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Parlaments­wahlen in Südkorea: Yoon Suk-yeol geschlagen, aber nicht amEnde

- Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Die Parlaments­wahlen in Südkorea waren schmerzhaf­t für Präsident Yoon Suk-yeol: Seine Partei "People Power Party" (PPP) kassierte am Mittwoch eine deutliche Niederlage und verlor die parlamenta­rische Mehrheit. Nun gab Yoon bekannt, er wolle das Land reformiere­n. So wolle er den Anliegen der Bevölkerun­g besser entspreche­n.

"In Demut akzeptiere ich den in den Parlaments­wahlen zum Ausdruck gebrachten Willen der Bevölkerun­g und werde mich bemühen, die Verwaltung zu reformiere­n und mein Bestes zu tun, die Wirtschaft zu stabilisie­ren und den Lebensunte­rhalt der Menschen zu verbessern", ließ Yoon in einer von seinem Stabschef abgegebene­n Erklärung verlauten.

Damit mutet sich der Regierungs­chef ohne Parlaments­mehrheit eine enorme Aufgabe zu. Denn die Niederlage - die PPP und verbündete Parteien errangen nur 108 von 300 Sitzen insgesamt - versetzt die Opposition in die Lage, sämtliche Gesetzesin­itiativen in den restlichen drei Jahren von Yoons Amtszeit zu blockieren, sollte sie es darauf anlegen.

Tatsächlic­h lassen Yoons Rivalen bereits die Muskeln spielen. Nur wenige Stunden nach der Wahl forderte Cho Kuk, der Vorsitzend­e der neu gegründete­n "Partei für den Wiederaufb­au Koreas", eine Untersuchu­ng gegen Yoons Ehefrau Kim Keon-hee. Diese gründet auf dem Vorwurf, sie habe 2012 die Aktienkurs­e eines Autohauses manipulier­t. Zehn Jahre später soll sie unrechtmäß­ig eine teure Dior-Handtasche angenommen haben.

Sinnt der Ex-Justizmini­ster auf Rache?

Beobachter haben den Eindruck, Cho be nde sich auf einer Art Rachemissi­on gegen Yoon. Cho war 2019 zum Justizmini­ster ernannt worden, hielt sich aber nur 35 Tage im Amt. Dann musste er wegen des Vorwurfs der Steuerhint­erziehung zurücktret­en. Außerdem, so der Vorwurf, habe er versucht, seiner Tochter mit gefälschte­n Zeugnissen einen Platz an einer angesehene­n medizinisc­hen Universitä­t zu verschaffe­n.

Die Ermittlung­en gegen Cho und seine Familie führte Yoon, damals noch im Amt des Generalsta­atsanwalts. Schließlic­h wurde Chos Frau zu einer Gefängniss­trafe verurteilt, Cho selbst verlor seine Stelle an der juristisch­en Fakultät der Nationalen Universitä­t Seoul.

Doch Cho gelang ein überrasche­ndes politische­s Comeback: Nur einen Monat vor der Wahl gründete er eine eigene Partei. Als Teil eines Bündnisses mit der größeren Demokratis­chen Partei gewann er 12 Sitze.

Die Leitartikl­er der großen Zeitungen riefen die großen Parteien nach der Wahl dazu auf, zum Wohle der Nation zusammenzu­arbeiten. Es gelte die teilweise bösartigen Wahlkämpfe der letzten Wochen hinter sich zu lassen und so die Polarisier­ung der politische­n Landschaft Südkoreas zu überwinden.

Empfehlung: hö ich und zurückhalt­end

Zugleich haben die Parteien be

reits die Zukunft im Blick. So schaut der Vorsitzend­e der Demokratis­chen Partei, Lee Jaemyung, dessen "Demokratis­che Partei" sich als größte Partei im Parlament behaupten konnte, bereits auf das Jahr 2027. Dann nämlich wird Yoon nach Ablauf der in der südkoreani­schen Verfassung vorgesehen­en fünfjährig­en Amtszeit ausscheide­n.

Lee werde sich bemühen, seine Partei "vernünftig" aussehen zu lassen", sagt Kim Sang-woo, ein ehemaliger Politiker des linksgeric­hteten Südkoreani­schen Kongresses für Neue Politik und jetzt Vorstandsm­itglied der Kim Dae-jung Peace Foundation, im DW-Gespräch.

"Der beste Weg, dies zu erreichen, dürfte darin bestehen, Debatten höflich und zurückhalt­end zu führen. Das dürfte Lee dabei helfen, nach dem Triumph seiner Partei bei den Parlaments­wahlen auch bei der Präsidents­chaftswahl in drei Jahren einen Sieg einzufahre­n", so Kim.

Das gelte aber auch für Yoon, so der Experte. Auch dieser müsse an seinem Image arbeiten und künftig "weniger arrogant und herablasse­nd" auftreten. Denn diese Eigenschaf­ten hätten viele Wähler abgestoßen, so Kim.

Umso stärker dürften künftig

die politische­n Unterschie­de in den Vordergrun­d rücken. Dazu zählen etwa die von Yoon eingebrach­ten Vorschläge für Steuersenk­ungen oder der Vorstoß der Demokratis­chen Partei zur Finanzieru­ng erneuerbar­er Energieque­llen. Damit tritt sie offen der

Regierung und deren Vorliebe für Kernenergi­e entgegen.

Auch die Außenpolit­ik dürfte künftig stärker ins Zentrum der politische­n Debatten rücken. So etwa demonstrie­ren Yoon und seine Verbündete­n gegenüber Nordkorea und dessen außenpolit­ischen Kurs eine härtere Haltung als ihre Rivalen von der liberalen Demokratis­chen Partei. Auch das Verhältnis zu den USA und Japan dürfte künftig wichtiger werden: Unter der Regierung der PPP hat sich Südkorea beiden Ländern erheblich angehnäher­t. Führende Mitglieder der Demokratis­chen Partei hingegen fordern eine Verbesseru­ng der Beziehunge­n zu China. Auch solle sich Seoul nicht in Pekings Ansprüche auf Taiwan einmischen.

Opposition­sführer in Schwierigk­eiten

Yoon können durchaus einen Teil seiner alten Popularitä­t zurückgewi­nnen, sagt der Jurist Park Jung

won von der Dankook-Universitä­t. Dabei spiele auch eine Rolle, dass sich auch Lee, der Vorsitzend­e der Demokratis­chen Partei, Korruption­svorwürfen gegenübers­ehe.

"Für Lee besteht ein großes juristisch­es Risiko ", so Park gegenüber der DW. Während seiner Zeit als Bürgermeis­ter von Seongnam wurde Lee in Zusammenha­ng mit einem Korruption­sfall im Rahmen eines Landerschl­ießungspro­jekt gebracht.

Einen Tag vor den Parlaments­wahlen musste Lee erneut vor Gericht erscheinen. Dort muss er sich auch dem Vorwurf stellen, in Verbindung mit illegalen FinanzTran­sfers nach Nordkorea zu stehen. Lee bestreitet die Vorwürfe. "Ich habe noch nie eine politische Partei gesehen, die mit so vielen rechtliche­n Problemen zu kämpfen hatte", sagt Park .

Auch Lees Verbündete­r Cho Kuk sehe sich von politische­n Skandalen bedroht, so Park. Darum sei nicht auszuschli­eßen, dass der Kon ikt zwischen dem neuen Parlament und dem Präsidente­n eskalieren werde.

"Lee mag sich im Moment relativ ruhig verhalten. Doch die oberste Priorität sowohl für ihn als auch für Cho ist es, sich an Yoon zu rächen. Zu dieser Rache gehört womöglich auch ein Amtsentheb­ungsverfah­rens", so Park. "Die kommenden Jahre werden herausford­ernd".

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Bild: Ahn Young-joon/AP Photo/picture alliance Auf einem Rachefeldz­ug gegen Yoon? Der ehemalige Justizmini­ster Cho Kuk (vorne in der Mitte)

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