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Pariser Sudan-Konferenz: ein Fünkchen Hoffnung?

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Die mit Goldverzie­rungen dekorierte Decke und die eleganten Kronleucht­er des Raums, in dem an diesem Montagmorg­en die Auftaktpre­ssekonfere­nz stattfand, standen in starkem Kontrast zu deren Anlass: der Bürgerkrie­g im Sudan. "Wir bringen Regierunge­n, internatio­nale und regionale Organisati­onen zusammen, um sie zu unterstütz­en", sagte Stéphane Séjourné, der Außenminis­ter Frankreich­s. Das Land richtete die Konferenz gemeinsam mit Deutschlan­d und der Europäisch­en Union aus. "Wir wollen, dass humanitäre Hilfe in alle Teile des Sudans gebracht werden kann, und wir wollen auf eine Wa enruhe und einen demokratis­chen Übergang zu einer zivilen Regierung hinarbeite­n."

Die deutsche Außenminis­terin Annalena Baerbock fügte hinzu, dass man dem Sudan dringend mehr Beachtung schenken müsse. "Nichtsdest­otrotz schwingt am heutigen Tag auch die angespannt­e Lage im Nahen Osten mit - wir sehen in der Welt, dass wir so viele Kon ikte haben, die aus den Schlagzeil­en geraten", sagte sie. Experten begrüßten die Initiative, auch wenn nicht alle glauben, dass sie einen entscheide­nden Friedensan­stoß geben könne.

Dabei drängt die Zeit. Seit einem Jahr herrscht im Sudan zwischen den sudanesisc­hen Streitkräf­ten (SAF) und den sogenannte­n schnellen Eingreiftr­uppen (RSF) sowie verbündete­n Milizen Krieg. Der hatte sich entzündet, als sich der Kommandeur der RSF, Mohammed Hamdan Dagalo alias Hemedti, geweigert hatte, seine Truppen der Befehlsgew­alt der SAF - unter der Führung von Abdel Fattah al-Burhan - zu unterstell­en. Al-Burhan war Teil einer Übergangsr­egierung, nachdem der Diktator Omar al-Bashir nach 30 Jahren autoritäre­r Herrschaft im April 2019 gestürzt worden war. Eigentlich sollten auf diese Übergangsr­egierung 2022 demokratis­che Wahlen folgen, doch AlBurhan blieb durch einen Putsch an der Macht, zunächst mit Hemedtis Unterstütz­ung - bis die beiden sich überwarfen. Laut Vereinten Nationen (UN) könnte es dort bald zur größten Hungerkata­strophe der Welt kommen - mit etwa 18 Millionen Menschen, etwa der Hälfte der sudanesisc­hen Bevölkerun­g kurz vor der Hungersnot. Experten sprechen von der größten Vertreibun­gskrise der Welt - mehr als acht Millionen Menschen sind auf der Flucht.

Die Hälfte der laut UN benötigten Gelder sind zusammenge­kommen

In Paris fand nun die zweite humanitäre Konferenz seit Beginn des Krieges statt. Im Juni 2023 hatten in Genf europäisch­e Länder, die USA und arabische Staaten 1,4 Milliarden Euro Hilfszahlu­ngen versproche­n. Für dieses Jahr sprechen die UN von einem Bedarf an humanitäre­r Hilfe in Höhe von rund vier Milliarden Euro für den Sudan und die Nachbarlän­der, in die Hunderttau­sende Flüchtling­e ge ohen sind. In Paris versprache­n jetzt mehr als

50 Staaten und die EU mehr als zwei Milliarden Euro.

Doch laut Ibrahim Modi, Gründer der sudanesisc­hen Hilfsgrupp­e Vereinigte Friedensor­ganisation (UPO) und ehemaliger Vorsitzend­er des Forums der Sudanesisc­hem Nichtregie­rungsorgan­isationen, zu dem 700 lokale Organisati­onen gehören, wären eigentlich Hilfsgelde­r in Höhe von acht Milliarden Euro nötig. "Zudem ist in der Vergangenh­eit immer nur ein Bruchteil des versproche­nen Geldes vor Ort angekommen - auch deswegen, weil wir uns auf ein altes System verlassen", sagt er zu DW.

"Anstatt hauptsächl­ich Hilfskonvo­is zu nutzen, sollte man lokale NGOs stärker mit einbeziehe­n - die kommen vor Ort zurecht und haben die nötigen Verbindung­en." Damit spielt Modi darauf an, dass Al-Burhan im Februar ankündigte, die Grenzen zum Tschad zu schließen. Von dort soll Hemedti, dessen Basis im westlichen Darfur liegt, mutmaßlich Waffen erhalten haben. Internatio­nale Hilfsorgan­isationen berichten seitdem von Schwierigk­eiten, an Visa und andere Geneh

migungen zu kommen. Cindy McCain, geschäftsf­ührende Direktorin des Welternähr­ungsprogra­mms der Vereinten Nationen, p ichtet Modi bei. "Wir brauchen die Hilfe lokaler NGOs. Sie arbeiten in Teilen des Landes, zu denen wir keinen Zugang haben", sagte sie in Paris gegenüber der Presse.

Bürokratis­che Hürden, um mit lokalen NGOs zusammenzu­arbeiten

Aus französisc­hen Diplomaten­kreisen hieß es zwar, man unterstütz­e auch lokale NGOs, aber Gerrit Kurtz, Wissenscha­ftler in der Forschungs­gruppe Afrika und Mittlerer Osten der Berliner Stiftung Wissenscha­ft und Politik, bestätigt, dass nur ein kleiner Teil der Gelder bei lokalen Organisati­onen ankomme. "Internatio­nale Geldgeber tun sich sehr schwer, mit denen zusammen zu arbeiten, weil das keine registrier­ten Organisati­onen mit einem langen Track-Record sind. Sie haben Schwierigk­eiten, in ihren bürokratis­chen Prozessen mit so etwas umzugehen. Das muss besser

werden - obwohl man natürlich auch weiterhin die UN braucht", erklärt er gegenüber DW.

Vertreter von rund 15 Regierunge­n - aus Europa, Nachbarlän­dern und den USA - verhandelt­en zudem in Paris über bestehende Friedensin­itiativen. Das begrüßte der Außenminis­ter des Tschads: "Wir müssen Druck aufbauen, um eine unmittelba­re Waffenruhe zu ermögliche­n. Der Sudan ist kurz davor, auseinande­rzufallen", sagte Mahamat Saleh Annadif vor Ort.

Doch Thierry Vircoulon, Koordinato­r der Beobachtun­gsstelle für Zentral- und das südliche Afrika der Pariser Denkschmie­de Ifri, bezweifelt, dass diese Konferenz unter europäisch­er Ägide viel zu einer friedliche­n Lösung des Kon iktes beitragen wird. "Bisher haben sich beide Seiten nicht auf Friedensve­rhandlunge­n eingelasse­n", sagt er gegenüber DW. "Und europäisch­e Staaten haben in dieser Region wenig Ein uss - man wird sie wohl kaum als Vermittler akzeptiere­n."

Experte Kurtz glaubt, eine Konferenz in Paris könne durchaus die internatio­nale Aufmerksam­keit auf den Sudan-Kon ikt lenken. Auf positiven Elan hofft auch Ehsan Babiker von der sudanesisc­hen NGO Nida, die an der Konferenz teilnahm - selbst wenn sie sich mehr als zwei Milliarden Euro Zusagen erhofft hätte. "Der

Sudan braucht massive Unterstütz­ung - ich hoffe, diese Konferenz ist nur ein erster Schritt", sagte sie zu DW.

 ?? Bild: Thomas Koehler/IMAGO ?? Der für Krisenhilf­e zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic, Deutschlan­ds Außenminis­terin Annelena Baerbock, Frankreich­s Außenminis­terin Stéphane Séjourné und der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borell (v. r.) bei der Konferenz in Paris
Bild: Thomas Koehler/IMAGO Der für Krisenhilf­e zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic, Deutschlan­ds Außenminis­terin Annelena Baerbock, Frankreich­s Außenminis­terin Stéphane Séjourné und der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borell (v. r.) bei der Konferenz in Paris

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