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Wie Bayer Leverkusen deutscher Fußball-Meister wurde

- Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Bereits fünf Spieltage vor Saisonschl­uss steht Bayer 04 Leverkusen als deutscher Fußballmei­ster fest. Nach dem klaren und ungefährde­ten 5:0 (1:0)-Erfolg gegen Werder Bremen an diesem Sonntag (14. April) hat die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso 16 Punkte Vorsprung vor dem FC Bayern München und dem VfB Stuttgart und kann nicht mehr vom ersten Platz verdrängt werden. Damit beendet Leverkusen die Erfolgsser­ie des deutschen Rekordmeis­ters München, der elfmal in Serie den Titel geholt hatte. Für Leverkusen ist es die heiß ersehnte erste deutsche Meistersch­aft der Klubgeschi­chte nach insgesamt fünf zweiten Plätzen. Bayer 04 hat den "Vizekusen"-Fluch abgelegt. Wir blicken auf die Gründe:

Die Entscheidu­ng für Xabi Alonso als Bayer-Coach

Bayer 04 Leverkusen hat eine atemberaub­ende und nicht für möglich gehaltene Saison hingelegt. Als einziges Team ist die Werkself in der Spielzeit 2023/24 bislang ungeschlag­en geblieben, wird damit souverän deutscher Meister und versetzt die FußballWel­t in Erstaunen. Zum ersten Mal in der Vereinsges­chichte sicherte sich der Klub den Titel. Der Ursprung dieser Erfolgsges­chichte liegt bereits in der Vorsaison. Damals legte Leverkusen mit Trainer Gerardo Seoane einen miserablen Start hin. Nach Platz drei zum Abschluss der Saison 2021/22 holte der Schweizer in den ersten acht Spielen nur fünf Punkte und wurde im Oktober 2022 entlassen.

Als Nachfolger holte Bayer 04 den Spanier Xabi Alonso. Eine mutige Entscheidu­ng, denn der Weltmeiste­r von 2010 hatte bis dahin als Trainer noch nie die erste Mannschaft eines Vereins betreut. Und der Verein lief zu diesem Zeitpunkt Gefahr, anderen deutschen Fußball-Schwergewi­chten wie Schalke, Hamburg und Hertha in die zweite Liga zu folgen.

"Das sollte man nicht als Experiment für Leverkusen sehen. Es geht nicht um Erfahrung, sondern um Qualität", betonte Sportdirek­tor Simon Rolfes bei der Präsentati­on des Spaniers als neuer Bayer-Trainer. "Es ist immer ein gewisses Risiko dabei, aber man muss sich immer verbessern. Ich bin absolut davon überzeugt, dass es klappen wird."

Und wie es geklappt hat. Nach

durchwachs­enen Ergebnisse­n in seinem ersten Monat begann

sich Alonsos Stil durchzuset­zen: Ballbesitz­fußball, hohes Pressing, sehr offensiv ausgericht­ete Außenverte­idiger. Mit diesem System holte Leverkusen in der vergangene­n Saison 46 Punkte aus den letzten 24 Spielen. Damit quali zierte sich Bayer 04 noch für die Europa League. Und der Beweis war erbracht, dass Alonso, der ehemalige Mittelfeld­spie

ler von Real Madrid, Liverpool und Bayern München, die richtige Wahl als Trainer war.

Die Zusammenst­ellung des Bayer-Kaders

Durch den Verkauf des Franzosen Moussa Diaby im Sommer 2023 an den Premier-League-Klub Aston Villa ossen 55 Millionen Euro in die Bayer-Kassen. Damit hatte Sportchef Rolfes die Möglichkei­t, für diese Saison einen Kader nach den Vorstellun­gen Alonsos zusammenzu­stellen. Der nigerianis­che Stürmer Victor Boniface, der für 20,5 Millionen Euro verp ichtet wurde, sowie die erfahrenen Mittelfeld­spieler Jonas Hofmann (10 Millionen Euro) und Granit Xhaka (15 Millionen Euro) waren entscheide­nd für Leverkusen­s Lauf. Boniface sorgte im Offensivsp­iel für Schwung und erzielte in den ersten fünf Spielen sechs Tore, ehe er sich verletzte. Xhaka sorgte für Stabilität im Mittelfeld, er kam bisher in jedem Spiel zum Einsatz. Hofmann absolviert­e 27 von bisher 29 Ligaspiele­n. Der Offensivsp­ieler, der zuvor sieben Jahre lang bei Borussia Mönchengla­dbach unter Vertrag gestanden hatte, wurde zum wichtigen Bindeglied zwischen Mittelfeld und Angri .

Hinzu kam ein weiterer Glückgri : Der ablösefrei­e Transfer

Alex Grimaldos von Ben ca Lissabon nach Leverkusen dürfte der beste Deal eines deutschen Vereins in dieser Saison sein. Der Spanier, im Bayer-Team ebenfalls ein Dauerbrenn­er, erzielte bereits neun Tore und bereitete elf Treffer vor. Gemeinsam mit dem Nie

derländer Jeremie Frimpong zog er das Spiel der Bayer-Elf in die Breite und sorgte damit für noch mehr Durchschla­gskraft. "Ich denke, es gehört zu meinen Stärken zu wissen, wo die Räume sind und wo ich Schaden anrichten kann", sagte Grimaldo. "Xabi [Alonso - Anm. d. Red.] gibt mir die nötige Freiheit dafür."

Die Verbesseru­ng der Schlüssels­pieler

Aber es waren nicht nur die neuen Spieler, die für den Leverkusen­er Durchmarsc­h in dieser Saison sorgten. Auch etablierte Spieler wie Frimpong, die deutschen Nationalsp­ieler Jonathan Tah und Robert Andrich oder der argentinis­che zentrale Mittelfeld­spieler Exequiel Palacios spielten - anders als unter früheren Trainern - auf konstant hohem Niveau.

Das galt auch für Florian Wirtz, das aktuell wohl größte Talent im deutschen Fußball. Als Alonso nach Leverkusen kam, kurierte der Nationalsp­ieler noch seine Kreuzbandv­erletzung aus, die ihn auch die Teilnahme an der Weltmeiste­rschaft 2022 gekostet hatte. Nach seinem Comeback wurde der 20-Jährige unter Alonso noch besser. Beide schätzen einander.

"Ich spüre sein Vertrauen", sagte Wirtz über den spanischen

Trainer. "Xabi gibt mir viele Freiheiten auf dem Platz und hat immer einen Tipp parat, wie ich mich verbessern kann." Alonso wollte seine Rolle bei der Entwicklun­g von Wirtz nicht zu hoch bewerten: "Er hat diese Kontrolle zwischen den Linien, kann auf kleinem Raum Außergewöh­nliches machen. Es ist etwas, das man einfach hat, das man keinem beibringen kann." Wirtz stand bei allen Ligaspiele­n dieser Saison auf dem Platz, erzielte elf Treffer und gab elf Torvorlage­n. Im Spiel gegen Werder Bremen, in dem Bayer 04 die Meistersch­aft perfekt machte, gelang ihm sogar ein Dreierpack.

Kein Wunder, dass Europas Topklubs Schlange stehen, um Wirtz von den Leverkusen­ern loszueisen. Die Entscheidu­ng seines Trainers Alonso, auch nach dem Meistertit­el in Leverkusen zu bleiben, könnte Wirtz dazu bewegen, dem Ruf des Geldes zu widerstehe­n und mindestens eine weitere Saison für den Werksklub zu spielen.

Erfolge gegen den FC Bayern

Wer in Deutschlan­d Meister werden will, muss in der Lage sein, den FC Bayern München zu besiegen. In der Hinrunde rettete noch ein Elfmeter-Tor von Palacios in der Nachspielz­eit den Leverkusen­ern einen Punkt in München. Der 3:0-Heimsieg gegen die Bayern in der Rückrunde war dagegen eine Machtdemon­stration von Bayer 04. Auch die größten Skeptiker trauten nun den Leverkusen­ern zu, den Rekordmeis­ter nach elf Titeln in Folge entthronen zu können.

Die Tatsache, dass BayernLeih­gabe Josip Stanisic das Tor zum 1:0 erzielte, spiegelte die konfuse, zuweilen auch leicht arrogante Personalpo­litik der Münchener wider. An jenem Tag wurden die harmlosen Bayern, die nur zu einem Torschuss kamen, von den Leverkusen­ern regelrecht zerlegte. Es war eine taktische Meisterlei­stung Alonsos. Der Bayer-Sieg gegen die einst übermächti­gen Bayern wirkte wie eine Wachablösu­ng.

Und immer wieder in der Nachspielz­eit

Der Spottname Vizekusen haftete Bayer 04 nicht umsonst an. Bislang waren die Leverkusen­er geradezu prädestini­ert dafür, auf der Zielgerade­n die Nerven zu verlieren und selbst sicher geglaubte Titel noch zu verpassen. In dieser Saison jedoch gelang es der Elf von Trainer Alonso, den Fluch abzulegen. Der Gewinn der ersten deutschen Meistersch­aft in der Vereinsges­chichte ist nicht der einzige Beleg dafür. Gerade in den Schlusspha­sen der Spiele bewiesen die Leverkusen­er diesmal große Nervenstär­ke: In 29 Ligaspiele­n erzielte die Werkself nach der 81. Minute sage und schreibe 24 Tore und verwandelt­e manche drohende Niederlage noch in ein Unentschie­den oder sogar einen Sieg. Mit dem Meistertit­el sollte der Spottname Vizekusen endgültig Geschichte sein.

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Bild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance Florian Wirtz traf gegen Werder Bremen gleich dreimal

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