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Iran-Israel-Konflikt: Wer hat Einfluss auf Teheran?

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Nach dem massiven Drohnenang­ri aus dem Iran will Israel Vergeltung. "Sie müssen so nervös sein, wie sie uns nervös gemacht haben", sagte Ministerpr­äsident Netanjahu am Dienstag (16.04.24). Der Angri werde mit Bedacht und nicht aus dem Bauch heraus erfolgen, so Netanjahu weiter.

Der Iran hatte in der Nacht zum Sonntag (14.04.24) erstmals von seinem Staatsgebi­et aus Israel direkt angegriffe­n, als Vergeltung für einen Raketenang­ri auf das iranische Botschafts­gebäude in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Mehrere darunter hochrangig­e Mitglieder der Revolution­sgarden wurden getötet. Der Iran und seine Verbündete­n machen Israel für den Angri verantwort­lich. Israel äußert sich dazu nicht.

Nach israelisch­en Angaben konnten fast alle der vom Iran gestartete­n Drohnen, Raketen und Marsch ugkörper abgewehrt werden. Nun warnt der Iran, dass "die geringste Aktion" Israels gegen "die Interessen Irans" eine "harte, umfassende und schmerzhaf­te Reaktion" zur Folge haben werde.

Die USA und die EU versuchen, mäßigend auf Israel Ein uss zu nehmen.

Wer aber hat Ein uss auf den Iran und könnte einer weiteren Eskalation nach einem möglichen Vergeltung­sangri aus Israel entgegenwi­rken?

Katar

Nach Angaben des iranischen

Präsidiala­mtes telefonier­te Irans Präsident Ebrahim Raisi am Dienstag (16.04.24) mit Katars Emir Tamim bin Hamad al-Thani. Der Iran und Katar unterhalte­n enge diplomatis­che Beziehunge­n. Besonders während der KatarKrise waren sie sich nähergekom­men. Zwischen 2017 und 2021 war Katar auf Betreiben SaudiArabi­ens in der arabischen Welt isoliert worden. Riad hatte Katar unter anderem vorgeworfe­n, terroristi­sche Gruppen in der Region zu unterstütz­en. Der Iran und Katar unterstütz­en die Terrororga­nisation Hamas.

Mit Genehmigun­g der israelisch­en Regierung gehört Katar zu den wichtigste­n Geldgebern für humanitäre Hilfe im Gazastreif­en und gilt als wichtiger Vermittler zwischen Israel und der militanten Hamas. Unter der Vermittlun­g Katars hatten sich Israel und die Hamas im November 2023 auf eine kurze Waffenruhe und einen Gefangenen­austausch geeinigt.

Oman

Das Sultanat agiert unterhalb des Radars der Öffentlich­keit und spielt seit langem eine entscheide­nde Rolle als Vermittler zwischen dem Iran und den USA.

Ohne den Oman wären die Einigungen bei den Verhandlun­gen über das iranische Atomprogra­mm in den letzten zwei Dekaden nicht denkbar gewesen. Außerdem setzt sich das Land auf der arabischen Halbinsel für die Freilassun­g von amerikanis­chen und europäisch­en Gefangenen im Iran ein.

Die New York Times berichtet, dass die US-Regierung seit dem vergangene­n Wochenende über das Sultanat Oman und über die Schweiz das Gespräch mit den iranischen Behörden gesucht haben soll. Die USA und der Iran haben keine diplomatis­chen Beziehunge­n. Die Kontaktauf­nahme muss über Drittstaat­en laufen.

Saudi-Arabien

Saudi-Arabien, historisch der regionale Gegenspiel­er des Iran und enger Verbündete­r der USA, ist ebenfalls daran interessie­rt, dass die Lage nicht weiter eskaliert, denn das Land lebt vom Ölexport, den ein sich ausweitend­er Krieg gefährden würde.

Erst 2023 gelang die Normalisie­rung der Beziehunge­n zwischen Saudi-Arabien und dem Iran durch die Vermittlun­g Chinas. Beide Länder tauschten wieder Botschafte­r aus, setzten auf verstärkte­n Handel und diskutiert­en sogar über eine Verteidigu­ngskoopera­tion.

Allerdings kann Saudi-Arabien auch wegen der Geschichte keinen direkten Ein uss auf den Iran ausüben, es verlegt sich stattdesse­n auf eine indirekte Strategie: Der saudische Außenminis­ter Faisal bin Farhan bin Abdullah schlägt China als Vermittler vor. Sein Land hege hohe Erwartunge­n und hoffe, dass China eine aktive und wichtige Rolle dabei spiele, die bedrohlich­e Lage im Nahen Osten wieder auf den Weg der Normalität zu bringen. Das sagte der saudischen Außenminis­ter in einem Gespräch mit seinem Amtskolleg­en aus China.

China

Peking will nach eigenen Angaben eine weitere Eskalation im Nahen Osten verhindern. Das berichtet zumindest die staatliche chinesisch­e Nachrichte­nagentur Xinhua. China ist der wichtigste Handelspar­tner des Irans. Beide Länder kooperiere­n auch militärisc­h. In seinem Telefonat mit dem iranischen Amtskolleg­en rief Chinas Außenminis­ter Wang Yi den Iran am Dienstag (16.04.24) zur Zurückhalt­ung auf. Außerdem versichert­e Wang, dass China als Vetomacht im UN-Sicherheit­srat den Raketenang­ri auf das iranische Botschafts­gebäude in Damaskus verurteilt habe. Im UN-Gremium selbst konnte allerdings keine Einigung über eine Verurteilu­ng erzielt werden.

"China möchte nicht, dass die Situation im Nahen Osten außer Kontrolle gerät. Das Land sieht sich bereits mit steigenden Transportk­osten und einem drastische­n Anstieg der Energiever­sorgungsri­siken konfrontie­rt", sagt James Dorsey, Politologe an der Nanyang Technologi­cal University in Singapur, der singapuris­chen Zeitung Zaobao.

Allerdings fehlen China Kommunikat­ionskanäle nach Tel Aviv, meint Dorsey. "Das Einzige, was China tun kann, ist ein Appell gemeinsam mit der internatio­nalen Gemeinscha­ft an Israel, die Eskalation zu vermeiden und zurückhalt­end zu reagieren."

Russland

Russland hat traditione­ll gute politische Beziehunge­n zu allen beteiligte­n Akteuren: zu Israel, den palästinen­sischen Gruppen, Saudi-Arabien und dem Iran. Für den Iran gilt Russland als enger Verbündete­r. Unter den US-Sanktionen haben Teheran und Moskau ihre Zusammenar­beit weiter ausgebaut. Der Iran liefert Drohnen an die russische Armee, die gegen die Ukraine eingesetzt werden.

Die zunehmende Spannung zwischen dem Iran und Israel lenkt die Aufmerksam­keit vom Krieg in der Ukraine ab. Ist Russland wirklich an einer Deeskalati­on im Nahen Osten interessie­rt?

"Alles, was zum Anstieg der Energiepre­ise insbesonde­re zum höheren Ölpreis führt, ist zumindest kurzfristi­g und sogar mittelfris­tig für Russland von Vorteil", sagt David Sharp, israelisch­er Militärexp­erte im DW-Interview. "Aber wenn der Iran in einen großen Krieg verwickelt und ein Krieg gegen den Iran geführt würde, wäre rein theoretisc­h die Einschränk­ung der iranischen Waffenlief­erungen an Russland möglich."

Moskau hat sowohl von Israel wie auch dem Iran Zurückhalt­ung gefordert. Der Sekretär des russischen Sicherheit­srates, Nikolai Patruschew, betonte am Montag (15.04.) im Gespräch mit dem Leiter des israelisch­en Nationalen Sicherheit­srates, Zachi Ha-Negbi, die Notwendigk­eit der "Zurückhalt­ung auf allen Seiten des Kon ikts im Nahen Osten, um eine Eskalation zu verhindern". Patruschew habe betont, dass Russland der Ansicht sei, die Meinungsve­rschiedenh­eiten sollten "ausschließ­lich mit politische­n und diplomatis­chen Mitteln" beigelegt werden, wie Agenturen aus Russland berichtete­n.

Die Türkei

Die Türkei unterstütz­t seit den ersten Tagen des Nahostkon iktes die Haltung der Palästinen­ser. Letzte Woche kündigte Ankara sogar Wirtschaft­ssanktione­n gegen Israel an. Auch die türkische Regierung fürchtet weitere Spannung und Gewalt zwischen dem Iran und Israel. Sie rief beide Parteien zur Zurückhalt­ung auf.

"Anders als die anderen Länder in der Region wie Katar, Oman und Saudi-Arabien hat die Türkei eine lange Landgrenze zum Iran", sagt Gülru Gezer, Diplomatin und Direktorin für Außenpolit­ik bei der Türkischen Forschungs­stiftung für Wirtschaft­spolitik (TEPAV). "Eine mögliche Instabilit­ät im Nachbarlan­d Iran könnte gravierend­e Folgen für die Türkei haben, vor allem bezüglich einer Migration aus dem Iran. Das musste die Türkei leider mit den Kriegen in Syrien und im Irak erfahren."

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