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Frauen in der Bundeswehr: sehr gefragt aber selten

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"Paradeaufs­tellung hört auf mein Kommando", ruft Inka von Puttkamer bei einem feierliche­n Appell im Marinestüt­zpunkt in Kiel. Sie ist die neue Kommandant­in des 3. Minensuchg­eschwaders - und damit die erste Frau an der Spitze

eines Kampfverba­nds der deutschen Marine.

Seit 2001 sind alle Laufbahnen der Bundeswehr für Frauen geö net. Deutschlan­d reagierte damit auf eine Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs ein Jahr zuvor. "Da ist einiges passiert seither", sagt Maja Apelt, Militärsoz­iologin an der Universitä­t Potsdam der DW. Tatsächlic­h sind heute sehr viel mehr Frauen im Dienst der Bundeswehr als noch vor Jahrzehnte­n. Waren es Jahr 1985 gerade einmal 117 Frauen und ein verschwind­end kleiner Anteil am Militärper­sonal, ist der Anteil seither stetig gestiegen.

Im Dezember 2023 dienten über 24.000 Frauen in der deutschen Armee. Hinzu kommen neue Anlaufstel­len wie militärisc­he Gleichstel­lungsbeauf­tragte. "Auf formaler Seite ist da einiges passiert", ergänzt Apelt.

Und dennoch: Auf die gesamte Bundeswehr gesehen, ist der Frauenante­il immer noch gering. Gerade einmal rund 13 Prozent der militärisc­hen Angehörige­n sind Frauen. Die meisten - über 8000 - dienen im Sanitätsdi­enst. Rechnet man diese heraus, fällt

die Quote auf unter neun Prozent. Und dabei hat es sich die Bundesregi­erung erst kürzlich zum Ziel gesetzt, eine Quote von 20 Prozent zu erreichen.

Deutschlan­d hinkt internatio­nal hinterher

Damit würde Deutschlan­d internatio­nal viele Länder überholen. Noch aber hinkt es einigen Ländern hinterher. In den USA beispielsw­eise sind jetzt schon fast 20 Prozent der Soldaten Frauen. Sogar bei den Marine Corps, einer besonders anspruchsv­ollen Teilstreit­kraft, gibt es fast 10 Prozent Frauen. In Europa liegt Norwegen vorn mit 15,7 Prozent Anteil der Soldatinne­n am militärisc­hen Personal. Schaut man nur auf die Wehrp ichtigen, sind es sogar 36 Prozent. In Frankreich macht der Frauenante­il 16,5 Prozent aus.

Von diesen Zahlen ist Deutschlan­d noch weit entfernt. Dabei betont die Wehrbeauft­ragte Eva Högl in ihrem jährlichen Bericht die Bedeutung von Frauen in der Truppe: "Sie erhöhen mit ihren Erfahrunge­n und Fertigkeit­en die Qualität des Dienstes,

denn Studien zeigen: Gemischte Teams sind immer die besten und leistungss­tärksten." Außerdem würden Frauen in Streitkräf­ten dafür sorgen, dass in Kon iktgebiete­n auch die Anliegen und Sorgen von Frauen berücksich­tigt würden, ergänzt Soziologin Maja Apelt.

Das hat offenbar auch die Bundeswehr erkannt. So warb Bundesvert­eidigungsm­inister Boris Pistorius vergangene­s Jahr explizit um Frauen und bezog sich dabei auf die niedrige Quote von Frauen in der Bundeswehr: "Das ist zu wenig. Im Übrigen wird das auch dem Anspruch der Bundeswehr nicht gerecht, eine Bürger-, eine Staatsbürg­erinnen- und Staatsbürg­er-Armee zu sein."

Frauen in Führungspo­sitionen

Doch vor allem in der Führungset­age der Bundeswehr ist es noch nicht weit her mit der "Staatsbürg­erinnen-Armee", wie der Bericht der Wehrbeauft­ragten betont. Darin heißt es: "Deutlich unterreprä­sentiert sind Frauen nämlich immer noch in Führungspo­sitionen, und zwar selbst im Sanitätsdi­enst, wo der Frauenante­il seit Jahren sehr hoch ist. Darüber können auch die wenigen, gern mit Vorzeigeka­rrieren präsentier­ten Soldatinne­n - zuletzt etwa die erste Bataillons­kommandeur­in des Heeres oder die erste U-Boot-Kommandant­in der Marine - nicht hinwegtäus­chen". Tatsächlic­h gibt es in der gesamten Bundeswehr nur drei Frauen unter den Generälen - allesamt Ärztinnen.

Womöglich war dieser Umstand einer der Gründe für die Ergebnisse einer Umfrage, die kürzlich erschien. Herausgege­ben wurde sie vom Zentrum für Militärges­chichte und Sozialwiss­enschaften der Bundeswehr. Demnach stimmten nur 36 Prozent der befragten jungen Frauen im Alter von 16 bis 29 zu, dass die Bundeswehr ein attraktive­r Arbeitgebe­r sei. Bei jungen Männern stimmten dagegen 56 Prozent zu.

Bundeswehr spiegelt Gesellscha­ft wider

Weitere Probleme, die die Bundeswehr unattrakti­v für Frauen machen könnte, sind die Unvereinba­rkeit von Beruf und Familie und Fälle sexueller Belästigun­g. Die Wehrbeauft­ragte verweist in ihrem jährlichen Bericht beispielsw­eise auf den zweijährig­en General-/Admiralsta­bslehrgang National. Dieser sei noch nicht exibel genug gestaltet und erfordere häu ge Umzüge - schwierig für Militärang­ehörige mit Kindern.

Gleichzeit­ig ist das Problem der sexuellen Belästigun­g noch immer ein Thema bei der Bundeswehr. Im Jahr 2022 hat es laut Bericht der Wehrbeauft­ragten über 350 meldep ichtige Ereignisse wegen des Verdachts auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbest­immung gegeben. Eine interne Untersuchu­ng zeigte: 80 Prozent der Betroffene­n sind Frauen.

Maja Apelt erkennt darin eine größere gesellscha­ftliche Dimension. Die Bundeswehr spiegele jene Bereiche wider, in denen Männer dominieren: "Kaum ein Beruf ist so sehr mit Männlichke­it verbunden wie der Soldatenbe­ruf."

Dennoch, so Apelt, zeige gerade der Sanitätsdi­enst und die höhere Zahl von Frauen dort, dass die Bundeswehr nicht grundsätzl­ich abschrecke­nd wirke. "Vorbilder sind wichtig", betont Apelt, gerade in Führungspo­sitionen. "Es ist wichtig zu sehen, dass es möglich ist. Ich bin nicht die einzige, sondern es ist vorstellba­r, als Frau diesen Weg zu gehen. Frauen in vorgesetzt­en Positionen sind einerseits Vorbilder, aber anderersei­ts können sie natürlich auch Türö ner sein."

Inka von Puttkamer, die erste Frau an der Spitze eines Kampfverba­nds der Marine, versteht sich zwar auch als Vorbild. Allerdings betont sie zugleich, in der Marine sollte dies heute nichts Besonderes mehr sein. "Ich nde es schwierig, dass dieses Frausein immer herausgeho­ben wird. Die Bundeswehr bietet meinem Mann und mir gleichzeit­ig die Chance, in Führungspo­sitionen zu sein und das mit der Familie vereinbare­n zu können. Ohne Frage: Das ist stressig und es brauche dafür viel Organisati­on und Vorplanung. Aber es ist möglich."

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Bild: Chris Emil Janssen/IMAGO IMAGES Bundesvert­eidigungsm­inister Pistorius im Gespräch mit Oberstarzt Sonja Fischer

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