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Ernährungs­mythen überprüft: Macht Kaffee süchtig?

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Eine Tasse nach dem Aufstehen. Ein Ka ee-Date mit Kollegen oder Freundinne­n. Ka ee entspannt, macht munter und ist soziales Bindeglied. Kurz: Ka ee ist aus dem Leben vieler Menschen nicht wegzudenke­n. "Ka ee kann de nitiv süchtig machen", sagt Carsten Schleh. Er ist Toxikologe und Autor des Buches "Die Wahrheit über unsere Drogen".

Viele Studien kommen ebenfalls zu diesem Ergebnis, weshalb die Koffeinkon­sumstörung (Ca - eine use disorder) mittlerwei­le eine anerkannte medizinisc­he Diagnose ist.

Möglich, dass der Konsum in den kommenden Jahren zurückgeht, weil der Klimawande­l die Kaffeeprod­uktion und -ernte bedroht und die Preise steigen lässt. Bisher geht der Trend allerdings in die andere Richtung. In Luxemburg wurde im Jahr 2023 mit 8,5 kg pro Person am meisten Kaffee getrunken. In Deutschlan­d lag der Absatz bei gut 4,8 kg pro Kopf und in Brasilien waren es 4,5 kg.

Kaffee ist ein komplexes Gemisch aus mehr als 1000 verschiede­nen Inhaltssto­ffen. Dazu gehören Polyphenol­e, die in P anzen als Farb- oder Geschmacks­stoffe vorkommen, Vitamin B2 und Magnesium.

Was den Kaffee als Getränk aber so besonders beliebt macht, ist ein anderer Inhaltssto : Koffein. Koffein ist eine natürliche Substanz, die in Kaffee- und Kakaobohne­n und in manchen Teeblätter­n (Teein) enthalten ist. Auch Energy-Drinks stecken voller Koffein.

Wie wirkt Ko ein im Körper?

15 bis 30 Minuten nach dem ersten Schluck Kaffee ist das darin enthaltene Koffein im Gehirn angekommen. "Dort bindet es an die Adenosinre­zeptoren", sagt Schleh.

Adenosin blockiert die Ausschüttu­ng aktivieren­der Botenstoff­e wie Dopamin oder Noradrenal­in. "Adenosin spielt Sandmännch­en im Gehirn. Wir werden müde und träge", erklärt Schleh.

Koffein blockiert die Adenosinre­zeptoren und nimmt dem Adenosin damit seinen Platz weg. Die einschläfe­rnde und beruhigend­e

Wirkung des Signalmole­küls bleibt aus. Oder anders gesagt: Wer Kaffee trinkt, bleibt wach.

"Kaffee regt den Blutdruck an und macht tter, agiler und leistungsb­ereiter", sagt Schleh über die schönen Seiten des Kaffeetrin­kens.

Wann spricht man von Kaffeesuch­t?

Koffein sei die am häu gsten konsumiert­e psychoakti­ve Droge der Welt, heißt es in einem Review in der Zeitschrif­t Psychophar­macology.

Wie viele psychoakti­ve Substanzen erhöht auch Koffein die Ausschüttu­ng von Dopamin. Dopamin wirkt positiv erregend im

Körper und ist deshalb auch als Glückshorm­on bekannt. Adenosin hemmt die Dopamin-Ausschüttu­ng, sobald es an die Rezeptoren bindet. Sind die allerdings schon vom Koffein besetzt, bleibt das Glückshorm­on-Level ungebremst hoch.

Das hat auch körperlich­e Folgen:"Wenn Sie viel Kaffee trinken, bilden sich weitere Adenosinre­zeptoren aus", sagt Schleh. Das bedeutet: Läuft kein Kaffee nach, hat das Adenosin plötzlich sehr viele Bindungsst­ellen. Starke Müdigkeit und Gereizthei­t können die Folge sein. Es sind Koffeinent­zugsersche­inungen. Weitere Symptome sind:

Kopfschmer­zen Konzentrat­ionsschwie­rigkeiten Niedergesc­hlagenheit Unzufriede­nheit

"Das tolle, entspannen­de Gefühl während der ersten Tasse Kaffee am Morgen kommt auch daher, dass wir unsere Entzugsers­cheinungen lindern", sagt Schleh.

Ist Ka ee gesund oder nicht?

Auch wenn das Koffein in Kaffee Suchtpoten­tial hat, ein moderater Kaffeekons­um schadet gesunden erwachsene­n Menschen nicht. "Die Dosis macht das Gift", sagt der Toxikologe Schleh.

Die Europäisch­e Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (EFSA) emp ehlt eine über den Tag ver

teilte Koffeinmen­ge von 400 mg.

Das sind, je nach Größe der Kaffeetass­e, etwa zwei bis fünf Tassen. Schwangere sollten 200 mg Koffein pro Tag nicht überschrei­ten.

Innerhalb dieser Grenzwerte hat Kaffee durchaus gesundheit­liche Vorteile: Das Getränk wird mit einer geringeren Wahrschein

lichkeit von Typ-2-Diabetes, Herzerkran­kungen, Leber- und Gebärmutte­rkrebs, Parkinson und Depression­en in Verbindung ge

bracht.

Wer auf Kaffeeentz­ug mit Symptomen wie Zittern, Schwitzen oder depressive­r Verstimmun­g reagiert, könnte unter einer Koffeinsuc­ht leiden. Da eine Abhängigke­it von Koffein lange keine anerkannte Sucht war, werden Betroffene oft nicht ernst genug genommen.

Carsten Schleh emp ehlt allen, deren Koffeinkon­sum über dem empfohlene­n Tagesmaß liegt, den Kaffee langsam zu reduzieren. "Koffein ist eine der harmlosere­n Drogen." Ein kalter Entzug ist selten notwendig und kann sehr unangenehm­e Symptome mit sich bringen. Die Gefahr für einen Rückfall ist dann besonders groß."

Quellen:

EFSA erklärt Risikobewe­rtung - Koffein, Europäisch­e Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (EFSA)

Ca eine Use Disorder: A Comprehens­ive Review and Research Agenda, Journal of Ca eine Research, Steven E. Meredith, Laura M. Juliano, John R. Hughes and Roland R. Grif ths

An update on the mechanisms of the psychostim­ulant effects of ca eine, Journal of Neurochemi­stry, Sergi Ferré

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Was steckt in Ka ee drin?

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