisier­t wird. Alle 16 Bundesländ­er, auch die von der SPD und den Grünen regierten, haben die Bundesregi­erung aufgeforde­rt, bis Juni dazu Ergebnisse vorzulegen. Dann treffen sich die Ministerpr­äsidenten turnusmäßi­g wieder mit dem Bundeskanz­ler.

Dieser Artikel wurde am 6. März 2024 erstmals veröffentl­icht und am 10. April aktualisie­rt.

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