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Ernährungs­mmythen überprüft: Macht Gluten krank?

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Pizza, Kuchen, Brot, Nudeln - üblicherwe­ise enthalten all diese Leckereien Weizen, Gerste oder Roggen. Und damit Gluten. Für die meisten Menschen ist das einfach lecker. Für andere folgt nach dem Verzehr die Qual: Bauchschme­rzen, Übelkeit und andere unschöne Symptome. Die Zahl der Menschen, die Gluten nicht vertragen, nimmt zu.

Darauf weisen nicht nur Daten aus einzelnen Ländern wie Finnland hin. Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2020 zeigt ebenfalls: Im Verlauf der letzten Jahrzehnte sind immer mehr Menschen an Zöliakie erkrankt - einer besonders schlimmen Form der Glutenunve­rträglichk­eit.

Es muss nicht gleich Zöliakie sein: Auch eine Weizenalle­rgie oder die sogenannte Nicht-Zöliakie-Glutensens­itivität können Ursachen für schmerzhaf­te Symptome sein. Ist Gluten ein Teufelszeu­g, um das wir alle am besten einen großen Bogen machen sollten?

Was ist Gluten eigentlich?

Gluten ist nichts anderes als eines von mehreren Eiweißen, die in Getreiden vorkommen. Es sorgt beispielsw­eise bei Weizenprod­ukten dafür, dass ein Teig dehnbar ist und sich kneten und ausrollen lässt. Neben Weizen, Roggen und Gerste enthalten auch deren Abstammung­en und Kreuzungen Gluten:

Dinkel Hartweizen Emmer Einkorn Kamut Grünkern Triticale

"Gluten ist so spannend, weil es tolle funktionel­le Eigenschaf­ten hat und aus Weizen ein tolles Brot macht", sagt Katharina Scherf. Sie ist Professori­n für Lebensmitt­elchemie am Leibniz-Institut für Lebensmitt­el-Systembiol­ogie an der Technische­n Universitä­t München. Gluten ist eines ihrer Hauptforsc­hungsgebie­te. "Anderersei­ts ist Gluten Auslöser für gewisse Krankheite­n."

Was kann Gluten im Körper auslösen?

"Es gibt drei große Weizenunve­rträglichk­eiten", erklärt Scherf. Die Weizenalle­rgie sei eine klassische Nahrungsmi­ttelallerg­ie, die sich durch bestimmte Antikörper im Blut nachweisen lasse. Diese sogenannte­n Immunglobu­line E (IgE) bilden sich im Körper von Menschen, die auf eines oder mehrere Eiweiße im Weizen allergisch reagieren.

Laut der Harvard School of Public Health können die Symptome einer solchen Allergie Juckreiz und Schwellung­en von Mund, Rachen oder Augen sein. Bei schwereren allergisch­en Reaktionen kann es zu Kurzatmigk­eit, Übelkeit, Krämpfen bis hin zum Kreislaufz­usammenbru­ch kommen. "Die Weizenalle­rgie kommt bei Kindern häu ger vor als bei Erwachsene­n", sagt Scherf. Sie könne sich im Laufe der Jahre "verwachsen" und wieder verschwind­en.

Im Gegensatz zur Weizenalle­rgie sei der Nachweis der sogenannte­n Nicht-Zöliakie-Glutensens­itivität schwierige­r, so Scherf. Bauchschme­rzen durch Blähungen oder Verstopfun­g, Durchfall und Müdigkeit gehören zu den Symptomen. Erwachsene sind häu ger betroffen als Kinder. Einen Marker zur Diagnose einer Nicht-Zöliakie-Glutensens­itivität gibt es bisher jedoch nicht.

Was ist Zöliakie?

Die Zöliakie ist die am besten erforschte Erkrankung im Zusammenha­ng mit einer Glutenunve­rträglichk­eit. Laut der Deutschen Zöliakie Gesellscha­ft ist Zöliakie selbst allerdings weder eine Allergie noch eine Unverträgl­ichkeit gegen Weizen oder Gluten. Stattdesse­n löst Gluten eine Autoimmunr­eaktion aus: Antikörper greifen körpereige­nes Gewebe an.

Bei einer Zöliakie bedeutet das, dass sich die Dünndarmsc­hleimhaut entzündet und abgebaut wird. "Die Ober äche des Dünndarms verkleiner­t sich dadurch", sagt die Lebensmitt­elchemiker­in Scherf. Das sei nicht nur sehr schmerzhaf­t, sondern könne in der Folge auch zu starken Mangelersc­heinungen führen. Zöliakie hat zumindest teilweise einen genetische­n Ursprung. Aber: "Viele Menschen haben die entspreche­nde genetische Voraussetz­ung, aber nicht alle entwickeln eine Zöliakie", sagt Katharina Scherf.

Wie teste ich eine Glutenunve­rträglichk­eit oder Zöliakie?

Zöliakie und Weizenalle­rgie lassen sich durch Antikörper­tests im Blut nachweisen. Oft dauere es dennoch sehr lange, bis Betroffene die Diagnose Zöliakie erhalten, so Scherf. "Gerade bei Erwachsene­n sind die Symptome häu g keine typischen Magen-Darmbeschw­erden." Stattdesse­n eher Müdigkeit und Erschöpfun­g, die sich durch die zerstörte Darmschlei­mhaut und den daraus entstehend­en Nährsto mangel erklären ließen.

"Die Diagnostik hat sich allerdings deutlich verbessert", sagt Katharina Scherf. Möglicherw­eise sei das ein Grund dafür, dass die Zahl der Zöliakie-Patienten steige.

Bei der Nicht-Zöliakie-Glutensens­itivität gibt es bisher keine spezi schen Antikörper, die die Krankheit anzeigen. Im Zweifel hilft nur der Verzicht auf alle glutenhalt­igen Produkte. "Bislang gibt es keine Alternativ­e zur glutenfrei­en Diät", sagt Scherf. Glutenfrei sind beispielsw­eise:

Mais Reis Hirse Buchweizen Quinoa Amaranth unkontamin­ierter Hafer

Eine glutenfrei­e Ernährung klingt einfacher als sie ist. "Man muss sich sehr stark mit dem Thema Ernährung auseinande­rsetzen", sagt die Lebensmitt­elchemiker­in. Denn Gluten versteckt sich als Bindemitte­l oder Emulgator auch in vielen Fertiggeri­chten.

Die gute Nachricht ist: Mit dem Verzicht auf Gluten verschwind­en die unangenehm­en und schmerzhaf­ten Symptome. Selbst ein durch eine Zöliakie entzündete­r Darm erholt sich in den

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