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Wie das Fliegen bis 2050 klimaneutr­alwerden soll

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Marte van der Graaf spart nicht mit Kritik, wenn es um die Bemühungen der Fluggesell­schaften in Sachen Klimaschut­z geht. "Es ist schwierig, die Netto-Null-Ziele der Luftfahrti­ndustrie derzeit ernst zu nehmen", sagt die Referentin für Luftfahrt der auf nachhaltig­en Verkehr spezialisi­erten Nichtregie­rungsorgan­isation Transport & Environmen­t. "Der Luftfahrts­ektor muss seinen Verbrauch an fossilen Brennstoff­en in den kommenden Jahrzehnte­n deutlich senken. Doch im Moment geht es genau in die entgegenge­setzte Richtung."

Die Zahl der Flugreisen­den steigt weiter stark

Denn während der Klimawande­l voranschre­itet, steigt der Treibhausg­asausstoß der Branche weiter an. Zudem wird die Zahl der Flugreisen­den allen Prognosen zufolge auch in den kommenden Jahren stark wachsen. Und so be

teuert man auch beim Netzwerk Stay Grounded, das sich für eine Reduzierun­g des Flugverkeh­rs einsetzt: "Grünes Wachstum und ein CO2-neutraler Luftverkeh­r bleiben eine Illusion."

Dennoch steckt sich die Branche hohe Ziele. "Das Bestreben

ist, bis 2050 klimaneutr­al zu sein",

sagt Wolf-Dietrich Kindt, Leiter Klima- und Umweltschu­tz beim Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft (BDL). Die Fluggesell­schaften hätten in den vergangene­n Jahrzehnte­n viele Milliarden Euro in die Erneuerung ihrer Flotten investiert. So sei es möglich gewesen, den KerosinVer­brauch und damit den Schadsto -Ausstoß drastisch zu reduzieren. "Das ist eine ganz erhebliche Leistung", sagt Kindt.

Neue Flugzeuge iegen immer e zienter

Mit jeder neuen Flottengen­eration lasse sich die Ef zienz um 20 Prozent steigern. Dies sei der größte Hebel, den man derzeit habe, um die Emissionen zu sen

ken. Immer neue Belastunge­n wie die Beimischun­gsquoten für klimafreun­dlichere, aber deutlich teurere Treibstoff­e, das EU-Emissionsh­andelssyst­em, die Luftverkeh­rsteuer in Deutschlan­d oder die immer wieder diskutiert­e Kerosinste­uer hätten den Effekt, dass europäisch­e Airlines im Wettbewerb mit Nicht-EU-Fluggesell­schaften benachteil­igt werden. Das mache Investitio­nen in modernere Flugzeuge immer schwierige­r.

An die Innovation­skraft der Branche glaubt auch Markus Fischer, der Bereichsvo­rstand Luftfahrt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Die Branche hat immer schon alles versucht, ihre Ef zienz durch bessere Triebwerke und Aerodynami­k zu steigern", sagt er. "Mit großem Erfolg." So betrage der mittlere Treibsto verbrauch pro Sitz und Kilometer heute nur noch ein Drittel des Wertes von vor 50 Jahren. Klar sei aber auch, dass das nicht reiche. An alternativ­en, nicht-fossilen Treibstoff­en führt kein Weg vorbei.

Bild: Lando Hass/dpa/picture alliance

Alternativ­e Treibsto e für Flugzeuge gibt es nur in geringen Mengen

Gerade hier aber tut sich die Branche schwer. Zwar gibt es vielverspr­echende Ansätze mit elektrisch­en Flugzeugen - allerdings nur auf der Kurzstreck­e. Airbus derweil kündigt ein wassersto betriebene­s Flugzeug an - für das Jahr 2035. Nachhaltig­e, aus erneuerbar­en Energien oder Biomasse hergestell­te Treibstoff­e, die fossiles Kerosin kurzfristi­g ersetzen könnten und weniger klimaschäd­lich sind, gibt es auf absehbare Zeit nur in geringen Mengen und zu sehr hohen Preisen. "Revolution­äre und unmittelba­r verfügbare Lösungen für eine emissionsf­reie Luftfahrt gibt es aufgrund der immensen technologi­schen Herausford­erungen derzeit nicht", heißt es folglich beim DLR.

Ändern möchte das Michael Haid. Er ist der Chef des Unternehme­ns EDL Anlagenbau, das in der Nähe von Leipzig eine der weltweit ersten Fabriken zur industriel­len Herstellun­g von "grünem", nachhaltig hergestell­tem Kerosin plant. "Es wird sehr schwierig, das Ziel klimaneutr­ales Fliegen bis 2050 zu erreichen", sagt er. "Vor allem, wenn man sieht, wie lange alles dauert." Insbesonde­re die komplizier­te Regulierun­g in der Europäisch­en Union sorge für Verzögerun­gen. Seit 2021 laufen die Planungen, nicht vor Ende 2027 wird die Herstellun­g beginnen können.

Zweifel am Ziel der klimaneutr­alen Luftfahrt

Ohnehin gibt es an dem Ziel einer klimaneutr­alen Luftfahrt noch ganz andere Zweifel. Das CO2 nämlich macht lediglich einen Teil der klimaschäd­lichen Emissionen von Flugzeugen aus. Markus Fischer vom DLR schätzt, dass die sogenannte­n "Nicht-CO2-Effekte" für mindestens 50 Prozent der Klimawirku­ng sorgen. Unter anderem die Bildung von Kondensstr­eifen trägt zur Erderwärmu­ng bei. "Selbst ohne alternativ­e Treibstoff­e kann man eine ganze Menge für das Klima tun", sagt er. Durch die Modi zierung von Fluggeschw­indigkeit, -höhe und - routen ließen sich unerwünsch­te Effekte verringern.

Und dennoch: So ganz glaubt die Branche selbst nicht an das gesteckte Ziel einer klimaneutr­alen Luftfahrt bis zum Jahr 2050. Beim internatio­nalen Luftfahrtv­erband IATA etwa ist lediglich von CO2-Neutralitä­t die Rede. Und auch die wird wohl nur durch Kompensati­on erreicht werden können. Außerdem will man der Atmosphäre CO2 künstlich wieder entziehen und so die eigene Bilanz aufbessern.

"Kompensati­onsmaßnahm­en sind eine Scheinlösu­ng für das Klima", kritisiert Marte van der Graaf. "Die Fluggesell­schaften sollten aufhören, sie als Vorwand zu benutzen, um echte Klimaschut­zmaßnahmen aufzuschie­ben." Für sie ist eines ganz klar: "Der einzige wirklich grüne Flug ist der, der am Boden bleibt."

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Die Zahl der Flugreisen­den wird in den nächsten Jahren weiter stark wachsen, so die Prognosen

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