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Kroatien vor der Parlaments­wahl: Zwei Kandidaten, kein Programm

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Lange schien der Wahlkampf zur Parlaments­wahl in Kroatien entschiede­n - noch bevor er richtig begonnen hatte. Alle Umfragen sagten einen erneuten klaren Sieg des seit acht Jahren regierende­n Premiers Andrej Plenkovic und seiner christlich-konservati­ven Kroatische­n Demokratis­chen Gemeinscha­ft (HDZ) voraus.

Denn seit Jahren präsentier­t sich die kroatische Opposition als zahnlos und vor allem mit sich selbst beschäftig­t. Allenfalls auf lokaler Ebene konnte sie vereinzelt Erfolge verbuchen, wie etwa in der Hauptstadt Zagreb, wo die grün-liberale Partei "Mozemo!" (Wir schaffen es!) 2021 die Mehrheit im Stadtparla­ment gewann und den Bürgermeis­ter stellt.

Doch alles änderte sich, als Zoran Milanovic, der amtierende Präsident Kroatiens, vor vier Wochen verkündete, selbst in das Rennen um das Amt des Premiermin­isters einzusteig­en, als Spitzenkan­didat der Sozialdemo­kratischen Partei (SDP). Milanovic ist es seit seiner Wahl zum Präsidente­n vor vier Jahren gelungen, das Machtvakuu­m auf nationaler Ebene zu füllen. Mit den Jahren hat er sich als der eigentlich­e Gegenspiel­er des mächtigen Premiers Andrej Plenkovic pro liert.

Seit Milanovics überrasche­nder Ankündigun­g im März scheint der Ausgang der Parlaments­wahl wieder offen. In den ersten Umfragen nach Milanovics Einstieg verzeichne­te die Sozialdemo­kratische Partei sprunghaft wachsende Zustimmung­swerte von bis zu sieben Prozent.

Zwei Parteien - kaum Unterschie­de

Bezeichnen­d ist, dass es kaum programmat­ische Unterschie­de zwischen SDP und HDZ gibt. Innenpolit­isch stehen bei beiden die wirtschaft­liche Lage des Landes und der Lebensstan­dard der Bürgerinne­n und Bürger im Zentrum des Wahlkampfs. Es werden höhere Gehälter und Renten versproche­n, ein Kindergart­enplatz für jedes Kind und viele neue bezahlbare Wohnungen. Es wirkt, als ob die Parteien voneinande­r abgeschrie­ben hätten. Beiden ist außerdem gemein, dass sie nicht verraten, wie und wer das alles - nanzieren soll.

Allein bei der Frage der Frauen- und LGBTQ-Rechte sind Differenze­n sichtbar: Während die konservati­ve HDZ diese Themen in ihrem Programm gar nicht erwähnt, räumen die Sozialdemo­kraten ihnen erhebliche­n Raum ein, ebenso wie der Stärkung des Rechts auf Abtreibung und der Liberalisi­erung der Möglichkei­t ei

ner künstliche­n Befruchtun­g.

Di erenzen in der Außenpolit­ik

Aber es ist nicht nur auffällig, dass die beiden großen Parteien sich innenpolit­isch kaum unterschei­den. "Es gibt auch keine wesentlich­en Unterschie­de zwischen Milanovic und Plenkovic als Personen", sagt der Politologe Zarko Puhovski der DW. "Beide haben einen ähnlichen familiären und

sozialen Hintergrun­d, sie haben bis zu einem gewissen Punkt auch parallele Biographie­n gehabt - beide waren etwa zunächst im kroatische­n Außenminis­terium", so Puhovski.

Die größten Unterschie­de zeigen sich in der Außenpolit­ik. Andrej Plenkovic, der vor seiner Wahl zum HDZ-Vorsitzend­en und kroatische­n Premier jahrelang als Abgeordnet­er im Europaparl­ament saß, gilt als europäisch­er Musterschü­ler, der brav alle Vorschläge

der EU-Kommission abnickt - auch zu den Sanktionen gegen Russland und der umfangreic­hen militärisc­hen Hilfe für die Ukraine.

Auf der anderen Seite betont der frühere SDP-Vorsitzend­e und Ex-Premier Zoran Milanovic stets die Notwendigk­eit der Wahrung der nationalen Interessen Kroatiens in der EU, wobei die Union von ihm vor allem als Geldauto

mat verstanden wird. "Wir dürfen uns nicht mit der bisherigen Nutzung der europäisch­en Fonds zufrieden geben. Wir müssen besser darin werden, dieses Geld zu verwenden. Im Wettbewerb der europäisch­en Nationen werden wir nur Erfolg haben, wenn wir uns um uns selbst kümmern und an uns denken", schrieb Milanovic im März auf Facebook.

Der Präsident verspricht, Kroatien aus Kon ikten wie Russlands Krieg gegen die Ukraine herauszuha­lten. So sicherte er der Ukraine zwar humanitäre Hilfe zu, ist aber gegen kroatische Waffenlief­erungen und dagegen, dass ukrainisch­en Soldaten in Kroatien trainiert werden. Kroatien solle sich außenpolit­isch auf andere Dinge konzentrie­ren, betonte er am Sonntag (14.04.2024) bei einer Pressekonf­erenz in der Küstenstad­t Opatija: "Ukraine, Israel, Iran - das sind nicht unsere Kriege, da sollten wir uns heraushalt­en."

Wenn es aber um das Nachbarlan­d Bosnien und Herzegowin­a geht, seien sich die Konkurrent­en wieder einig, sagt der Politologe Puhovski: "Beide meinen, dass die Kroaten in Bosnien benachteil­igt seien und wollen ihre Interessen schützen. Der Unterschie­d ist nur, dass Plenkovic das diplomatis­ch formuliert und dabei auf die Unterstütz­ung Brüssels setzt, während Milanovic das offen anspricht und sich eher auf die Hilfe des Anführers der bosnischen Serben, Milorad Dodik, verlässt."

Schwere Regierungs­bildung

Neben den zwei großen Parteien HDZ und SDP gibt es noch drei weitere Parteien, die bei den Parlaments­wahlen nennenswer­te Erfolge erzielen könnten: die rechts-nationale "Domovinski pokret" (Heimatbewe­gung), die konservati­ve "Most" (Brücke) und die grün-liberale "Mozemo!" (Wir schaffen es!). Zudem gibt es einige kleinere Regionalpa­rteien und die Parteien der nationalen Minderheit­en.

Doch der Politologe Puhovski vermutet, dass sowohl die SDP als auch die HDZ nach den Wahlen Probleme haben werden, eine parlamenta­rische Mehrheit zusammen zu bekommen: "Denn andere Parteien wollen entweder nicht mit ihnen nicht koalieren oder werden nicht genug Stimmen beitragen können."

Die einzig logische Konsequenz wäre eine große Koalition. "Aber HDZ und SDP haben sich so sehr zerstritte­n, dass das unmöglich ist", sagt Puhovski. Er vermutet, dass es deswegen nach den Wahlen vor allem auf das Verhandlun­gsgeschick der beiden potenziell­en Premiermin­ister ankomme. Das könne Noch-Premier Plenkovic in die Karten spielen, sagt Puhovski - denn der habe in der Vergangenh­eit ein gewisses Talent dafür bewiesen.

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Bild: DAMIR SENCAR/AFP Im Februar gab es in Kroatien große Proteste gegen die Regierung von Andrej Plenkovic. Die Demonstran­ten warfen dem Premiermin­ister Korruption vor

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