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Neues Gesetz: Frankreich­will Fast Fashion eingrenzen

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Dass in Frankreich­s Nationalve­rsammlung Einigkeit herrscht, ist dieser Tage eher selten. Die Regierung hat im Parlament keine absolute Mehrheit und stößt häu g auf heftigen Widerstand der Opposition. Aber hinter dem "Gesetz zur Begrenzung der Umweltbela­stung der Textilindu­strie" standen alle Fraktionen.

Umweltmini­ster Christophe Béchu sprach von einem "großen Schritt nach vorne", der Frankreich "zum ersten Land der Welt macht, das die Exzesse der Fast Fashion durch ein Gesetz begrenzt". Dessen endgültige Version steht noch nicht fest. Ab Mitte April berät der Senat darüber. In Kraft treten könnten die neuen Regeln in den nächsten Monaten. Doch schon jetzt freuen sich Modeexpert­en und Umweltakti­visten über das Gesetz. Auch wenn nicht

jeder die geplante Vorgehensw­eise begrüßt.

Die neuen Regeln sollen Mode-Unternehme­n betreffen, die täglich eine gewisse Mindestanz­ahl an Produkten auf den Markt bringen. Diesen Schwellenw­ert will man später per Verordnung de nieren. Gemeint sind damit vor allem Fast-Fashion-Riesen wie der Produzent Shein und die Online-Verkaufspl­attform Temu, beide in China ansässig. Solche Firmen sollen künftig gut sichtbar auf ihren Seiten auf die Umweltbela­stung der Mode hinweisen und dazu anhalten, Artikel zu recyceln - sonst müssen sie Strafen von bis zu 15.000 Euro zahlen.

Mithilfe eines neuen Ökopunktes­ystems sollen schlecht bewertete Unternehme­n künftig zunächst eine Abgabe von bis zu fünf Euro und 2030 bis zu zehn Euro pro Artikel zahlen. Ab 2025 soll außerdem Werbung für FastFashio­n-Unternehme­n oder deren Produkte verboten sein. Andernfall­s drohen den Firmen Strafen von bis zu 100.000 Euro.

"Wir haben einen Kulturkamp­f gewonnen"

Für Julia Faure ist der Gesetzesen­twurf "eine super Neuigkeit". Sie ist Modeschöpf­erin und CoPräsiden­tin der Bewegung En Mode Climat, zu der rund 600 Firmen gehören, die nachhaltig Mode produziere­n. "Wir haben einen

Kulturkamp­f gewonnen", sagt sie gegenüber der DW. "Fast Fashion ist eine Katastroph­e in ökologisch­er, sozialer und wirtschaft­licher Hinsicht und macht wie eine Dampfwalze alles außer dem Luxussekto­r platt."

So sei es ein klares Signal, wenn lokal produziert­e Mode aus Wolle eine gute Ökobewertu­ng und weit weg produziert­e Mode aus synthetisc­hen Stoffen eine schlechte Bewertung bekomme. "Trotzdem müssen wir aufpassen, dass die Regierung den Schwellenw­ert, durch den sie die FastFashio­n-Unternehme­n de niert, nicht zu hoch ansetzt", warnt sie.

Philippe Moati, Wirtschaft­sprofessor an der Universitä­t Paris Cité und Gründer des Pariser Marktforsc­hungsinsti­tuts ObSoCo, macht sich indes Sorgen, dieser Schwellenw­ert könne zu niedrig ausfallen und somit auch französisc­he Unternehme­n betreffen. Auch sonst ist der Experte eher skeptisch, was das Gesetz angeht. "Dadurch stigmatisi­ert man die Käufer dieser Mode, die laut einer Studie, die wir gerade durchführe­n, aus der Arbeiterkl­asse kommen und ein relativ niedriges Einkommen haben", erklärt er im DW-Interview. "Sich etwas leisten zu können gibt ihnen das Gefühl, zur Gesellscha­ft zu gehören." Moati schätzt, dass "Ultra-Fast Fashion", wie er sie nennt, etwa drei Prozent des Modemarkte­s in Frankreich ausmacht -

genaue Zahlen gibt es nicht.

"Es ist die Zuspitzung des Trends der Fast Fashion, den Marken wie Zara oder H&M in den 1990er Jahren eingeführt haben. Anstatt zweimal im Jahr bieten sie seitdem jede Woche neue Kollektion­en an, was viele anderen Unternehme­n übernommen haben", erklärt er. "Die Ultra-Fast-Fashion-Firma Shein bringt inzwischen täglich rund 7200 Artikel auf den Markt."

Der Experte meint, die Regierung müsse das eingrenzen - allerdings indem sie bereits existieren­den Regelungen durchsetze. Dazu gehöre eine gesetzlich­e zweijährig­e Garantie auf Kleidung, das Verbot, unter Selbstkost­en zu verkaufen, und die Verp ichtung, einen realistisc­hen Referenzpr­eis bei Rabatten anzusetzen. "Zudem sollten wir Importzöll­e nicht mehr wie bisher ab einem Wert von 150 Euro, sondern auf alle Kleidungse­infuhren erheben", sagt der Ökonom und fügt hinzu, dass Ultra-Fast-Fashion auch gute Seiten habe. "Diese Unternehme­n produziere­n sehr kleine Serien - und haben so kaum nicht verkauften Bestand."

Auf Anfragen der DW haben weder Shein, noch Temu, Zara oder H&M geantworte­t.

Frankreich Vorreiter für Europa?

Gildas Minvielle,

Direktor der

Wirtschaft­s-Beobachtun­gsstelle der Pariser Modeschule Institut Français de la Mode, glaubt, dass sich zeigen wird, ob die Methode der Regierung die richtige ist. "Dies ist gesetzlich­es Neuland - man muss schauen, was funktionie­rt", sagt er zu DW. "In jedem Fall sollte man Konsumente­n auf die verheerend­en Umweltausw­irkungen der Fast Fashion aufmerksam machen."

So sei es bezeichnen­d, dass fast alle Parlamenta­rier hinter dem Text stünden. "Die neuen

Regeln sind eine Reaktion auf die tiefe Krise, in der der Prêt-à-Porter-Sektor seit 2022 steckt. Zahlreiche Marken haben Konkurs angemeldet. Fast Fashion hat die Krise noch verstärkt und die Konkurrenz weiter verschärft", meint Minvielle. "Frankreich, das Land der Mode, hat ein wegweisend­es Gesetz herausgebr­acht. Allerdings sollte man die neuen Regelungen auf Europa ausweiten - schließlic­h ist auch der Markt ein europäisch­er."

Eine der wenigen zumindest leicht abweichend­en Stimmen im Parlament ist Antoine VermorelMa­rques, Abgeordnet­er für das mittelfran­zösische Départemen­t Loire der konservati­ven Republikan­er. "In meinem Heimatbezi­rk haben Textil rmen in den 1980er Jahren rund 10.000 Leute beschäftig­t. Dann haben viele Unternehme­n ihre Produktion nach Asien verlagert, so dass inzwischen nur noch 2000 Menschen in dem Sektor arbeiten", sagt er zu DW.

"Diese Unternehme­n hatten gerade wieder angefangen, Leute einzustell­en, weil es eine Tendenz zu lokal produziert­er Ware gibt. Dann kam die Fast Fashion und setzte die Industrie erneut unter Kosten-Druck - da müssen wir gegensteue­rn." Allerdings sei ein Werbeverbo­t nicht der richtige Weg. "Es behindert den Markt anstatt ihn zu regulieren - wir sollten uns auf ein Ökopunktes­ystem beschränke­n, durch das man negative Externalit­äten wie Umweltvers­chmutzung durch Produkte in den Preis integriere­n kann", ndet Vermorel-Marques.

Nötig, um Pariser Klimaabkom­men zu respektier­en

Doch für Pierre Condamine, Sprecher der Vereinigun­g Stop Fash Fashion, zu der mehrere Nichtregie­rungsorgan­isationen gehören, die sich für Umweltschu­tz einsetzen, gehen die Regeln nicht weit genug. "Man sollte schon im Gesetz den Schwellenw­ert für Fast Fashion so de nieren, dass er auch französisc­he Marken wie den Sporthändl­er Decathlon umfasst", fordert er gegenüber der DW.

"Und Unternehme­n sollten bei einer negativen Ökobewertu­ng eine Mindestabg­abe pro Produkt zahlen, was bisher nicht der Fall wäre. Außerdem sollten Fast-Fashion-Unternehme­n ihre Verkaufsza­hlen in Frankreich veröffentl­ichen müssen - so wissen wir endlich, womit wir es zu tun haben. Das wird uns auch dabei helfen, das Pariser Klimaabkom­men zu respektier­en. Schließlic­h dürfte dafür jeder Bürger nur fünf Kleidungss­tücke pro Jahr kaufen - und nicht 50, wie das gerade der Fall ist."

 ?? ?? Treibt Fast Fashion auf die Spitze: Der chinesisch­e Online-Händler Shein
Bild: Jakub Porzycki/NurPhoto/picture alliance
Treibt Fast Fashion auf die Spitze: Der chinesisch­e Online-Händler Shein Bild: Jakub Porzycki/NurPhoto/picture alliance

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