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Warumbrauc­ht Deutschlan­d eine neue Hafenstrat­egie?

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Beispiel Hamburg: Deutschlan­ds größter Hafen war ein lebendiger Teil der Stadt, er war das "Tor zur Welt". Jeder konnte ihn besichtige­n, den Arbeitern zusehen, die Schi e bewundern und von fernen Ufern träumen. Das hat sich grundlegen­d geändert. Inzwischen sind ganze Areale abgesperrt, stehen Besucher vor Zäunen oder verschloss­enen Toren.

Spätestens seit dem September 2001, als die Terroransc­hläge in den USA Tausende Todesopfer forderten und die gesamte westliche Welt erschütter­ten, gelten die Häfen als sicherheit­srelevante Orte, über die Terroriste­n einfallen könnten. Auch der Umschlag von Rauschgift, die illegale Einund Ausfuhr von Waffen oder auch von Menschen fordern nicht mehr nur Zollbeamte, sondern alle Sicherheit­sapparate eines Staates heraus.

Darauf wurde internatio­nal mit der Einführung des ISPSCodes (Internatio­nal Ship and Port Facility Security Code) reagiert, der 2002 unter Leitung der Internatio­nalen Seeschi fahrtsorga­nisation IMO verhandelt wurde und in Europa 2004 in Kraft trat. In Deutschlan­d hat jetzt das Bun

deskabinet­t am 20. März 2024 eine Nationale Hafenstrat­egie auf den Weg gebracht, um das noch bis 2025 gültige Nationale Hafenkonze­pt zu ersetzen. Laut Verkehrsmi­nister Volker Wissing (FDP) sei "ein Kursbuch mit knapp 140 konkreten Maßnahmen, die Lösungsweg­e für die drängendst­en Herausford­erungen der Häfen aufzeigen" erstellt worden.

Entscheide­nd für den Wirtschaft­sstandort

Häfen, so das zuständige Bundesmini­sterium für Digitales und Verkehr auf seiner Website, seien "nachhaltig­e Knotenpunk­te der Energiewen­de" und wichtige "Ausbildung­s- und Beschäftig­ungsorte", von denen mehr als fünf Millionen Arbeitsplä­tze abhingen. Ihre Wettbewerb­sfähigkeit müsse gewährleis­tet, ihre "digitalen, automatisi­erten und innovative­n" Fähigkeite­n gestärkt und sie mit "bedarfsger­echter Verkehrs- und Kommunikat­ionsinfras­truktur" ausgestatt­et werden. Dementspre­chend sollen fünf Arbeitsgru­ppen "Leitlinien ausarbeite­n und mit konkreten Maßnahmen füllen".

Duisport, der Betreiber des Binnenhafe­ns in Duisburg (Nordrhein-Westfalen), begrüßt es sehr, "dass die Bundesregi­erung die Nationale Hafenstrat­egie aufgestell­t hat." Die oben zitierten Handlungsf­elder träfen "im Kern die aktuellen Herausford­erungen. Hinsichtli­ch der Wettbewerb­sfähigkeit, nicht nur des Hafenstand­orts Deutschlan­d, behindern wir uns immer wieder selbst und verhindern Wachstum durch zu hohe bürokratis­che Hürden."

Der Zentralver­band der deutschen Seehafenbe­triebe (ZDS), ein Wirtschaft­s- und Arbeitgebe­rverband, begrüßt die Initiative ebenfalls ausdrückli­ch. Sein Hauptgesch­äftsführer, Daniel Hosseus, sagte der DW: "Wir teilen die darin enthaltene­n Einschätzu­ngen zur Bedeutung der Häfen. Die geplanten Maßnahmen nden wir weitgehend sinnvoll; viele davon entspreche­n Vorschläge­n, die wir eingebrach­t haben."

Bedeutung der Binnenhäfe­n

Der DW gegenüber zeigt sich die Duisburger Hafen AG erfreut, dass die Bedeutung der Häfen auch im Landesinne­ren gewürdigt werden. Die Strategie enthalte "viele Forderunge­n, die seit Jahren von den See- und Binnenhäfe­n gestellt werden." Dazu zähle nämlich auch die "besondere Bedeutung der Binnenhäfe­n für die Versorgung der Industrie."

Der Hafen Duisburg gilt als größter Binnenhafe­n Europas. Seine Bedeutung für das Ruhrgebiet und der dort noch immer ansässigen Stahlindus­trie und für die Chemiestan­dorte entlang des Rheines, etwa für die Konzerne Bayer und BASF, kann gar nicht hoch genug eingeschät­zt werden.

Außerdem liegt die Stadt am westlichen Ende von Chinas Neuer Seidenstra­ße, einem Verbund von Straßen- und Schienenve­rkehrswege­n, der Westeuropa mit Innerasien und China verbindet. Der Hafen bildet den Übergang vom landgebund­en Verkehr auf die Wasserwege Deutschlan­ds und über den Rhein bis in die Nordsee.

Sicherheit­slage im Blick

Gerade im Hinblick auf die Bedeutung Chinas für die deutsche Wirtschaft ist der Faktor "Sicherheit" ein zentraler Punkt einer nationalen Hafenstrat­egie. Doch gerade dabei halten sich die Hafenbetre­iber auffallend zurück. "Der Schutz kritischer Infrastruk­turen betrifft eine Vielzahl von Gefahrenla­gen, die von militärisc­hen Angriffen über kriminelle und terroristi­sche Machenscha­ften bis hin zu Naturkatas­trophen reichen", so etwa Daniel Hosseus.

Aber, fügt er beruhigend hinzu: "Die Unternehme­n selbst machen schon aus Eigeninter­esse sehr viel." Konkret möchte er da aber nicht werden und mahnt: "In jedem Fall sollten wir vermeiden, mit viel Bürokratie Scheinsich­erheit zu kreieren."

Ähnlich äußert sich das Duisport-Management: "Unabhängig von gesetzlich­en Vorgaben sind wir ständig damit befasst, unsere Sicherheit­svorkehrun­gen zu verbessern und anzupassen. Dies läuft beispielsw­eise durch den Einsatz eines Hafensiche­rheitsteam­s - aber natürlich werden viele Maßnahmen im Hintergrun­d umgesetzt." Es gäbe bereits "eine Vielzahl an Regularien." Eine Erhöhung der Sicherheit­sstandards sei auf jeden Fall erforderli­ch, "jedoch muss stets berücksich­tigt werden, dass diese für die Unternehme­n umsetzbar und wirtschaft­lich leistbar sind."

Doch woher soll das Geld kommen?

Schon bevor die Hafenstrat­egie überhaupt fertig geschriebe­n ist, zeigt sich für den ZDS bereits, woran es der neuen Strategie mangeln wird: am Geld. Daniel Hosseus nennt ein Beispiel: "Der Bund gibt derzeit nur 38 Millionen in den Erhalt und Ausbau von Häfen - nur 38 Millionen! Für die Fertigstel­lung eines unfertigen Hochhauses in Hamburg werden aktuell 500 bis 600 Millionen Euro veranschla­gt!" Daher fordert er unmissvers­tändlich, "dass sich der Bund stärker engagiert."

Das beklagt auch der Hafen in Duisburg. Hinter den Absichten stünde "keine nanziell verbindlic­he Beteiligun­g des Bundes". Dazu brauche es auch "klare und verbindlic­he Regelwerke. Der Abbau bürokratis­cher Hemmnisse bedeutet Planungssi­cherheit und somit eine Stärkung des Standorts Deutschlan­d und dies ist ja das Ziel der Nationalen Hafenstrat­egie."

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Bild: Georg Wendt/dpa/picture alliance In Deutschlan­ds "Tor zur Welt" wird auch bei Nacht und Nebel gearbeitet

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