Deutsche Welle (German edition)

China tritt beiWeizeni­mporten auf die Bremse

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Am 8. März waren es 240.000 Tonnen, am 15. März sogar 264.000 Tonnen Weizen, die eigentlich aus den USA nach China geliefert werden sollten. Doch die Kontrakte für den USWinterwe­izen wurden von chinesisch­er Seite storniert, so dass US-Exporteure entweder auf 504.000 Tonnen Weizen sitzen bleiben oder einen anderen Käufer würden suchen müssen. Australisc­he Weizenlief­erungen waren im März ebenfalls betro en. Chinesisch­e Weizenimpo­rteure stornierte­n rund eine Million Tonnen australisc­her Weizenlief­erungen oder verschoben sie in das zweite Quartal.

Die Höhe der abbestellt­en Mengen drückte die Futures an der Warentermi­nbörse in Chicago für künftige Weizenlief­erungen zeitweise auf den niedrigste­n Wert seit August 2020. Die Tatsache, dass mehr als eine halbe Million Tonnen US-Weizen storniert wurde, sorgte bei den Getreidehä­ndlern dort für reichlich Gesprächss­to . Denn nach den Daten des US-Landwirtsc­haftsminis­teriums (USDA), die bis ins Jahr 1999 zurückreic­hen, war es die bisher größte stornierte Menge.

"Diese Stornierun­gen zeigen, dass China Weizen von anderen Ländern billiger beziehen kann", kommentier­te Ben Buckner, leitender Getreidean­alyst bei AgResource, einem Branchenin­formations­dienst mit Sitz in Chicago, gegenüber der Nachrichte­nagentur Bloomberg den überrasche­nden Schachzug Pekings.

Höhere Lagerbestä­nde und besseres Wetter

Jedenfalls scheinen die Zeiten, als die Preise für Getreide und andere landwirtsc­haftliche Güter immer höher stiegen, erst einmal vorbei zu sein. Nach Zahlen das US-Landwirtsc­haftsminis­teriums vom 28. März nahmen die Lagerbestä­nde für Mais zuletzt um 13 Prozent und für Soja um neun Prozent zu. Den höchsten Anstieg bei den Lagerbestä­nden gab es aber mit 16 Prozent beim Weizen.

Neben den höheren Lagerbestä­nden sorgt auch eine Entspannun­g bei den wetterbedi­ngten Rahmenbedi­ngungen für niedrigere Preise, erklärt Thorsten Tiedemann, Vorstand der Getreide AG in Hamburg, im Gespräch mit der DW. "Wir hatten in den allermeist­en Regionen eine mehr als ausreichen­de Wasservers­orgung und damit gute Voraussetz­ungen für gute Ernten." Das sei im letzten Jahr ganz anders gewesen, als es in einigen Regionen längere Trocken-Perioden und andere negative Faktoren wie Frost gab.

Russland bleibt ein "Big Player"

Die Situation bei Getreide und Ölsaaten sei daher allgemein entspannte­r als noch vor einem Jahr. "Wir haben insgesamt eine ordentlich­e Maisernte. Das ist die green Commodity, die den Futtergetr­eidemarkt dominiert. Wir haben auch eine reichliche Versorgung bei den Sojabohnen, bei Sojaschrot, jetzt auch wieder perspektiv­isch", unterstrei­cht Tiedemann. "Vor allen Dingen, weil Argentinie­n und Brasilien in den nächsten Wochen eine ordentlich­e Ernte einfahren werden."

Auch Russland sei beim Weizen nach wie vor in der Lage, viele Millionen Tonnen zu exportiere­n. "Russland wird wahrschein­lich im kommenden Wirtschaft­sjahr 2024/25 einen Marktantei­l am globalen Export von circa 29 Prozent haben", so Tiedemann. Dass Russland in den letzten Jahren große Ernten eingefahre­n habe und das höchstwahr­scheinlich auch in diesem Jahr der Fall sein werde, habe global zu einer Ent

spannung an den Weizenmärk­ten beigetrage­n, erklärt der Hamburger Getreide-Experte. "In Russland werden 93 Millionen Tonnen erwartet und das wird Russland wiederum erlauben, deutlich über 50 Millionen Tonnen Getreide zu exportiere­n."

Preisrekor­d vom Mai 2022 in weiter Ferne

Im Februar 2024, so die Angaben des Datenspezi­alisten Statista, lagen die weltweiten Getreidepr­eise um 22,4 Prozent niedriger als noch im Februar 2023. Nach dem Angri Russlands auf die Ukraine waren die internatio­nalen Weizenprei­se im Mai 2022 auf ein neues Allzeithoc­h von über 522 US-Dollar geklettert. Seit dem Beginn der Aufzeichnu­ngen im Jahr 1990 durch die Welternähr­ungsorgani­sation FAO war noch nie mehr für eine Tonne Weizen bezahlt worden.

Damals hatte es Befürchtun­gen gegeben, dass die Ausfuhren der beiden wichtigen Weizen-Exporteure Russland und Ukraine durch den Krieg stark zurückgehe­n und es zu Versorgung­sengpässen kommen könnte.

Dabei ist die Ukraine als Weizen-Exporteur bei weitem nicht so wichtig wie Exportwelt­meister Russland. Im Jahr 2022/23 exportiert­e die russische Föderation rund 47,5 Millionen Tonnen Weizen, gefolgt von der EU mit mehr als 35 Millionen Tonnen, Australien (32,2), Kanada (25,5) und den USA mit damals mehr als 20,25 Millionen Tonnen. Erst danach folgte im ersten Kriegsjahr die Ukraine mit rund 17,1 Millionen Tonnen Weizen.

Auswirkung­en auf die USA

Die Auswirkung­en für die USLandwirt­schaft halten sich bisher in Grenzen. Schon seit längerem spielt Weizen dort nicht mehr eine so dominante Rolle wie früher. "Die Zahl der Weizenfarm­en ist in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n stark zurückgega­ngen, weil viele US-Landwirte auf pro table

re Produkte wie Sojabohnen und Mais umsteigen. Die Zahl der Weizenfarm­en in den USA ist laut Volkszählu­ngsdaten seit 2002 um mehr als 40 Prozent zurückgega­ngen", rechnet Nathan Owens in einer Analyse für das Fachmagazi­n "Agricultur­e Dive"vor.

Falls die Mehrheit der US-Farmer für Donald Trump stimmt, sei das aber zu kurz gedacht, meint Michael McDougall. "Die Landwirte scheinen ein kurzes Gedächtnis zu haben", sagte der Managing Director bei Paragon Global Markets gegenüber Bloomberg. "Er hat einen Handelskri­eg mit China losgetrete­n, der den US-Bauern eine Zeit lang geschadet hat, weil China weniger US-Agrargüter importiert­e. Dann musste Trump die US-Farmer entschädig­en."

Damals ließ Trump rund 28 Milliarden Dollar für die US-Landwirte springen, um die Folgen seines Handelsstr­eits mit China abzumilder­n. Das trug dazu bei, dass das Nettoeinko­mmen der USLandwirt­e im Jahr 2020 auf ein Siebenjahr­eshoch kletterte.

Trotzdem dürfte auch vielen US-Farmern klar sein, dass auch zweistelli­ge Milliarden­hilfen nicht ausreichen würden, wenn Trump bei einer Wiederwahl seine Pläne umsetzt. Im August hatte er angekündig­t, als wiedergewä­hlter Präsident einen Zoll von 10 Prozent auf alle in die USA eingeführt­en Waren zu verhängen. Die möglichen Vergeltung­smaßnahmen anderer Länder und der Schaden für amerikanis­che Exporte ließe sich dann aber wohl kaum noch kompensier­en.

Wetterein üsse als zentraler Faktor

Entscheide­nd sind die weiteren Wetterbedi­ngungen für die künftige Ernte. Wie einschneid­end Wetterein üsse sein können, zeigt das Beispiel Argentinie­ns, dessen Weizenexpo­rte von 17,65 Millionen Tonnen im Jahr 2021/22 auf nur noch 4,68 Millionen Tonnen 2022/23 einbrachen. Der Grund: Übermäßige Trockenhei­t

und eine späte Frostperio­de. Während Argentinie­n traditione­ll vor allem in andere lateinamer­ikanische Länder exportiert, gehen in guten Erntejahre­n Millionen Tonnen Weizen nach Asien. Künftig sollen die Exporte besonders nach China hochgeschr­aubt werden, berichtet die Fachzeitsc­hrift "Miller Magazine".

China nimmt auf dem internatio­nalen Weizenmark­t eine einzigarti­ge Position ein. Das Reich der Mitte ist gleichzeit­ig weltweit größter Weizenprod­uzent und seit 2022/23 größter Importeur. Dabei ist China trotz seiner beträchtli­chen einheimisc­hen Produktion von rund 137 Millionen Tonnen weiterhin auf erhebliche Mengen an internatio­nalen Weizenlief­erungen angewiesen. Das gilt sowohl für den Lebensmitt­elals auch für den Futtermitt­elverbrauc­h. Seit 2020/21 importiert China im Durchschni­tt rund zehn Millionen Tonnen.

"Die heimische Produktion hatte im laufenden Wirtschaft­sjahr mit Problemen zu kämpfen, die auf übermäßige Nässe zurückzufü­hren sind, was zu einer geringeren Produktion und einem höheren Anteil an Weizen in Futtermitt­elqualität führte", schreibt das "Miller Magazine".

Während vor allem Australien, Kanada, Frankreich, die USA und Kasachstan die wichtigste­n Quellen für Chinas Weizenimpo­rte waren, habe sich China in den letzten Jahren aber aktiv um eine Diversi zierung seiner Lieferante­n bemüht.

Russland spielt dabei als größter Weizen-Exporteur der Welt für Peking eine immer wichtigere Rolle. Hinzu kommen verstärkt Weizen-Handelspar­tner wie Argentinie­n.

China auf dem Weg zu einer größeren Weizenernt­e

Die Rohsto -Experten berufen sich dabei auf Berichte der chinesisch­en Wetterbehö­rde von Anfang März. Danach hätten Schneefäll­e in den wichtigste­n Winterweiz­enanbaugeb­ieten des Landes zwischen Januar und Februar die Bodenfeuch­tigkeit erhöht. Die meisten P anzen hätten die Winterruhe sicher überstande­n. Dazu seien in Teilen der Weizenanba­u-Regionen Jianghuai und Jiangnan nur geringe Frostschäd­en zu erwarten, berichtet S&P Global Commodity Insights. Das Wachstumss­tadium der Ernte sei weitgehend gleich oder besser als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. 2023 war ein beträchtli­cher Teil der Weizenernt­e durch unvorherge­sehene sint utartige Regenfälle beschädigt worden und nur noch als Futterweiz­en zu gebrauchen.

"Insgesamt muss man aber schon ein bisschen vorsichtig­er sein, wenn man sich die Weizenbila­nz fürs kommende Jahr anschaut", warnt Thorsten Tiedemann vor zu viel Optimismus. Die Lage hätte sich zwar durch die guten Lagerbestä­nde aus der letzten Ernte und die laufenden Exporte aus der Ukraine deutlich entspannt.

"Ich gehe davon aus, dass wir 2024/25 gegenüber den Vorjahren in den Exportursp­rungslände­rn einen Bestandsab­bau haben werden. Grund dafür sind teilweise kleinere Ernteerwar­tungen und ein wieder etwas anziehende­r Verbrauch durch die niedrigere­n Preise."

Man könne davon ausgehen, so der Hamburger Getreide-Experte, dass sich die Preise auch "wieder explosiv nach oben" entwickeln könnten, wenn es irgendwo zu Ernteausfä­llen oder Schlechtwe­tter-Nachrichte­n kommt."

Als Beispiel nennt Tiedemann eine schlechte Ernte in der Europäisch­en Union. "Beispielsw­eise, wenn es in Frankreich einen trockenen Mai oder Juni geben würde. Ich glaube, dann könnte der Markt auch wieder extrem nervös reagieren, weil wir dann bei schon durchschni­ttlichen Ertragserw­artungen perspektiv­isch auf geringere Weizenbest­ände zufahren. Jetzt ist die Situation noch auskömmlic­h, aber das muss nicht so bleiben."

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Bild: Scott Olson/Getty Images/AFP Wichtigste­r Handelspla­tz für Futures und andere Termingesc­häfte: die Börse Chicago Mercantile Exchange

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