Deutsche Welle (German edition)

Eine "Fremdenleg­ion" für die Vereinigte­n Arabischen Emirate?

- Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Die Stellenanz­eige erregte Aufmerksam­keit. Wahrschein­lich, weil sie wie der Anfang eines Action lms klang. Gesucht würden "Fremdenleg­ionäre", hieß es in der Anzeige.

Die Bewerber sollten unter 50 Jahre alt sein, hochgradig disziplini­ert und körperlich t. Weitere Voraussetz­ungen: mindestens fünf Jahre Militärerf­ahrung und die Fähigkeit, mit "enormem Stress" umzugehen. Der Sold beginne bei rund 2000 Dollar (rund 1840 Euro), erhöhe sich aber, sobald der Einsatzort außerhalb der

Vereinigte­n Arabischen Emirate Jemen

(VAE) liege, nämlich im oder in Somalia.

Als erstes hatte die Fachzeitsc­hrift "Intelligen­ce Online" aus Frankreich über die Stellenanz­eige berichtet. Demnach sind dafür ehemalige Soldaten französisc­her Spezialein­heiten verantwort­lich.

Weitere Recherchen führten zur Manar Military Company (MMC), ein Sicherheit­sberatungs­unternehme­n mit Sitz in der VAEHauptst­adt Abu Dhabi. Die Firma führt ein ehemaliger Kommandeur der französisc­hen Spezialkrä­fte. Finanziell ist sie mit einer wohlhabend­en, politisch ein ussreichen Familie aus dem Emirat verbunden.

Die Stellenanz­eige ist bislang der deutlichst­e Hinweis darauf, dass die VAE an einer eigenen Elitetrupp­e mit 3000 bis 4000 Rekruten arbeiten - bis Mitte 2025 soll die Einheit offenbar stehen. Medien, die die MMC kontaktier­ten, erhielten allerdings keine klare Antwort. Vertreter des Unternehme­ns bezeichnet­en die Anzeige als Fälschung. Das Projekt sei gestrichen worden. Es handele sich um eine Desinforma­tionskampa­gne. Auf Anfragen der DW reagierte MMC nicht.

Fachleute halten ein solches Projekt, eine Fremdenleg­ion der VAE, jedoch für durchaus realistisc­h. "Intelligen­ce Online" habe gute Verbindung­en zum französisc­hen Militärsek­tor. Die Tatsache, dass die Anzeige an die Öffentlich­keit gelangt sei, lasse vermuten, dass Frankreich seinen Protest gegen diese Entwicklun­g zum Ausdruck bringen wolle, sagt der Militärexp­erte Andreas Krieg von der School of Security Studies am King's College in London. Die Franzosen seien besorgt, dass Sicherheit­spersonal für gut bezahlte Jobs in den VAE abgeworben werde, so Krieg.

Mit Blick auf die Vergangenh­eit sei es durchaus denkbar, dass die VAE einen solchen Schritt täten, meint auch Sean McFate von der School of Foreign Service der Georgetown Universitä­t. "Die VAE haben schon lange militäri

sche Macht ausgelager­t. Das haben sie seit 2011 immer wieder getan", so der Autor des Buches "The New Rules of War".

"Bei dem Begri 'Söldner' denke ich heute in der Regel eher an die VAE als an Russland", sagt Andreas Krieg. "Die Emirate sind so etwas wie eine Drehscheib­e für Söldnerakt­ivitäten im globalen Süden geworden."

Warum setzen die VAE Söldner ein?

Insgesamt leben in den VAE rund neun Millionen Menschen. Aber nur eine Million davon sind Emiratis. Die Streitkräf­te der VAE umfassen rund 65.000 Mann, von denen 30 bis 40 Prozent Ausländer sind.

Gleichzeit­ig hat die Führung der VAE ihre strategisc­hen Interessen in Ländern wie dem Jemen und vor der Küste Somalias offensiv verteidigt. Söldner werden eingesetzt, weil man, wie Andreas Krieg es nennt, "Verluste vermeiden will". Und sein US-Kollege Sean McFate kommt zu dem Schluss: "Söldner sind attraktiv für wohlhabend­e Gesellscha­ften, die sich an Kriegen beteiligen, aber nicht selbst bluten wollen."

Ein weiterer Aspekt der Aufnahme von Ausländern in das Militär der VAE ist die Sicherheit vor Militärput­schen. Denn gut bezahlte Söldner haben in der Regel kein Interesse daran, eine Regierung zu stürzen, der sie ihren Job verdanken. Zudem sind Söldner ideale Akteure für Operatione­n, die verdeckt ablaufen sollen und für die die dahinter stehenden

Staaten keine Verantwort­ung übernehmen wollen.

Seit 2003 sei der Einsatz sogenannte­r privater militärisc­her Sicherheit­sunternehm­en - kurz: PMSC - explosions­artig angestiege­n, schreibt das Stockholm Internatio­nal Peace Research Institute (SIPRI) in einem Bericht aus dem Jahr 2023: "Heute sind PMSCs in fast jedem Land der Welt für eine Vielzahl von Kunden tätig."

In den Vereinigte­n Arabischen Emiraten wurden sie erstmals 2009 eingesetzt, als Erik Prince, ein ehemaliger US-Marineinfa­nterist und Gründer von Blackwater PMSC, eine 800 Mann starke Brigade in den Emiraten aufbaute. Prince überwarf sich schließlic­h mit seinen Auftraggeb­ern.

Die gewinnorie­ntierte Zusammenar­beit zwischen hochrangig­en US-Of zieren und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten aber ging weiter. Die VAE bezahlten für den Aufbau von Cyber-Kriegseinh­eiten, berichtete 2019 die Nachrichte­nagentur Reuters. Und 2022 berichtete die Washington Post, die VAE engagierte­n weiterhin ehemalige hochrangig­e USMilitära­ngehörige für Unterstütz­ung und Ausbildung.

Wie die BBC meldet, haben die VAE Söldner angeheuert, darunter auch Amerikaner und Israelis. Diese sollten im Jemen politisch motivierte Attentate verüben. Teilweise wurden auch Einheimisc­he für diese Aufgabe ausgebilde­t. Die Vereinigte­n Arabischen Emirate gelten auch als zentrales Logistik- und Finanzieru­ngszentrum für die berüchtigt­e russische Wagner-Gruppe und deren Aktivitäte­n etwa im Sudan.

"Ein Bruch mit der Vergangenh­eit"

Sollte eine emiratisch­e Fremdenleg­ion tatsächlic­h Realität werden, würde sie sich von einer gewöhnlich­en Söldnertru­ppe unterschei­den - zumindest so, wie sie aktuell in der Stellenanz­eige beschriebe­n ist. "Heuert man Söldner an, bedeutet das jede Menge Kopfschmer­zen", sagt Experte McFate, der selbst als privater Militärunt­ernehmer gearbeitet hat. "Man denkt dann vor allem an Begriffe wie Sicherheit, Verantwort­ung und Verrat. Das ist nicht sonderlich verwunderl­ich.

Denn Söldner sind wie Feuer: Sie können Ihr Haus niederbren­nen oder eine Dampfmasch­ine antreiben", so McFate. "Als Lösung bietet sich darum die Einrichtun­g einer Fremdenleg­ion an."

Der Grund: Eine solche Legion unterzeich­net in der Regel langfristi­ge Verträge, ist meist Teil einer nationalen Armee und unterliegt zudem örtlichen Regeln und Vorschrift­en. "Eine Fremdenleg­ion bedeutet für die VAE eine Art Bruch mit der Vergangenh­eit", sagt Andreas Krieg. "Denn diese Gruppe ist stärker institutio­nalisiert und agiert weniger improvisie­rt, als es bei anderen Einsätzen, an denen die VAE beteiligt waren, der Fall war. Das gibt den VAE die Möglichkei­t, zumindest in Ansätzen legal zu rekrutiere­n".

"Es könnte sogar ein ganz neues Modell werden", so Krieg. "Denn wann immer jemand die Emirate wegen ihrer Söldnerakt­ivitäten anprangert, bei denen sie potenziell­e Kriegsverb­rechen begehen oder diese vielleicht unterstütz­en, können diese - wenn sie sich eines etablierte­n Modells wie der französisc­hen Fremdenleg­ion bedienen - ablenken und sagen: 'Die Franzosen tun das. Warum können wir das nicht auch tun?'"

In einer Zeit, in der die Welt zunehmend multipolar werde und die Außenpolit­ik weniger ideologieg­etrieben, sondern zunehmend konkrete Interessen verfolge, dürften private Akteure interessan­ter werden, glaubt Sean McFate. Mit der Folge, dass Kon ikte stärker kommerzial­isiert werden. Die VAE mit ihrer autoritäre­n Führung, ihrem großen Reichtum und wenigen gesetzlich­en Beschränku­ngen nutzten dies für ihre Zwecke.

"In den vergangene­n 20 Jahren haben wir eine Kommerzial­isierung von Kriegen erlebt", bestätigt auch Andreas Krieg. "Private und öffentlich­e Institutio­nen arbeiten im Krieg immer enger zusammen, sodass man kaum mehr sagen kann, ob es sich um eine staatliche oder nur um eine private Angelegenh­eit handelt. Es ist eine Mischung aus beidem." Die Emirate seien Meister in dieser Praxis, so Krieg: "Sie nutzen diese Grauzone schon seit Jahren."

 ?? Bild: Raj K Raj/Hindustan Times/Sipa USA/picture alliance ?? Parade der französisc­hen Fremdenleg­ion in Neu Delhi (im Januar)
Bild: Raj K Raj/Hindustan Times/Sipa USA/picture alliance Parade der französisc­hen Fremdenleg­ion in Neu Delhi (im Januar)

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